Lebensmittelrechtliche Veröffentlichungen von Verstößen unter Benennung der Unternehmen

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Das OVG Lüneburg hat mit Beschluss vom 24.03.2023 -14 ME 16/23- zu den lebensmittelrechtlichen Veröffentlichungen von Verstößen unter Benennung der Unternehmen entschieden. 

Der amtliche Leitsatz lautet wie folgt:
„Eine Veröffentlichung auf der Grundlage des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB ist unverhältnismäßig, wenn sie zur Erreichung der dieser Regelung zugrundeliegenden gesetzlichen Zwecke allenfalls (noch) so wenig geeignet ist, dass das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung hinter dem Interesse des jeweiligen Antragstellers an deren Unterbleiben zurücktritt.“

Danach wird die Geeignetheit zur Erreichung von Normschutzzielen nicht grundsätzlich abgesprochen und die Veröffentlichung jedoch im Zuge der Rechtsgüterabwägung und Verhältnismäßigkeit negiert. Dazu ist noch Folgendes bemerkenswert:

Dem Fall liegt eine geltend gemachte Höchstgehaltüberschreitung gemäß § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB bei einem Lebensmittel mit MHD 21.01.2023 zu Grunde. Das OVG lässt die Entscheidung bereits offen, ob der Tatbestand eines Verdachts einer Höchstmengenüberschreitung ausreichend erwiesen ist. Ebenso wird ausdrücklich offengelassen, ob die Veröffentlichung noch im Rahmen von „unverzüglich“ im Sinne vorstehender Norm ist. Im Zuge einer Gesamtschau wäre die Veröffentlichung nach Einschätzung des OVG jedenfalls unverhältnismäßig, weil sie zur Erreichung der Normschutzgüter von § 40 Abs. 1a LFGB allenfalls (noch) so wenig geeignet ist, dass das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung hinter den Unternehmensinteressen einzuordnen ist. Neben dem primären Normschutzgut einer Information der Verbraucher zur Steuerung des Kaufverhaltens erwähnt das OVG bei der Rechtsgüterabwägung auch den erzieherischen Effekt der Regelung. Diesbezüglich ist anerkannt, dass die Norm keinen unmittelbaren Gefahrenabwehrcharakter hat, weil zum Zeitpunkt der Veröffentlichung die Beanstandungen schon behoben sein können und sodann auch ein entsprechender Hinweis erforderlich ist zur Aufrechterhaltung der Aktualität und Rechtmäßigkeit der Information. Jedoch hat insbesondere der VGH Mannheim den Begriff eines gleichwohl generell-präventiven Zwecks geprägt, wonach die Unternehmen durch die abschreckende Wirkung der Norm zu einem ordnungsgemäßen Verhalten angehalten werden und eben gerade dies eine Veröffentlichung bereits behobener Verstöße rechtfertigen kann. Dies bezeichnet das OVG vorliegend offenbar als erzieherischen Zweck. Unter Berücksichtigung dieser Normschutzgüter und der Verhältnismäßigkeit verneint das OVG im Ergebnis die Veröffentlichung und macht somit eine Grenze hinsichtlich der Transparenz deutlich. Dies ist bemerkenswert, weil der Ablauf des MHD noch relativ jung ist und weil solche Fälle sozusagen an der Kante von Transparenz- und Datenschutzinteressen in den letzten Jahren häufig pro Transparenz entschieden worden waren. Somit bleibt spannend, ob sich ein Trend zur angemessenen Beschränkung der Transparenz abzeichnet oder ob die Entscheidung möglicherweise rückblickend als Einzelfallentscheidung einzuordnen sein wird.

Der Verfasser ist der grundsätzlichen Auffassung, dass die Auslegung der Transparenznormen in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von amtlichen Kontrollberichten auf Internetplattformen im Zuge von im VIG nicht geregelten Massenverfahren zu weitreichend ist und dass der Vollzug des § 40 Abs. 1a LFGB regelmäßig mit einer angemessenen Aufwand-/Nutzen-Relation einhergeht. Zum Spannungsfeld von Transparenz vs. Datenschutz mit Historie vgl. Praxishandbuch Behebung und Verfolgung von Lebensmittelverstößen, Ludwig/Wieser, 7. Auflage 2022, Kapitel 16.

Stephan Ludwig, Veterinäramt Göppingen

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