Liebe Leserinnen und Leser,
gemäß den Ergebnissen der Führungsforschung hat ein transformationaler Führungsstil positive Effekte auf die Leistung, Zufriedenheit, Innovationskraft und die Gesundheit der Mitarbeiter‘ sowie auf die Mitarbeiterbindung (Montano, Reeske, Franke & Hüffmeier, 2017). Transformationale Führung setzt auf eine Veränderung der Beschäftigten in Bezug auf deren Sichtweisen, Einstellungen und Werten.
Eine Führungskraft kann diese Veränderung gemäß dem Konzept der transformationalen Führung durch vier Faktoren herbeiführen (Bass, 1985), die sich zu folgenden Aufforderungen an die Führungskraft zusammenfassen lassen:
Sei ein Vorbild in Bezug auf Deine Werte und Überzeugungen und kommuniziere diese
Erläutere Deinen Mitarbeitern‘ Deine Vision in Bezug auf die übertragenen Aufgaben, zeige Deine Begeisterung, leite aus der Vision hohe Ziele für die Beschäftigten ab, sei optimistisch, dass die Vision verwirklicht werden kann
Rege deine Mitarbeiter‘ zum Mitdenken, zur Kreativität an. Lass sie das Bestehende hinterfragen
Achte auf die jeweiligen Stärken der einzelnen Mitarbeiter‘, fördere die Mitarbeiter‘. Drücke Deine Wertschätzung aus
Transaktionale Führung setzt nicht auf eine Veränderung des Mitarbeiters‘, sondern auf eine Optimierung des Austausches von Leistung und Gegenleistung. Hierzu gehört beispielsweise, dass die Führungskraft eindeutige Leistungsziele setzt, deren Erreichen aktiv kontrolliert, Maßnahmen bei Zielabweichungen / Fehlern ergreift und die Zielerreichung mit eindeutig beschriebenen Belohnungen verknüpft. Während davon auszugehen ist, dass die transformationale Führung eine besondere Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter‘ vor allem bei neuartigen Aufgaben hervorruft, wird in der Theorie davon ausgegangen, dass sich der transaktionale Führungsstil besonders bei Routineaufgaben bewährt (Peus, Braun & Frey, 2016, S. 8). Neben diesen beiden Führungsstilen wird in einem neueren Führungsmodell (Full Range of Leadership Model; Bass & Avolio, 1994) noch der Laissez-faire-Stil (quasi das Vermeiden von Führung) und das Management by Exception – also dem Reagieren der Führungskraft‘ bei offensichtlichen Fehlentwicklungen – aufgelistet.
In Führungskräftetrainings oder in Coachings ist es vielfach Thema, das Führungsverhalten der Teilnehmenden zu analysieren und die Wirkungen desselben auf die Mitarbeiter‘ einzuschätzen. Dabei bietet das Instrument „Leadership Style Assessment“ (LSA) hilfreiche Unterstützung. Das LSA ist ein Fragebogenverfahren zur Messung der oben beschriebenen Führungsstile und -verhaltensweisen. In der papiergestützten Version kann das Instrument zu einem Preis von knapp 300 Euro über den Hogrefe-Verlag (Testzentrale) bezogen werden. Mit dem LSA können sich die Führungskräfte selbst einschätzen, es ist aber auch eine Fremdeinschätzung durch deren Mitarbeiter‘ möglich. Zum Ausfüllen des Fragebogens werden etwa zwanzig Minuten, zur Auswertung etwa zehn Minuten benötigt.
Prägendes Merkmal des LSA ist, dass in diesem Fragebogenverfahren acht typische Führungssituationen kurz erläutert werden. In einer Situation geht es z. B. darum, dass ein Mitarbeiter‘ mit einem anderen kulturellen Hintergrund noch nicht in das Arbeitsteam integriert ist. Zudem werden mögliche Verhaltensweisen einer Führungskraft aufgelistet. Die Führungskraft, die den Test ausfüllt, wird gebeten einzuschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass sie die jeweilige Verhaltensweise umsetzt. Bei der Mitarbeiterversion des LSA werden die Mitarbeiter‘ gebeten einzuschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass ihre Führungskraft die jeweiligen Verhaltensweisen zeigt.
Der Clou an den aufgeführten Verhaltensweisen ist, dass sie sich den oben beschriebenen Führungsstilen zuordnen lassen. Bei der Auswertung des Fragebogens wird berechnet, in welchem Ausmaß die Führungskraft in den acht beschriebenen Situationen die einzelnen Führungsstile einsetzt. Dem individuell berechneten Ausmaß der Führungsstile wird ein – aus der Theorie und Forschungsergebnissen abgeleiteter – Idealwert gegenübergestellt. Auf diese Weise wird der Führungskraft‘ rückgemeldet, wo der eigene Führungsstil bedeutsam vom Ideal abweicht. Die Antworten eines Testanden‘ können mit Antworten kleinerer Gruppen von Führungskräften und Mitarbeitern‘ verglichen werden, was aber wohl nur im Ausnahmefall für die Testanden‘ erkenntnisreich sein dürfte.
Die Ergebnisse des LSA – so meine Erfahrung aus Führungscoachings – regen intensive Diskussionen über Führungsstile im beruflichen Alltag der Führungskräfte an. Im vertrauensvollen Gespräch reflektieren die Führungskräfte die Auswirkungen ihres Führungsverhaltens und erkennen an der einen oder anderen Stelle Optimierungsbedarf. Ein Nebeneffekt ist, dass den Führungskräften das etwas abstrakte Konzept von transformationaler und transaktionaler Führung besser verständlich wird. Wer sich über die Gütekriterien und andere Anwendungsbereiche des LSA informieren möchte, verweise ich auf die Rezensionen von Schilling und Lippke (2019) sowie Pundt (2017).
Herzlichst
Ihr Andreas Gourmelon
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