Liebe Leserin, lieber Leser,
am 29.11.2019 hat nunmehr auch der Bundesrat dem sog. Jahressteuergesetz 2019 (JStG 2019) zugestimmt3. Grundsätzlich steht damit der gesetzlichen Neubestimmung zur Abgrenzung einer Geldleistung von einer Sachleistung nichts mehr im Wege4.
Praktische Auswirkung hat die Definition von Sachleistungen insbesondere bei der Anwendung der sog. 44 Euro-Freigrenze und der Pauschalierung bei Sachbezügen nach § 37b EStG. Mit Wirkung ab 2020 gilt demnach folgendes:
„Zu den Einnahmen in Geld gehören auch zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten. Satz 2 gilt nicht bei Gutscheinen und Geldkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen und die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes erfüllen.“
Außerdem bleiben die nicht zu den Einnahmen in Geld gehörenden Gutscheine und Geldkarten nur dann außer Ansatz, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden.
Mit der gesetzlichen Neuregelung ist die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung zu zweckgebundenen Geldleistungen, nachträglichen Kostenerstattungen, Gutscheinen und wiederaufladbaren Geld bzw. Kreditkarten überholt. Für die Praxis bedeutet das, es müssen sämtliche diesbezügliche Abrechnungspraktiken auf ihre Gesetzeskonformität hin überprüft werden. Aber warum war eine gesetzliche Neuregelung überhaupt erforderlich? Nun, wenn man es genau nimmt, sind es zwei Gründe die dazu geführt haben.
Zum einen hat der BFH seine Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen Geldleistung und Sachleistung verfeinert5. Danach sind nachträgliche Kostenerstattungen oder zweckgebundene Geldleistung nicht mehr ohne weiteres als Sachleistungen einzuordnen. Eine klare Einordnungsmöglichkeit ist den Urteilen auch nicht zu entnehmen. Zum anderen enthalten die Urteile Hinweise auf eine differenzierte Betrachtungsweise des BFH zur steuerlichen Einordnung von Gutscheinen und Geldsurrogaten (Geldersatzmittel). Während der BFH Gutscheinen die Sachleistungseigenschaft zuspricht, sei diese bei Geldsurrogaten zweifelhaft.
Überdies hat sich kürzlich auch der Bundesrechnungshof mit dem Abgrenzungsthema Geldleistung/Sachleistung befasst. In seinen Bemerkungen aus 20186 beanstandet er das Vorgehen der Finanzämter, die Arbeitslohn in Form von Prepaid-Kreditkarten ohne sachlichen Grund steuerlich besserstellen als Barlohn. Unter Auslegung der bisherigen BFH-Rechtsprechung ordnen die Finanzämter, die dem Arbeitnehmern vom Arbeitgeber überlassene Prepaid-Kreditkarte, die mit Beträgen von bis zu 10.000 Euro jährlich aufgeladen werden können als Sachleistung ein, was dadurch der pauschalierenden Abgeltung des Arbeitslohns nach § 37b EStG mit 30% Raum bietet. Nach seiner Auffassung sind die Guthaben nicht als Sachbezüge anzusehen. Bei Prepaid-Kreditkarten handelt es sich seiner Ansicht nach um elektronisches Geld (E-Geld) im Sinne des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) und sei deshalb wie Bargeld zu besteuern. Der Bundesrechnungshof hat deshalb gefordert, die Ungleichbehandlung von Barlohn einerseits und E-Geld andererseits zu beseitigen. Er empfiehlt die Implementierung einer eindeutigen gesetzlichen Regelung, die jeglichen Bargeldersatz (E-Geld, Gutscheine oder Ähnliches, das auf einen Geldbetrag lautet) als Geldleistung einordnet.
Diesem Auftrag ist der Gesetzgeber mit der Erweiterung des § 8 Abs. 1 EStG nunmehr nachgekommen. Allerdings, eindeutig ist die gesetzliche Neuregelung nur, was den zukünftigen Ausschluss von zweckgebundenen Geldleistungen und nachträglichen Kostenerstattungen als Sachleistung betrifft. Arbeitgeber, die bisher z. B. monatlich bis 44 Euro nachträglich gegen Beleg private Tankkosten erstattet haben, werden ihre Praxis umstellen müssen, wenn sie weiterhin ihren Beschäftigten Sachleistungen bis zu einem Wert von 44 Euro steuerfrei gewähren möchten.
Erklärungsbedürftig ist hingegen die Ausnahmeregelung in Bezug auf bestimmte Gutscheine und Geldkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen. Diese gelten auch weiterhin als Sachleistung, wenn sie zudem die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 ZAG erfüllen.
Mit der Bezugnahme auf ein Gesetz außerhalb der Steuergesetze hat sich der Gesetzgeber nach meiner Auffassung keinen Gefallen getan. Denn für die Rechtsanwender heißt das, sich in die spezielle Materie des ZAG, konkret in die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 Nr. 10 ZAG einzuarbeiten. Anwenderfreundlicher wäre eine eindeutige Aussage im Gesetz.
Um sich Klarheit zu verschaffen, ist auf jeden Fall hilfreich zunächst ein Blick in den Bericht des Finanzausschusses vom 07.11.20197 zu werfen und dem Ziel der Ausnahmeregelung auf die Spur zugehen. Ziel sei es, bestimmte zweckgebundene Gutscheine und Geldkarten (Zahlungsinstrumente), die die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 a – c ZAG erfüllen und damit nicht als Zahlungsdienste gelten, als Sachbezug definieren. Auf die aufsichtsrechtliche Beurteilung als Zahlungsdienst komme es hingegen nicht an.
Viele neue Wörter, die aus dem Bankenrecht stammen und für den Steuerrechtler unbekannt klingen. Gut, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) als Aufsichtsbehörde ein umfangreiches Merkblatt zur Auslegung der ZAG-Vorschriften auf seiner Internetseite bereithält8.
Nach „intensivem Studium“ dieses Merkblatts komme ich anhand der im ZAG vorgehaltenen Ausnahmetatbeständen (vier Alternativen) zu dem Ergebnis, dass unter Beachtung der vorgenannten Ausgrenzungsmerkmale, folgende Gutscheine/Geldkarten steuerlich nicht als Geldleistung (Zahlungsdienst) gelten:
1. Alternative (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 a ZAG): Gutscheine/Geldkarten, die nur beim Aussteller im Geschäftsraum im Inland einlösbar sind (begrenzte Closed-Loop-Karten; shop-in-shop-Lösung, Hauskarte). Nicht für Internetkäufe („Geschäftsraum“).
Beispiele:
2. Alternative (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 a ZAG): Gutscheine/Geldkarten, nur einlösbar im Inland innerhalb eines begrenzten Netzes von Dienstleistern i. R. einer Geschäftsvereinbarung mit einem professionellen Emittenten (begrenztes Netzwerk, limited network; Controlled-Loop-Karten; shop-next-to-shop-Lösung = Alles unter einem Dach)
Beispiele:
Voraussetzungen: Einheitlicher Marktauftritt = einheitliche Zahlungsmarke (Symbol, Marke, Logo o. ä.; z. B. auch Logo der Kreditkartenorganisationen, Symbole der Kreditinstitute oder sonstigen Emittenten sowie der Debitkartenanbieter). Einsatz sowohl physisch vor Ort als auch im Internetshop, sofern im Internet nur die physisch vor Ort angebotenen Waren oder Dienstleistungen erworben werden können.
Nicht begünstigt daher: Betreiber eines reinen Internet-Marktplatzes, auf dessen Plattform andere Anbieter Waren oder Dienstleistungen anbieten.
3. Alternative (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 b ZAG): Gutscheine/Geldkarten für ein sehr begrenztes Warensortiment, keine Begrenzung auf das Inland (limited range).
Beispiele:
Voraussetzung: Erwerb vor Ort oder auch im Webshop der Akzeptanzstellen, sofern der Einsatzbereich nicht über das physisch erwerbbare begrenzte Waren- oder Dienstleistungsspektrum hinausgeht.
4. Alternative (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 c ZAG): Gutscheine/Geldkarten, ausschließlich für einen bestimmten sozialen oder steuerlichen Zweck im Inland einlösbar (Zweckkarte).
Beispiele:
Voraussetzung: Keine Zweckkarte, wenn Ausgabe für eine unbestimmte Anzahl verschiedener Produkte oder Dienstleistungen, z. B. soweit der Einsatzbereich der Karte nicht hinreichend bestimmt eingegrenzt ist (z. B. allgemeine Sachleistungen).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass insbesondere sog. Closed-Loop-Karten (Alternative 1) und Controlled-Loop-Karten (Alternative 2) auch 2020 zu den Sachbezügen gehören, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn ausgegeben werden.
Keine Sachleistung, sondern eine Geldleistung liegt vor bei Gutscheinen/Geldkarten (sog. Open-Loop-Karten), die über eine Barauszahlungs- oder Wandlungsfunktion in Geld und/oder eine eigene IBAN verfügen (für Überweisungen/Devisenkäufe nutzbar), sowie als generelles Zahlungsinstrument (weltweit) hinterlegt werden können.
Die Frage ist, wie diese Voraussetzungen in der Praxis nachzuweisen sind, damit das Massengeschäft „Lohnsteuer“ nicht unter Abgrenzungsschwierigkeiten leidet. An diesem Punkt hoffe ich auf ein klarstellendes Anwendungsschreiben der FinVerw.
Es grüßt Sie
Ihr Matthias Janitzky
1 § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EStG
2 Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (sog. Jahressteuergesetz 2019)
3 https://www.bundesrat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt/bundesrat-kompakt-node.html
4 § 8 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG-Neu
5 BFH-Urteile vom 07.06.2018 (VI R 13/16, BStBl 2019 II, S. 371) und vom 04.07.2018 (VI R 16/17, BStBl 2019 II, S. 373)
7 BT-Drs. 19/14909 S. 43 f.
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