Risiko- und Krisenmanagement

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Im Newsletter II/2023 wurde bereits auf die hohe Bedeutung von Risikobewertungen und die zugehörige Abgrenzung von sicheren gegenüber unsicheren Lebensmitteln eingegangen. Dieses Spannungsfeld tangiert sowohl Unternehmen, Behörden als auch Verbraucher. Davon hängt ab, ob schließlich ein tolerables Lebensalltagsrisiko im Verantwortungsbereich der Verbraucher vorliegt oder andererseits ein Verkaufsstopp, eine Rücknahme von den gewerbsmäßigen Kunden und ein für die Unternehmen wirtschaftlich besonders empfindlicher öffentlicher Rückruf erforderlich sind.

Dieses Risiko- und Krisenmanagement ist besonders anspruchsvoll, wenn wissenschaftlich noch nicht vollständig aufgeklärte Sachverhalte vorliegen. Neben dem im Unionsprimärrecht nach Art. 168 AEUV verankerten hohen Gesundheitsschutzniveau ist dann insbesondere noch das sogenannten Vorsorgeprinzip nach Art. 7 Lebensmittelbasisverordnung (EG) Nr. 178/2002 (BasisV) maßgeblich. Danach können bei (hoch-)wahrscheinlich intolerablen Risiken bereits präventive Verbraucherschutzmaßnahmen ergriffen werden. Im Falle von behördlichen Anordnungen und entsprechenden Rechtseingriffen gegenüber Unternehmen geht dann die Pflicht mit einher, dass die Überwachungsbehörden die Ursachen und Maßnahmen besonders regelmäßig auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen bzw. eine notwendige Aufhebung zu prüfen haben.

Vorstehende Systematik wird insbesondere auch anhand der jüngsten oberverwaltungsgerichtlichen Beschlüsse zu Lebensmitteln mit einer unvertretbaren Kontamination durch Ethylenoxid deutlich, vgl. z.B. Beschluss OVG Hamburg 08.06.2022 -3 Bs 263/21-, Beschluss OVG Schleswig-Holstein vom 16.06.2022 -3MB 8/22- und Beschluss VGH München vom 24.04.2022 -20CS 22.530. Diese Beschlüsse in einstweiligen Rechtsschutzverfahren und Möstl in LMuR 2022, 513, haben zudem noch nachvollziehbar die Frage aufgeworfen, ob das Vorsorgeprinzip nach Art. 7 BasisV bei wissenschaftlich noch nicht vollständigen Erkenntnissen möglicherweise als alleinige Ermächtigungsgrundlage für behördliche Maßnahmen heranzuziehen ist. Dafür sind nach Einschätzung des Verfassers jedoch keine relevanten Gründe ersichtlich. Zum einen existieren keine Verfahrensregelungen für die Anwendung des Vorsorgeprinzips als isolierte Ermächtigung. Folglich würden entsprechende Fragen aufgeworfen. Zum anderen passt das Vorsorgeprinzip in die bestehende lebensmittelrechtliche Systematik, indem dies bei der entsprechenden Beweiswürdigung und Risikobewertung berücksichtigt wird. Demnach ist nach Einschätzung des Verfassers von einer Anwendung des Vorsorgeprinzips im Rahmen der Beweiswürdigung zu den Sicherheitsbewertungen z.B. nach Art. 14 BasisV und in Verbindung mit der Ermächtigung nach Art. 138 EU-KontrollV 2017 auszugehen. Danach bietet das bereits vorliegende Rechtsgefüge ausreichend Raum für die Anwendung des Vorsorgeprinzips und entsprechende Verbraucherschutzmaßnahmen.

Die entsprechend hohe Bedeutung von Risiko- und Krisenmanagement wird auch im Praxishandbuch Behebung und Verfolgung von Lebensmittelverstößen, Ludwig/Wieser, 7. Auflage 2022, Kapitel 1.4, beschrieben.

Stephan Ludwig, Veterinäramt Göppingen

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