Liebe Leserinnen und Leser,
häufig werde ich von Praktikerinnen und Praktikern gefragt, ob Persönlichkeitstests wirklich ein sinnvolles Instrument in der Personalauswahl seien. Meine Gegenfrage lautet dann, ob es denn in ihrer Verwaltung Beschäftigte gebe, die dauerhaft Schwierigkeiten machten und woran das wohl liege. Nach kurzem Überlegen können die Praktiker aus den Personalverwaltungen und die Linienvorgesetzten stets eine Reihe von Fällen erläutern. Die Ursachen für die Schwierigkeiten sind vielfältig; oftmals werden jedoch die Ursachen in den Eigenheiten, in den „Ecken und Kanten“, im besonderen Erleben und Verhalten der schwierigen Beschäftigten gesehen. Dann frage ich nach, was die besonderen Anfordungen der Stellen seien, die die schwierigen Beschäftigten inne haben. Häufig werden Personenmerkmale wie „Einfühlungsvermögen“, „Networkingkompetenz“, „psychische Robustheit“, „Teamfähigkeit“, „Zuverlässigkeit“, „authentisch sein“, „ausgleichend wirken“ benannt.
Persönlichkeit ist im Job wichtig
Nach diesen beiden Fragen fasse ich zusammen und bemerke, dass es bei vielen Stellen also auf die Persönlichkeit der Stelleninhaber ankomme. Unter Persönlichkeit eines Beschäftigten verstehe ich dabei die übliche und andauernde Art und Weise eines Beschäftigen, wie er die Umwelt wahrnimmt, sie erlebt, auf sie reagiert oder in ihr handelt. Die eignungsdiagnostische Forschung – so führe ich weiter aus – bestätige die Bedeutung von Persönlichkeitsmerkmalen für die berufliche Leistung und Zufriedenheit (Schmidt, Oh & Shaffer, 2016). Insofern ist es sinnvoll, bei der Personalauswahl auf die Persönlichkeit von Bewerbern zu achten.
Persönlichkeit erfassen
Im beruflichen Alltag gibt es die Möglichkeit, die Reaktionen und Handlungen eines Beschäftigten in vielen Situationen zu beobachten und sich mit ihm über Erlebnisse auszutauschen. Mit diesen Informationen kann man die Persönlichkeit eines Beschäftigen gut erkennen. Im Rahmen der Personalauswahl sind die Möglichkeiten jedoch eingeschränkt. Dies resultiert häufig schon daraus, dass es z. B. in Interviews nicht genügend Zeit gibt, die üblichen Verhaltens- und Erlebensweisen der Bewerber zu beobachten, zu erfragen oder zu reflektieren.
Wie funktionieren Persönlichkeitstests?
Persönlichkeitstests sind eine schriftliche und standardisierte Befragung von Bewerbern zu typischen Verhaltens-, Erlebens- und Vorliebensmustern. Alle Bewerber erhalten dieselben Fragen und Antwortmöglichkeiten, die Auswertung erfolgt objektiv nach einem vorgegebenen Schema. Vielfach werden die Antworten mit den Antworten einer Normgruppe verglichen. Befragungen können am PC, online oder per Papierfragebogen erfolgen. Die Anzahl der Fragen variiert von ein bis zwei Dutzend bis zu mehreren Hundert. Die Antworten stellen Selbstbeschreibungen der Bewerber dar, die von Fremdbeschreibungen aus vielfältigsten Gründen abweichen können. Je nach Test werden Informationen zu unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen erhoben. Der Anwender des Tests erhält Angaben zur Ausprägung der gemessenen Persönlichkeitsmerkmale eines Bewerbers. Die Messzuverlässigkeit von Persönlichkeitstests ist für Zwecke der Personalauswahl bei qualitativ hochwertigen Tests befriedigend. Dies bedeutet unter anderem, dass z. B. die Tagesform des Bewerbers unter normalen Bedingungen (diese wären z. B. nicht gegeben, falls der Bewerber während der Testung krank ist) nur eine geringe Rolle spielt. Es gibt Persönlichkeitstests, die speziell für berufliche Fragestellungen konstruiert wurden. Deren Fragen beziehen sich nicht auf sehr persönliche Lebensumstände oder gar die Intimsphäre des Bewerbers.
Die Praktikerinnen und Praktiker bleiben trotz meiner Ausführungen erstmal skeptisch, richtig überzeugend ist für viele Fragesteller erst ein Selbstversuch mit einem Persönlichkeitstest. Die Meisten geben anschließend an, dass das Ergebnis des Tests mit ihrer Eigenwahrnehmung übereinstimme.
Ist Schummeln möglich?
Anschließend kommt dann immer der Einwand, dass die Bewerber in Persönlichkeitstests schummeln können und deshalb das Ergebnis des Tests wertlos sei. In der Tat besteht die Möglichkeit, sich anders darzustellen, als man sich selbst wahrnimmt, sowohl in Persönlichkeitstests aber auch in Interviews. Allerdings – und das weiss man durch umfangreiche Studien (Schuler, Höft & Hell, 2014, S. 193 ff.) – ist die Schummeltendenz jedoch relativ gering und bei vielen Bewerbern geht diese Tendenz in dieselbe Richtung, weshalb die Testergebnisse dennoch für Auswahlentscheidung verwendet werden können. Stellen Sie sich bitte vor, Sie würden die Schüler einer Klasse der Körpergröße nach zu einer Reihe anordnen. Falls alle Schüler nun ein wenig in die gleiche Richtung schummeln – sich z. B. auf die Zehenspitzen stellen – bleibt die Reihenfolge dieselbe. Für die Entscheidung, welche fünf Schüler in die Basketball-Mannschaft aufgenommen werden (falls hierbei nur die Körpergröße ausschlaggebend ist), spielt das Schummeln keine Rolle.
Meine Empfehlung an die Praxis lautet, Persönlichkeitstests im Rahmen der Personalauswahl ergänzend zu verwenden. Die Ergebnisse eines Tests sollten während eines Interviews reflektiert werden. Nur in Ausnahmefällen kann ich mir eine Vorauswahl von Bewerbern ausschließlich auf Grundlage von Persönlichkeitstestergebnissen vorstellen.
Seriosität von Tests
„Aber welchen Test sollen wir verwenden?“ – so lautet meist eine der letzten Fragen der Praktiker. Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. Die Wahl des richtigen Tests hängt ganz wesentlich davon ab, welche Anforderungsmerkmale bei welcher Zielgruppe geprüft werden sollen. Ob ein Test „seriös“ ist, ist nach meiner Ansicht z. B. an folgenden Merkmalen zu erkennen:
Weitere Hinweise zur Beurteilung eines Tests lassen sich der DIN 33430 entnehmen (Deutsches Institut für Normung, 2016).
Herzlichst
Ihr
Andreas Gourmelon
Quellen:
Deutsches Institut für Normung (2016). DIN 33430 – Anforderungen an berufsbezogene Eignungsdiagnostik. Berlin: Beuth.
Schmidt, F. L., Oh, I. & Shaffer, J. A. (2016). The Validity and Utility of Selection Methods in Personnel Psychology: Practical and Theoretical Implications of 100 Years of Research Findings (October 17, 2016). Fox School of Business Research Paper. https://www.testingtalent.net/wp-content/uploads/2017/04/2016-100-Yrs-Working-Paper-on-Selection-Methods-Schmit-Mar-17.pdf (Abruf am 3.10.2018).
Schuler, H., Höft, S. & Hell, B. (2014). Eigenschaftsorientierte Verfahren der Personalauswahl. In H. Schuler & U. P. Kanning (Hrsg.), Lehrbuch der Personalpsychologie (S. 149 – 214). Göttingen: Hogrefe.
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