Liebe Leserin, lieber Leser,
mit Wachstum haben die für die Lohnsteuer vorgesehenen Gesetzesänderungen jetzt unbedingt etwas zu tun. Sie zielen eher auf den Bereich „Vereinfachung“ ab, was im Steuerrecht ja nicht unbedingt die Regel ist. Gleichwohl denke ich, dass nicht alle in diesem Bereich geplanten Anpassungen bei allen Beteiligten auf Zustimmung treffen werden. Aus Arbeitnehmersicht ist die geplante Abschaffung der ermäßigten Besteuerung auf Abfindungszahlungen und Lohnzahlungen für mehrere Jahre bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren, freundlich ausgedrückt, unglücklich. Betroffene Arbeitnehmer erleiden dadurch einen Liquiditätsnachteil, der sich erst mit der Abrechnung der Lohnzahlung im Einkommensteuerveranlagungsverfahren auflöst.
Im Einzelnen sind im lohnsteuerlichen Bereich folgende Anpassungen geplant:
Die als Werbungskosten abzugsfähigen inländischen Verpflegungspauschalen sollen ab 2024 angehoben werden:
für jeden Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer 24 Stunden von seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist, von 28 Euro auf 30 Euro,
für den An- oder Abreisetag, wenn der Arbeitnehmer an diesem, einem anschließenden oder vorhergehenden Tag außerhalb seiner Wohnung übernachtet, von jeweils 14 Euro auf 15 Euro und
für jeden Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer ohne Übernachtung außerhalb seiner Wohnung mehr als 8 Stunden von seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist, ebenfalls von 14 Euro auf 15 Euro.
Die Erhöhung der Verpflegungspauschalen wirkt sich auch bei der Lohnsteuerpauschalierung von überzahlten Verpflegungspauschalen aus3.
Auch wenn einige Landesreisekostengesetze mittlerweile, zumindest temporär, eine pauschale Fahrtkostenerstattung bei Dienstreisen ihrer Landesbediensteten von 35 Cent je Kilometer für die Nutzung privater Kraftfahrzeuge vorsehen4, sieht auch dieser Gesetzentwurf keine entsprechende Anhebung für die steuerfreie Reisekostenzahlung privater Arbeitgeber an ihre Beschäftigten bzw. den Werbungskostenabzug vor. Durch die nach wie vor geltende alleinige Bezugnahme auf die höchstmögliche Wegstreckenentschädigung nach dem Bundesreisekostengesetz, verbleibt es weiterhin bei den 30 Cent je gefahrenen Kilometer5. Eine dahingehende Anpassung aufgrund der nach wie vor hohen Kraftstoffkosten wäre sicher angebracht.
Ab 2015 ist gesetzlich festgelegt, dass Zuwendungen des Arbeitgebers aus einer Betriebsveranstaltung zu Arbeitslohn führen. Betragen die Aufwendungen des Arbeitgebers nach Aufteilung der maßgebenden Gesamtkosten jedoch nicht mehr als 110 Euro je Arbeitnehmer, so liegt kein steuerbarer Arbeitslohn vor, wenn die Teilnahme allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht. Der Freibetrag gilt für bis zu zwei Betriebsveranstaltungen jährlich je teilnehmendem Arbeitnehmer. Dieser Freibetrag soll von 110 Euro auf dann 150 Euro ab 2024 angehoben werden.
Mit dieser Anhebung kommt der Gesetzentwurf auch einer Vorgabe des BFH zur regelmäßigen Anpassung des Freibetrags an die Geldentwertung nach. Der BFH hatte es jedenfalls vor Jahren abgelehnt, die vor der gesetzlichen Festlegung eines Freibetrags für Betriebsveranstaltungen geltende Freigrenze von 110 Euro für Zuwendungen anlässlich einer Betriebsveranstaltung an die wirtschaftliche Entwicklung anzupassen. Eine ständige Anpassung der (seinerzeitigen) Freigrenze an die Geldentwertung sei nicht Aufgabe des Gerichts. Dies sei vielmehr Aufgabe der FinVerw bzw. nunmehr eben des Gesetzgebers7.
Der Gesetzgeber hat nach einem Urteil des BFH dafür zu sorgen, dass es zu keiner „doppelten Besteuerung“ von Altersvorsorgeaufwendungen und der aus diesen Aufwendungen resultierenden Rentenleistungen kommt9. Um eine solche „doppelte Besteuerung“ zu vermeiden, soll mit diesem Gesetz eben ein langsamerer Anstieg des Besteuerungsanteils der Renten aus der Basisversorgung10 erfolgen.
Parallel dazu wird diese Rechtsanpassung im Bereich der Freibeträge für Versorgungsbezüge nachgezeichnet. Beginnend mit dem Jahr 2023 soll der anzuwendende Prozentwert zur Bemessung des Versorgungsfreibetrages nicht mehr in jährlichen Schritten von 0,8 Prozentpunkten, sondern nur noch in jährlichen Schritten von 0,4 Prozentpunkten verringert werden. Der Höchstbetrag sinkt zudem ab dem Jahr 2023 um jährlich 30 Euro und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag um jährlich 9 Euro.
Das hätte zur Folge, dass erst bei einem Versorgungsbeginn ab 2058, anstatt wie bisher ab 2040, eine vollständige Versteuerung von Versorgungsbezügen stattfindet.
Ebenfalls als Folge des verlangsamten Anstiegs des Besteuerungsanteils der Renten aus der Basisversorgung, soll sich auch der Abschmelzungsprozess des Altersentlastungsbetrags verlangsamen. Beginnend mit dem Jahr 2023 verringert sich der anzuwendende Prozentsatz nicht mehr in jährlichen Schritten von 0,8 Prozentpunkten, sondern nur noch in jährlichen Schritten von 0,4 Prozentpunkten. Der Höchstbetrag sinkt beginnend mit dem Jahr 2023 um jährlich 19 Euro anstatt bisher 38 Euro. Der Altersentlastungsbetrag würde damit ebenfalls erst ab 2058 entfallen.
Für bestimmte außerordentliche Lohneinkünfte (zusammengeballt zufließende Entschädigungen oder Vergütungen für mehrere Jahre) sieht das Einkommensteuergesetz eine ermäßigte Besteuerung nach der sog. Fünftelungsregelung vor13. Diese Tarifermäßigung konnte bisher bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren durch den Arbeitgeber angewendet werden. Damit soll ab 2024 Schluss sein14. Das Verfahren zur Prüfung der Anwendung der Tarifermäßigung auf Ebene des Arbeitgebers sieht der Gesetzgeber offenbar als zu fehleranfällig an. Zudem sieht der Gesetzgeber Probleme bei der Berechnungsdarstellung im Programmablaufplan für die maschinelle Lohnsteuerberechnung und den Lohnsteuerberechnungs- bzw. Lohnabrechnungsprogrammen der Arbeitgeber.
Diese geplante Verfahrensänderung stellt unstreitig eine Vereinfachung für die Arbeitgeber dar. Allein schon aufgrund der Tatsache, dass bisher eine dahingehend fehlerhafte Lohnabrechnung arbeitsrechtliche Streitigkeiten nach sich ziehen konnte. Diese „Gefahr“ ist durch die Streichung der Vorschrift zur Anwendung der Tarifermäßigung bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren gebannt.
Dem Hinweis im Referentenentwurf das dem Arbeitnehmer durch diese Maßnahme kein Nachteil entsteht, weil die abschließende Entscheidung, ob die Tarifermäßigung tatsächlich zur Anwendung kommt, erst im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer feststeht, vermag ich nicht ganz zuzustimmen. Sicherlich geht dem Arbeitnehmer die Tarifermäßigung auf seine außerordentlichen Einkünfte nicht gänzlich verloren. Jedoch tritt der durch den geplanten Wegfall der Anwendung der Tarifermäßigung im Lohnsteuerabzugsverfahren gesetzlich vorgesehene Entlastungseffekt nicht mehr bereits im Zuflusszeitpunkt ein. Für den Arbeitnehmer bedeutet dies einen nicht unerheblichen Liquiditätsnachteil.
Wenn man bedenkt, dass die Bearbeitung einer Einkommensteuererklärung frühestens Anfang März des auf die Zahlung der außerordentlichen Lohneinkünfte folgenden Jahres möglich ist, sind sicher die Arbeitnehmer, die solche Zahlungen zu Beginn eines Jahres erhalten, am meisten von der Rechtsanpassung betroffen. Denn das würde bedeuten, dass der betroffene Arbeitnehmer zukünftig mindestens ein Jahr auf die Rückerstattung des ihm zustehenden Erstattungsbetrags warten muss. Und wenn man dann noch bedenkt, dass die Höhe des Entlastungseffekts maßgeblich von der Höhe der laufenden Einkünfte abhängt, wird die Auswirkung der geplanten Rechtsanpassung noch deutlicher. Je geringer das zu versteuernde Einkommen ohne die außerordentlichen Einkünfte ist, umso höher ist der auf die außerordentlichen Einkünfte entfallene Entlastungseffekt. Oder um es anders zu sagen, die Arbeitnehmer, die weniger verdienen, werden den Liquiditätsnachteil am ehesten spüren.
Zahlt der Arbeitgeber Prämien für seine Arbeitnehmer zu einer Gruppenunfallversicherung, durch die auch das Risiko nicht beruflicher Unfälle abgedeckt wird und die Arbeitnehmer mit Beitragszahlung einen unmittelbaren Rechtsanspruch aus dem Versicherungsvertrag erlangen, liegt mit Beitragszahlung Lohnzufluss beim Arbeitnehmer vor. Die Lohnsteuer auf die Beitragszahlung kann der Arbeitgeber grundsätzlich mit 20% pauschal erheben. Die pauschale Erhebung setzt aber bisher voraus, dass der Teil der Gesamtprämie (ohne Versicherungssteuer), der auf einen Arbeitnehmer entfällt, 100 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigt. Ergibt sich ein höherer Durchschnittsbetrag, ist keine Pauschalierung der Lohnsteuer möglich.
Diese 100-Euro-Grenze soll für Lohnzahlungen ab 2024 wegfallen.
Welche Rechtsanpassungen insgesamt durch dieses Gesetz erfolgen werden, steht – wie immer – erst am Ende des Gesetzgebungsverfahrens fest. Und bis dahin „fließt noch viel Wasser den Rhein herunter“. Denn auch wenn der Referentenentwurf Mitte Juli veröffentlicht wurde, mit dem Regierungsentwurf ist erst Mitte August zu rechnen und die erhoffte Zustimmung des Bundesrats soll Mitte Dezember erfolgen. Bei „normalem Ablauf“ ist also nicht vor Weihnachten mit einer Verkündung des Gesetzes zu rechnen. Aber bis Weihnachten sind es ja auch nur noch 5 Monate.
In dem Sinne, bleiben Sie gesund und zuversichtlich.
Es grüßt Sie,
Ihr Matthias Janitzky
1 https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_IV/20_Legislaturperiode/2023-07-17-Wachstumschancengesetz/0-Gesetz.html
2 § 9 abs. 4a S. 3 EStG
3 § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG
4 z. B. § 5 Wegstrecken- und Mitnahmeentschädigung des Reisekostengesetz Nordrhein-Westfalen
5 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 2 EStG i.V.m § 5 Abs. 2 Satz 1 BRKG
6 § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a S. 3 EStG
7 BFH-Urteil vom 12.12.2012, VI R 79/10, BFHE 240, 44
8 § 19 Abs. 2 S. 3 EStG
9 BFH-Urteile vom 19.05.2021, X R 20/19, BFHE 273, 237 und X R 33/19, BFHE 273, 266
10 § 22 Nr. 1 S. 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa S. 3 EStG
11 § 24 a Satz 5 EStG
12 § 39b Abs. 3 S. 9 und 10 EStG
13 § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 und 4 EStG
14 Aufhebung § 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG
15 § 40b Abs. 3 ES
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