Wie viel Akzeptanz erfährt „Kollege Roboter“?

22 Bewertungen

Die Analyse von Forschungsergebnissen zeigt: Soziale Roboter werden in der Arbeitswelt akzeptiert und als Chance erkannt – aber nur unter bestimmten Bedingungen.

Liebe Leserinnen und Leser,

angesichts der Altersstrukturen im öffentlichen Dienst wird in den nächsten Jahren noch eine hohe Anzahl von Beschäftigten den wohlverdienten Ruhestand antreten. Somit ist für die nächsten Jahre ein hoher Personalbedarf des öffentlichen Sektors zu erwarten, der allerdings auf einen Arbeitsmarkt trifft, auf dem das Erwerbspersonenpotenzial tendenziell rückläufig ist. Offensichtlich verschärft sich folglich die Personalnot im öffentlichen Sektor.

Soziale Roboter als Chance für Behörden und Verwaltungen

Roboter mit sozial-interaktiven Fähigkeiten können eine Abmilderung der Personalnot bewirken. Der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) und sozialer Roboter ist schon längst nicht mehr reine Fiktion. Roboter haben Einzug in die Arbeitswelt gefunden und werden in der Gesellschaft bedeutsamer. Aus diesen Gründen wird im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojektes „RuhrBots“ der Einsatz sozialer Roboter in den Stadtverwaltungen der Metropole Ruhr erforscht und vorangetrieben. Der Einsatz von sozialen Robotern kann jedoch nur dann erfolgreich vorangetrieben werden, wenn die Roboter bei den Beschäftigten auf Akzeptanz stoßen. Als Projektpartner hat es sich die Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (HSPV NRW) zur Aufgabe gemacht, die Einstellungen, Interessen und Befürchtungen von Beschäftigten in Stadtverwaltungen hinsichtlich des Einsatzes sozialer Roboter zu erheben. Dafür ist in einem ersten Schritt von Esther Herfurth, wissenschaftliche Mitarbeiterin in RuhrBots, eine Übersicht zu den Erkenntnissen aus bestehender Forschungsliteratur erarbeitet worden. Nachfolgend werden einige ausgewählte Ergebnisse der Literaturanalyse dargestellt.

Wie werden Roboter allgemein bewertet?

Laut Umfrageergebnissen des Eurobarometers 2017 sind etwa zwei Drittel der europäischen Bevölkerung allgemein aufgeschlossen und positiv gegenüber KI und Robotern eingestellt (61 %). Auch in anderen Studien können für die Allgemeinheit eher positive, zumindest aber neutrale Einstellungen aufgedeckt werden. Soziale Roboter werden dabei oftmals als „sympathisch“ charakterisiert und gegenüber anderen Technologien, v. a. aufgrund der Möglichkeit zur menschenähnlichen Interaktion und „etwas Neues ausprobieren" zu können, bevorzugt.

Roboter in der Produktion

Für den Bereich der industriellen Produktion wurde festgestellt, dass die persönliche Akzeptanz primär davon beeinflusst wird, ob die eingesetzte Technologie für die eigene Betroffenheit subjektiv als Bedrohung oder Chance wahrgenommen wird, und von den daraus resultierenden Gefühlen abhängt. Befürchtungen beziehen sich vielfach auf den Abbau von Arbeitsplätzen, persönliche Unterforderung, Abhängigkeit von den Systemen und technischem Fachpersonal sowie den Verlust des sozialen Austauschs. Negative Gefühle wie Angst, Unsicherheit, Kontrollverlust, Wertlosigkeit kommen darin zum Ausdruck. Ablehnende Haltungen entstehen oftmals auch durch befürchtete Automatisierungstendenzen und einen damit assoziierten Verlust an Wertschätzung, Selbstbestimmtheit und Kompetenzen. Positiv hervorgehoben werden die Möglichkeiten zu physischer und psychischer Entlastung, erhöhter Effizienz durch geringere Fehlerraten und persönlicher Weiterentwicklungsgelegenheiten. Damit verbundene Gefühle wie Aufregung und Freude erhöhen die Akzeptanz.

Soziale Roboter in der Pflege

International betrachtet gilt Japan als Vorreiter im Bereich Robotik: Während dort soziale Roboter zum Arbeitsalltag in der Pflege gehören, werden die Technologien in Deutschland derzeit vielfach nur zu Erprobungszwecken eingesetzt. Dabei zeigen Studien, dass vom Pflegepersonal die große Chance gesehen wird, durch Roboter Entlastung von repetitiven, administrativen oder körperlich anstrengenden Tätigkeiten zu erfahren. Trotz eines weiten Gefühlsspektrums von Erstaunen, Freude und Begeisterung zeigt sich auch Skepsis, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Roboter für patientennahe Tätigkeiten eingesetzt werden. Neben dem Ersatz menschlicher Arbeit und einem Verlust des für Pflegeberufe typischen Charakters, werden Einschränkungen des Datenschutzes bzw. der Privatsphäre und die Abwertung des Menschen auf die reine Rolle eines „Lückenfüllers“ befürchtet.

Soziale Roboter in Bibliotheken und der Bildung

Von Beschäftigten in Bibliotheken werden ergänzend technische Probleme (z.B. unzureichendes WLAN) beim Einsatz von Robotern vermutet. Fehlende zeitliche Ressourcen für eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den Roboterfunktionen sowie der Mangel an qualifiziertem IT-Personal werden ebenfalls als Hürden beschrieben. Demgegenüber erscheint für Bibliotheken der Einsatz sozialer Roboter als prestigeträchtig und als Möglichkeit, sich in Zeiten von Netflix und Co. als modern zu charakterisieren. Auch in der Bildung werden große Hoffnungen darin gesetzt, dass durch die Roboter personalisierte Lehre und ein verbesserter Zugang z. B. zu Schülern´ mit besonderen Bedürfnissen oder eine bessere Integration von Flüchtlingskindern ermöglicht werden. Vielfach bezweifelt werden allerdings die sozialen Fähigkeiten des Roboters im Hinblick auf Einfühlungsvermögen und Empathie – Merkmale, die im zwischenmenschlichen Umgang notwendig ist.

Fazit: Humans first, robots only for assistance!

Die Roboter kommen. Nicht wie in Science-Fiction-Filmen dargestellt als im Auftrag tötende Terminatoren oder hinterlistige, den Menschen äußerlich gleichenden Androiden. Sondern als Kollegen, um deren erfolgreichen Einsatz wir uns vermehrt Gedanken machen sollten. Und die Auswertung der Forschungsliteratur zeigt: Beschäftigte sind nicht nur skeptisch eingestellt – im Gegenteil zeigen sie vielfach eher positive Einstellungen zu den neuen „Kollegen“. Unsicherheiten und Sorgen können oftmals in Akzeptanz gewandelt werden, wenn die technischen Möglichkeiten erfahren und der Umgang erprobt wurden. Dazu gehört auch, dass die Grenzen der Technologien erkannt werden. Roboter als Entlastung von monotonen, anstrengenden und unbeliebten Aufgaben – ja. Roboter als Ersatz für zwischenmenschliches Miteinander oder gar als Jobkiller – auf keinen Fall! Unter diesen Gesichtspunkten sollte die Maxime beim Einsatz sozialer Roboter lauten: Humans first, robots only for assistance!

 

Herzlichst

Esther Herfurth und Andreas Gourmelon


Quellen

Weitere Informationen zum Projekt „RuhrBots“ unter: https://ruhrbots.de/

Demografieportal (2023a). Altersstruktur im öffentlichen Dienst. Bund-Länder Demografie Portal. https://www.demografie-portal.de/DE/Fakten/oeffentlicher-dienst-altersstruktur.html?nn=677132 (letzter Zugriff: 22.03.2023).

Demografieportal (2023b). Regionale Geburtenentwicklung. Bund-Länder Demografie Portal. https://www.demografie-portal.de/DE/Fakten/geburtenentwicklung-regional.html;jsessionid=B31EA7E9D90AEF3255009319C109FE1E.intranet662 (letzter Zugriff: 22.03.20).

European Union (2017, März). Special Eurobarometer 460. Report. Attitudes towards the impact of digitisation and automation on daily life. European Union. https://europa.eu/eurobarometer/surveys/detail/2160 (letzter Zugriff: 23.03.2023)

Imbach, A. (2022). Können Sie sich einen Roboter als Vorgesetzten vorstellen? Akzeptanz von sozialen Robotern in der Zusammenarbeit. Lehrbuchverlag.

Meissner, A. & Trübswetter, A. (2018). Mensch-Roboter-Kollaboration in der Produktion: Kritische

Würdigung etablierter Technikakzeptanzmodelle und neue Erkenntnisse in der Akzeptanzforschung. In R. Weidner & A. Karafillidis (Hrsg.), Dritter Transdisziplinäre Konferenz. Technische Unterstützungssysteme, die die Menschen wirklich wollen (S. 223-234). Hamburg: Helmut-Schmidt-Universität.

Merda, M., Schmidt, K., Kähler, B. (2017). Pflege 4.0 – Einsatz moderner Technologien aus der Sicht professionell Pflegender. Hamburg: Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW).

Naneva, S., Sarda Gou, M., Webb, T. L. & Prescott, T. J. (2020). A Systematic Review of Attitudes,

Anxiety, Acceptance, and Trust Towards Social Robots. International Journal of Social Robotics, 12, 1179–1201. https://doi.org/10.1007/s12369-020-00659-4.

Pfaff, M., Busam, B. & Sonntag, K. (2021). Auswirkungen des digitalen und demographischen Wandels

auf den Öffentlichen Dienst. Aktuelle Herausforderungen des Personal- und Gesundheitsmanagements. Ein Literaturreview. In Arbeitsforschung und Organisationsgestaltung der Universität Heidelberg (Hrsg.), https://gesundearbeit-mega.de/sites/gesundearbeit-mega.de/files/common/literaturreview_digitalisierung_oed.pdf (letzter Zugriff: 28.03.2023).

Schmiederer, S. (2021). Der Einsatz humanoider Roboter in Bibliotheken. Eine Bestandsaufnahme.

Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. DOI: 10.18452/22369.

Schubert, M., Zigan, N., Kramer, I., Tanner, A., Flückiger, S., Reimer, R., Rüegg, M., Urech, A., Kochs, K.,

Schulze, H. & Künzi, C. (2021). Soziale Roboter – Sicht Fachpersonen und Nutzende. In H. Schulze, O. Bendel, M. Schubert, M. Binswanger, M. Simmler, R. Reimer, A. Tanner, A. Urech, J. Kreis, N. Zigan, I. Kramer, S. Flückiger, M. Rüegg, C. Künzi, K. Kochs & O. Zingg (Hrsg.). Soziale Roboter, Empathie und Emotionen Eine Untersuchung aus interdisziplinärer Perspektive (S. 46-74). TA-SWISS: Bern.

Venkatesh, V., Morris, M. G, Davis, G. B. & Davis, F. D. (2003). User Acceptance of Information Technology: Toward a Unified View. MIS Quarterly, 27(3), S.425-478. DOI:10.2307/30036540.

Weitere Artikel zu folgenden Schlagworten:
Mein Kommentar
Sie sind nicht eingeloggt
Bitte benachrichtigen Sie mich bei neuen Kommentaren.
Ihr Kommentar erscheint unter Verwendung Ihres Namens. Weitere Einzelheiten zur Speicherung und Nutzung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
0 Kommentare zu diesem Beitrag

Wählen Sie unter 14 kostenlosen Newslettern!

Mit den rehm Newslettern zu vielen Fachbereichen sind Sie immer auf dem Laufenden.

Login
 
Wie können wir Ihnen weiterhelfen?
Kostenlose Hotline: 0800-2183-333
Kontaktformular

Gerne können Sie auch unser Kontaktformular benutzen und wir melden uns bei Ihnen.

Kontaktformular
Beste Antworten. Mit den kostenlosen rehm Newslettern.
Jetzt aus zahlreichen Themen wählen und gratis abonnieren  

Kundenservice

  • Montag bis Donnerstag 8:00-16:00 Uhr
  • Freitag 8:00-14:00 Uhr
  • Sie können uns auch über unser Kontaktformular Ihre Fragen und Anregungen mitteilen.

Verlag und Marken

Unsere Themen und Produkte

 

Service

Rechtliches

Partner der



Zahlungsarten 

Rechnung Bankeinzug   MastercardVisa

PayPal Giropay Sofortüberweisung