Liebe Leserinnen und Leser,
Valerie Bethke und ich hatten im Jahr 2014 über die von Abiturienten‘ für die Berufswahl benutzten Informationsquellen und die Einschätzung deren Nützlichkeit berichtet. Erstaunlich war damals, dass soziale Medien (wie z. B. Facebook) von den Abiturienten‘ bei der Berufswahl vergleichsweise wenig verwendet und als nur mäßig nützlich bewertet wurden. Meine Empfehlung lautet seitdem, knappe Ressourcen nicht in Facebook & Co., sondern in andere Instrumente des Personalmarketings zu investieren. Seit kurzem gibt es neue empirische Erkenntnisse zur Nutzung und Bewertung von klassischen und digitalen Instrumenten des Personalmarketings, die ich Ihnen nachfolgend kurz vorstelle.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat erhoben, über welche Wege Betriebe versuchen, Kontakt zu möglichen Bewerbern‘ aufzunehmen (Kubis, 2019). An erster Stelle der verwendeten Informationskanäle steht die eigene Website (von über 60 % der Betriebe genutzt), dicht gefolgt von der Ansprache über eigene Mitarbeitende / private Kontakte. Mit etwas Abstand auf den Plätzen drei und vier folgen private Internet-Jobbörsen und die Arbeitsagentur, auf Platz 5 finden sich Zeitungsanzeigen (von rund 35 % der Betriebe verwendet), auf Platz 6 dann soziale Medien (von rund 30 % der Betriebe genutzt).
Spannend sind die Zahlen, wie oft die Verwendung des jeweiligen Informationskanals zu einer Besetzung der Vakanzen geführt hat. Über private Kontakte wurden gemäß IAB 31 %, über die eigene Website und private Internet-Jobbörsen jeweils 15 %, über die Arbeitsagentur 10 % und mit Hilfe von Zeitungsannoncen knapp unter 10 % der Stellen besetzt. Und mit Hilfe der sozialen Medien erfolgten unter 5 % aller Neueinstellungen. Verglichen mit Zeitungsannoncen weisen soziale Medien folglich nur etwa die Hälfte der Wirksamkeit auf.
Meinald T. Thielsch , Dilara Erdal und Viola Merhof vom Institut für Psychologie der Universität Münster haben den Fokus ihrer Studie auf die Bewerber‘ gerichtet. Ziel ihrer Studie war es, mittels „… einer repräsentativen Stichprobe die Nutzung und Bewertung von verschiedenen Recruitingmaßnahmen durch die Bewerber_innen zu untersuchen“ (Thielsch, Erdal & Merhof, 2021, S. 126). Die über eintausend Befragten sind hinsichtlich Alter, Geschlecht und Schulabschluss mit der Arbeitsbevölkerung in Deutschland im Alter von 18 bis 65 vergleichbar. Führungskräfte scheinen in der Stichprobe überrepräsentiert zu sein. Rund 73 % der Befragten geben an, in Vollzeit erwerbstätig zu sein; knapp 45 % hält Ausschau nach neuen beruflichen Möglichkeiten, jede oder jeder Fünfte bewirbt sich aktuell auf eine neue Stelle. Das Internet wird durchschnittlich 3,8 Stunden am Tag verwendet; WhatsApp nutzen 83 %, Facebook knapp 67 % der Befragten.
Tabelle 1 enthält Angaben zur Häufigkeit der Nutzung von Informationskanälen bzw. Personalmarketingmaßnahmen aus Sicht der Befragten. Interessant ist, dass klassische Informationskanäle wie Zeitungsanzeigen, Kontakt zur Agentur für Arbeit deutlich häufiger genutzt werden, als soziale Medien wie Facebook, Twitter, Instagram.
Rangplatz |
Informationskanal / Personalmarketingmaßnahme |
Prozent der Befragten, die diesen Informationskanal genutzt haben |
1 |
Zeitungsanzeigen |
71,4 |
2 |
Kontakt zur Agentur für Arbeit |
56,3 |
3 |
Stellenanzeigen auf Website des Unternehmens |
55,0 |
4 |
Persönliche Kontakte |
54,2 |
5 |
Stellenanzeigen auf Online-Jobportalen |
54,0 |
6 |
Karriere- /Personalmessen |
28,3 |
7 |
Stellenanzeigen auf XING |
22,6 |
8 |
Stellenanzeigen auf Facebook |
17,8 |
9 |
Stellenanzeigen auf LinkedIn |
16,5 |
10 |
Stellenanzeigen auf Twitter |
7,9 |
11 |
Stellenanzeigen auf Instagram |
7,7 |
12 |
Stellenanzeigen auf Youtube |
7,6 |
Tabelle 1: Nutzung von ausgewählten Informationskanälen (Daten aus Thielsch, Erdal & Merhof, 2021, S. 130).
Die Forscher‘ aus Münster haben zudem erhoben, wie die Befragten die einzelnen Informationskanäle / Personalmarketingmaßnahmen bewerten. Auch hier zeigt sich (siehe Tabelle 2), dass klassische Informationsquellen gegenüber sozialen Medien Vorteile aufweisen und im Durchschnitt von den Befragten besser bewertet werden.
Rangplatz |
Informationskanal / Personalmarketingmaßnahme |
Bewertung des Informationskanals (Mittelwert) auf einer Skala von 1 = „spricht mich gar nicht an“ bis 5 „spricht mich sehr an“ |
1 |
Persönliche Kontakte |
4,0 |
2 |
Stellenanzeigen auf Website des Unternehmens |
3,7 |
3 |
Stellenanzeigen Zeitungen |
3,6 |
4 |
Stellenanzeigen auf Online-Jobportalen |
3,5 |
5 |
Karriere- /Personalmessen |
2,9 |
6 |
Kontakt zur Agentur für Arbeit |
2,7 |
7 |
Stellenanzeigen auf XING |
2,7 |
8 |
Stellenanzeigen auf LinkedIn |
2,5 |
9 |
Stellenanzeigen auf Facebook |
2,4 |
10 |
Stellenanzeigen auf Youtube |
2,2 |
11 |
Stellenanzeigen auf Instagram |
2,1 |
12 |
Stellenanzeigen auf Twitter |
2,1 |
Tabelle 2: Bewertung ausgewählter Informationsquellen (Daten aus Thielsch, Erdal & Merhof, 2021, S. 130).
Eine weitere Fragestellung der Studie war, in welcher Form die Befragten eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten möchten. Dazu erhielten die Befragten einen gleichlautenden Einladungstext gezeigt, der in der Optik jedoch jeweils an ein Schreiben, welches per Post versandt wird, an Facebook oder WhatsApp angepasst wurde. Die Befragten gaben wiederum mittels der in Tabelle 2 genannten Skala an, wie sehr sie sich durch die Nachricht angesprochen fühlen und ob sie auf die Einladung antworten würden. Am häufigsten würden die Befragten auf das Post-Schreiben antworten (96,2 %), welches im Schnitt mit 3,9 bewertet wurde. Auf die WhatsApp-Nachricht würden 78,2 % antworten (Bewertung: 3,1), auf die Facebook-Nachricht 69,3 % (Bewertung: 2,8). Übrigens: Alexa-Nachrichten schnitten schlechter als WhatsApp- und Facebook-Nachrichten ab. Das Post-Schreiben wirkte gegenüber den anderen Nachrichten als professioneller, sympathischer, angenehmer, vertrauenswürdiger, aber auch als weniger neuartig.
Der Einsatz von sozialen Medien als Personalmarketinginstrument ist derzeit in vielen Behörden und Verwaltungen beliebt. Angesichts der vorgestellten Ergebnisse sollten sich die Behörden fragen, ob die Nutzen-Kosten-Relation dieses Instruments angemessen ist. Nicht zu vernachlässigen sind die klassischen Instrumente des Personalmarketings. Soziale Medien wie Twitter, TikTok oder Instagram können bei der Anwerbung von Nachwuchskräften eine ergänzende Rolle spielen; bei berufserfahrenen Kräften kann der Einsatz von beruflichen Netzwerken wie XING oder LinkedIn erwogen werden. Youtube ist zur Verbreitung von Werbevideos bedeutsam.
Herzlichst
Ihr Andreas Gourmelon
Quellen:
Bethke, V. & Gourmelon, A. (2014). Was Abiturienten wollen – Interessen, Motive und Entscheidungsprozesse der Berufswahl als Grundlage für ein wirksames Personalmarketing. Der Öffentliche Dienst, 3, 49 - 58.
Kubis, Alexander (2019): IAB-Stellenerhebung 1/2019: Weiterhin hoher Bestand an offenen Stellen, In: IAB-Forum 16. Mai 2019, https://www.iab-forum.de/iab-stellenerhebung-1-2019-weiterhin-hoher-bestand-an-offenen-stellen/, Abrufdatum: 2. November 2021.
Thielsch, M. T., Erdal, D. & Merhof, V. (2021). Recruiting aus Sicht der Bewerber_innen. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 65 (3), 123 – 137.
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