Was sind Prozesshygienekriterien?
Die VO (EG) 2073/2005 unterscheidet grundsätzlich zwischen Lebensmittelsicherheitskriterien und Prozesshygienekriterien. Der grundlegende Unterschied besteht in den Maßnahmen, die bei Überschreitung der festgelegten Grenzwerte durch den Lebensmittelunternehmer zu ergreifen sind. So bedeutet die Überschreitung eines Lebensmittelsicherheitskriteriums stets, dass das Erzeugnis in der vorliegenden Form nicht verkehrsfähig ist und durch den Lebensmittelunternehmer vom Markt genommen werden muss. Falls das Erzeugnis den Endverbraucher bereits erreicht hat, ist sogar ein Rückruf notwendig. Zu den Lebensmittelsicherheitskriterien zählen Keime, Toxine und Metaboliten, die ausnahmslos als pathogen einzustufen sind.
Die Überschreitung eines Prozesshygienekriteriums dagegen bedeutet nicht zwangsläufig eine Einschränkung der Verkehrsfähigkeit des Erzeugnisses. Zwar ist der Lebensmittelunternehmer im Rahmen seiner Verantwortung grundsätzlich verpflichtet, die Ergebnisse im Hinblick auf die beabsichtigte Verwendung des Lebensmittels zu bewerten und ggf. entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, eine regelmäßige Forderung von Verkehrsbeschränkungen gibt es seitens der EU-Gesetzgebung jedoch nicht. Wie der Name „Prozesshygienekriterium“ bereits zum Ausdruck bringt, dienen diese Untersuchungen primär der Bewertung der Prozesshygiene, entsprechend sind Maßnahmen zur Verbesserung der Produktionshygiene zu ergreifen, insbesondere Verbesserungen in der Schlachthygiene und eine Überprüfung der „Prozesskontrolle“, gemeint ist hier wohl eher die Prozesssteuerung.
Pathogene als Prozesshygienekriterium?
Bisher waren Schlachtkörper von Rindern, Schafen, Ziegen, Pferden und Schweinen auf die aerobe mesophile Gesamtkeimzahl und Enterobacteriaceae sowie Salmonella spp. zu untersuchen, Schlachtkörper von Geflügel lediglich auf Salmonella spp.. Zur Prüfung der reinen Schlachthygiene sind aus fachlicher Sicht die GKZ und Enterobacteriaceae grundsätzlich besser geeignet, da sie einerseits so häufig vorkommen, andererseits so leicht nachzuweisen sind, dass ein sauberer Schlachtkörper als Beweis für eine gute Schlachthygiene gelten kann. Demgegenüber können negative Ergebnisse für Samonellen und Campylobacter auch bei mangelhafter Schlachthygiene erreicht werden, wenn die angelieferten Tiere frei von den entsprechenden Mikroorganismen waren.
Die Untersuchung von Schlachtkörpern auf Salmonellen und Campylobacter dient daher auch weniger der Kontrolle/Steuerung des Schlachtprozesses als einem Monitoring der Verbreitung dieser Zoonoseerreger und dem Ziel, die Verschleppung entlang der Lebensmittelkette nach Möglichkeit zu unterbinden.
Zoonosebekämpfung in der Lebensmittelkette
Die EFSA hat sich in mehreren Studien intensiv mit Campylobacter und Campylobacteriose befasst. Die Campylobacteriose ist mit jährlich über 230.000 gemeldeten Fällen die häufigste lebensmittelbedingte Erkrankung, noch vor der Salmonellose. Aus Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes war daher dringender Handlungsbedarf geboten. Da ca. 20-30% der Campylobacteriosefälle auf die Handhabung/Verzehr von Masthähnchenfleisch zurückzuführen sind und etwa 50-80% der Fälle auf den Geflügelbestand insgesamt, war die Einführung von Maßnahmen im Geflügelsektor naheliegend. EFSA hat einerseits ein Prozesshygienekriterium für Masthähnchenfleisch empfohlen, andererseits Kontrollmaßnahmen auf Ebene der landwirtschaftlichen Erzeugung. Beide Vorschläge wurden mit Änderung der VO (EG) 2073/2005 vom August 2017 umgesetzt, da bei unbefriedigenden Ergebnissen im Hinblick auf Campylobacter in Masthähnchenfleisch neben den Maßnahmen zur Verbesserung der Prozesskontrolle explizit auch eine Überprüfung der Herkunft der Tiere und die Maßnahmen im Bereich der Biosicherheit im Herkunftsbetrieb gefordert sind. Diese Anforderung entspricht den bisher bereits beim Nachweis von Salmonella spp. bei Schwein und Geflügel notwendigen Maßnahmen. Um das mittel- bis langfrisitge Ziel der EU, eine Reduktion des Eintrags von Salmonellen und Campylobacter in die Lebensmittelkette, zu erreichen, sollte sowohl von Seiten des Lebensmittelunternehmers als auch von Seiten der Überwachung besonderes Augenmerk auf die Biosicherheitsmaßnahmen im Herkunftsbetrieb gelegt werden.
Probenumfang
Der Probenumfang für das neue Prozesshyienekriterium entspricht dem Umfang für die Untersuchung auf Salmonella spp., so dass keine zusätzlichen Probenahmen auf die Lebensmittelunternehmer zukommen, allerdings ist die Menge an Probenmaterial zu erhöhen, um dem Labor die Untersuchung auf beide Parameter aus einer Probe zu ermöglichen. Analog zum Vorgehen der EU hat die AFFL in ihrer Sitzung vom November 2017 für selbstschlachtende Geflügelhaltungsbetriebe die Anwendung der Inhalte des Abschlussberichts der Projektgruppe zur
Umsetzung des Salmonellenkriteriums der VO (EG) Nr. 2073/2005 beschlossen. Daraus ergeben sich folgende Probenahmen:
Selbstschlachtender Geflügelhalter
≤ 500 Masthähnchen oder Mastputen: keine Probenahme notwendig
> 500 Masthähnchen oder Mastputen, unter 10.000 Stück pro Jahr:
Überdurchschnittliches Risiko wird begründet u. a. durch Haltung von Wassergeflügel, Nachweis von Salmonella (auch im Rahmen anderer Untersuchungen), fehlende Eigenkontrollen im Tierbestand;
Zugelassene Geflügelschlachtbetriebe
Je to Produktionsvolumen Geflügelfleisch/Woche: 1 Probenahme/Jahr
> 5 to Geflügelfleisch/Woche: keine Ausnahme möglich
Stichprobenumfang (abweichend von VO (EG) 2073/2005) für kleine Schlachtbetriebe:
Für die Untersuchung auf Salmonella und Campylobacter (nur bei Masthähnchen) im selben Labor:
Von 5 Schlachtkörpern je eine Probe mit mindestens 26g
Für die Untersuchung auf Salmonella und Campylobacter in zwei verschiedenen Laboren:
Von 5 Schlachtkörpern je zwei Proben (25g für Salmonella, 10g für Campylobacter)
Wichtig:
Bei Nachweis von Salmonella spp. ist eine Typisierung notwendig (Lebensmittelsicherheitskriterium).
Untersuchungen auf S. typhimurium/enteritidis sind bei frischem Geflügelfleisch auch notwendig für Zuchthühner, Legehennen und Zuchttruthühnern (Lebensmittelsicherheitskriterium).
Dr. Anja Laudien, Regierung von Oberbayern
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