Kompetenzmodell oder Anforderungsprofil?

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Kompetenzmodelle und Anforderungsprofile können sich im Personalmanagement ergänzen – wenn man ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede kennt.

Liebe Leserinnen und Leser,

in den letzten Jahren wurde im Personalmanagement vermehrt das Konzept „Kompetenzmodell“ diskutiert und verwendet. Was verbirgt sich dahinter und in welchem Zusammenhang stehen Kompetenzmodelle und Anforderungsprofile?

Kompetenz – ein Begriff und mehrere Bedeutungen

Der Begriff „Kompetenz“ wird sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis unterschiedlich verwendet. In der Wissenschaft verwenden zumindest die Disziplinen Psychologie, Pädagogik und Organisationslehre / Betriebswirtschaft diesen Begriff. In der Organisationslehre werden dabei Kompetenzen als die auf einen Stelleninhaber übertragenen formalen Befugnisse und Berechtigungen aufgefasst, also als Merkmale einer Stelle (Gourmelon, Seidel & Mroß, 2018, S. 129). Angemessene Kompetenzen sind Voraussetzung dafür, dass Stelleninhaber ihre Aufgaben ordnungsgemäß erledigen können. Beispiele für organisatorische Kompetenzen sind: Ausführungskompetenz, Entscheidungskompetenz, Weisungs- und Kontrollkompetenz. 

Kompetenz – viele Definitionen …

In Personalpsychologie und -management werden Kompetenzen als Merkmale einer Person aufgefasst. Kanning (2019, S.  48) z. B. versteht unter Kompetenzen „… Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Menschen“, die eine „ … zentrale Basis des beruflichen Verhaltens sowie der daraus resultierenden Leistung“ bilden. Krumm und Mertin (2013, S. 491) verstehen „… Kompetenzen als ein Set von Fähigkeiten, Fertigkeiten und anderen Merkmalen, das ursächlich dazu beiträgt, dass eine Person in der Lage ist, komplexe Situationen (im Beruf) effektiv zu bewältigen“. Eine Kompetenz setzt sich nach einer Arbeitsgruppe des Arbeitskreises Assessment Center e.V. (zitiert nach Höft & Goerke, 2014, S. 9 f.) aus den Personenmerkmalen kognitive Fähigkeiten, Persönlichkeitseigenschaften, Wissen, Fertigkeiten, Erfahrungen, Motivation und Einstellungen zusammen. Kompetenzen ermöglichen es, Problemstellungen in „… unterschiedlichen Situationen erfolgreich zu bewältigen“ (zitiert nach Höft & Goerke, 2014, S. 9). Kompetenzen seien nicht direkt beobachtbar und manifestierten sich im Verhalten. Teilweise seien Kompetenzen trainierbar.

… und der Versuch einer Festlegung

Unter Berücksichtigung dieser Auffassungen verstehe ich unter Kompetenz (im Bereich des Personalmanagements) folgendes: Kompetenzen sind Bündel von Personenmerkmalen, die es einer Person ermöglichen, berufliche Aufgaben erfolgreich zu erledigen.

Personenmerkmale können hierbei sein:

  • Qualifikationsmerkmale, wie z. B. Abitur, Führerschein, Berufsabschlüsse,

  • Kenntnisse und Fertigkeiten, wie z. B. Excel-Kenntnisse, vertiefte Kenntnisse im Sozialrecht, Fertigkeiten bei der Bedienung und Wartung von Mähmaschinen, deeskalierender Umgang mit aufgebrachten Bürgern,

  • Körperliche Fähigkeiten, wie z. B. Sehvermögen, Schwindelfreiheit, Muskelkraft,

  • Geistige Fähigkeiten, wie z. B. Intelligenz, Daueraufmerksamkeit,

  • Persönlichkeitsmerkmale, wie z. B. emotionale Stabilität, Einfühlungsvermögen, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit,

  • Werthaltungen, Interessen, Einstellungen, wie z. B. Bereitschaft zur Schichtarbeit, Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung, Loyalität, Integrität, Interesse an der Arbeit mit geistig behinderten Menschen.

Unter Kenntnissen und Fertigkeiten werden dabei Merkmale gefasst, die veränderlich und somit trainierbar sind. Als Fähigkeiten werden Personenmerkmale verstanden, die eher wenig veränderlich und somit Maßnahmen der Personalentwicklung kaum zugänglich sind.

Und was ist ein Kompetenzmodell?

Ein Kompetenzmodell (KM) beinhaltet nun mehrere Kompetenzen, die als wichtig erachtet werden, um in allen Bereichen einer Organisation oder einer Organisationseinheit erfolgreich handeln zu können (siehe z. B. Krumm & Mertin, 2013, S. 492). Die im Kompetenzmodell enthaltenen Kompetenzen werden aus der Strategie der Organisation abgeleitet, sie beziehen sich zumeist auf zukünftige Anforderungen (z. B. Krumm & Mertin, 2013, S. 492; Sonntag, 2016, S. 299; Höft &  Goerke, 2014, S. 9). Kompetenzmodelle ermöglichen die Ausrichtung der Instrumente des Personalmanagement auf die Organisationsziele (Busch & Jacob, 2012, S. 46), zudem können die Handlungsfelder des Personalmanagements, wie z. B. Personalmarketing, -auswahl, -entwicklung und –beurteilung miteinander verzahnt werden. Oftmals werden Kompetenzmodelle im Rahmen von Workshops mit der Top-Managementebene erarbeitet.

Dann gibt es auch noch Anforderungsprofile

Anforderungsprofile dienen als Mittel der Personalauswahl, den leistungsstärksten Bewerber für eine zu besetzende Stelle zu finden (OVG Rheinland-Pfalz 15.10.2002 – 10 B 11229/02-, juris Rn. 9). In einem Anforderungsprofil werden diejenigen Personenmerkmale aufgelistet, die ein zu einer bestimmten Stelle passender Bewerber aufweisen sollte. Ein passender Bewerber soll die mit der Stelle verbundenen Aufgaben erfolgreich bewältigen und dabei zufrieden sein (Gourmelon, 2009, S. 124; Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 62). Die aufzulistenden Personenmerkmale können in gleicher Weise wie bei Kompetenzmodellen (siehe oben) klassifiziert werden.

Wie komme ich zu einem Anforderungsprofil?

Während sich ein Kompetenzmodell überwiegend aus der Strategie der Organisation ergibt, wird ein Anforderungsprofil regelmäßig aus den Anforderungen einer Stelle oder einer Gruppe ähnlicher Stellen abgeleitet. Für die Herleitung der Anforderungen stehen unterschiedliche methodische Zugänge zur Verfügung. Mit Abbildung 1 sind die unterschiedlichen methodischen Zugänge zu den Anforderungen gemäß Eckhardt und Schuler (1992) aufgelistet und Beispiele für Methoden angegeben. Weiterführende Informationen zu den verschiedenen Methoden finden sich z. B. in Gourmelon (2009, S. 127 ff), Sonntag (2016, S. 296 ff) oder Schuler (2014, S. 61 ff). Die Qualität des Anforderungsprofils steigt, wenn mehrere Methoden bei dessen Erstellung zum Einsatz kommen (Schuler, 2014, S. 88). Der Schwerpunkt der Anforderungen liegt meist im Bereich der aktuellen Anforderungen.

Abbildung 1 Zugänge zu den Anforderungen einer Stelle und Beispiele für Methoden. 

Abbildung 1: Zugänge zu den Anforderungen einer Stelle und Beispiele für Methoden.


Im Rahmen der Arbeits- und Anforderungsanalyse müssen verschiedene Anforderungsquellen beachtet werden. Anforderungsquellen sind:

  • Gesetze, Verordnungen (z. B. in Bezug auf erforderliche Qualifikationen)

  • Erwartungen der Gesellschaft / von Stakeholdern (z. B. in Bezug auf Einstellungen und Werthaltungen)

  • Strategie / Ziele der Organisation

  • Beruf, Laufbahn

  • Organisationskultur

  • Stelle

    • Ziele, Aufgaben, Tätigkeiten

    • Kollegenkreis

    • Kundenkreis

    • Vorgesetzte

    • Arbeitsmittel

    • Arbeitsplatzbedingungen

Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Konzepte

Kurz gefasst zeichnen sich Kompetenzprofile durch ihre Strategiefundierung und ihre Zukunftsgerichtetheit, Anforderungsprofile durch ihre Fundierung auf etablierten Methoden und der Gegenwartsorientierung aus. Kompetenzmodelle sollen der Ausgangspunkt für verschiedene Instrumente des Personalmanagements sein, Anforderungsprofile werden vor allem für Auswahlverfahren erstellt. Kompetenzprofile beziehen sich auf alle Beschäftigten einer Organisation, Anforderungsprofile auf einzelne Stellen.

Überschneidungen der Konzepte ergeben sich dort, wo z. B. in einem Auswahlverfahren stellenübergreifende Anforderungen für die Personalauswahl ermittelt werden sollen (z. B. Werthaltungen bei Polizeibeamten aller Laufbahnen). Dieses allgemeine Anforderungsprofil (Abbildung 2) kann sich aus den aktuellen Gegebenheiten aber auch aus den zukünftigen Zielen / der Strategie ergeben und das besondere Anforderungsprofil einzelner Stellen ergänzen.

Abbildung 2 Überschneidungen von Kompetenzmodell und Anforderungsprofil. 

Abbildung 2: Überschneidungen von Kompetenzmodell und Anforderungsprofil (allg. AP: allgemeines Anforderungsprofil, bes. AP: besonderes Anforderungsprofil).


Beide Konzepte können sich ergänzen: Aus dem Kompetenzprofil können einerseits für das Anforderungsprofil Anforderungen abgeleitet werden, die zukünftig an Bedeutung gewinnen und schon jetzt in der Personalauswahl zu berücksichtigen sind. Die Reflexion von bereits in der Organisation vorhandenen Anforderungsprofilen hilft, bei der Entwicklung eines Kompetenzprofils die aktuelle Realität der Arbeitswirklichkeit nicht zu vernachlässigen.


Herzlichst

Andreas Gourmelon


Quellen:

Busch, M. & Jacob, L. (2012). Kompetenzmodelle zielgerichtet entwickeln. Wissensmanagement, 4/12, S. 47 – 47.

Eckhardt, H. H. & Schuler, H. (1992). Berufseignungsdiagnostik. In R. S. Jäger und F. Petermann (Hrsg.), Psychologische Diagnostik (S. 533 – 551). Weinheim: Psychologie Verlags Union.

Gourmelon, A. (2009). Anforderungsprofile als Grundlage für die Personalauswahl. In A. Gourmelon, C. Kirbach und S. Etzel (Hrsg.), Personalauswahl im öffentlichen Sektor. Baden-Baden: Nomos.

Gourmelon, A. & Hoffmann, B. (2017). Stellenbesetzungs- und Auswahlverfahren treff- und rechtssicher gestalten - rechtliche, psychologische und ökonomische Aspekte. Heidelberg: Rehm.

Gourmelon, A.; Mroß, M. & Seidel, S. (2018). Management im öffentlichen Sektor. Heidelberg: Rehm.

Höft, S. & Goerke, P. (2014). Traditionelle Arbeits- und Anforderungsanalyse trifft modernen Kompetenzmanagementansatz: Rosenkrieg oder Traumhochzeit?

Kanning, U. P. (2019). Standards der Personaldiagnostik. Göttingen: Hogrefe.

Krumm, S. & Mertin, I. (2013). Kompetenzmodelle. In W. Sarges (Hrsg.), Management-Diagnostik (S. 491 – 498). Göttingen: Hogrefe.

Schuler, H. (2014). Arbeits- und Anforderungsanalyse. In H. Schuler & U. P. Kanning (2014). Lehrbuch der Personalpsychologie (S. 61 – 97). Göttingen: Hogrefe.

Sonntag, K. (2016). Anforderungsanalyse und Kompetenzmodellierung: Tätigkeitsbezogene Merkmale. In K. Sonntag (Hrsg.), Personalentwicklung in Organisationen (S. 295 – 336). Göttingen: Hogrefe.

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