Verstöße bzgl. der Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln können zu behördlichen Abgabeuntersagungen ermächtigen

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Dem Beschluss des OVG Bautzen liegt eine Anfechtung von behördlichen Anordnungen durch ein Lebensmittelunternehmen zu Grunde. Das in Sachsen ansässige Lebensmittelunternehmen war aktenkundig u.a. durch den Import von Pilzen aus der Tschechischen  Republik aufgefallen. Die Erzeugnisse waren als unsicher wegen Pflanzenschutzmittelrückständen und Verunreinigungen sowie in einem weiteren Verfahren bzgl. Salmonellen bewertet worden. Darüber hinaus waren jeweils Mängel bzgl. der Rückverfolgbarkeit der Erzeugnisse gegeben. In Zusammenhang mit weiteren Erkenntnissen über die Einfuhr von Mu-Err Pilzen waren bei einer Kontrolle eines Lagers verschiedene Erzeugnisse ergänzend auffällig wegen teils seit Langem abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdaten sowie ebenso Mängeln bzgl. der Rückverfolgbarkeit. Zweifel am ordnungsgemäßen Verhalten des Unternehmens ergaben sich ferner durch umgekennzeichnete Lebensmittel bzw. überklebte Etiketten. Die Pilze wurden als unsicher eingestuft wegen einer erneut nicht möglichen Rückverfolgbarkeit infolge unzureichender Dokumentationen bzw. eines mangelhaften unternehmerischen Systems.

Danach hat die Überwachungsbehörde vor Ort vorab mündlich eine Sicherstellung angeordnet sowie hierfür mündlich die sofortige Vollziehung verfügt und Vollstreckungshandlungen vorgenommen. Danach erfolgte ein schriftliche Verfügung mit der Anordnung einer Untersagung des Inverkehrbringens unsicherer Erzeugnisse (1), sowie den Maßgaben Wareneingangs- und Warenausgangsbelege vorzulegen (2), eine Einsicht in das Rückverfolgbarkeitssystems (3), einer unverzügliche Prüfung der Warenbestände mit überzogenem Mindesthaltbarkeitsdatum und der Vorlage der Ergebnisse (4) sowie die unverzügliche Übermittlung von Informationen zur Rückverfolgbarkeit (5). Zudem wurde die sofortige Vollziehung der Nr. 1 bis 5 angeordnet (6).

Das Verwaltungsgericht Leipzig hat in erster Instanz dem Antrag des Unternehmens auf einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der vor Ort mündlich angeordneten Sicherstellung mit einer bloß mündlich verfügten sofortigen Vollziehung stattgegeben. Dies ist nachvollziehbar, nachdem offenbar Vollstreckungshandlungen vor Ort bereits vorgenommen worden waren und dagegen Vollstreckungsvoraussetzungen in Form der Schriftformerfordernis für die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 3 VwGO nicht gegeben war und offenbar auch die dort genannten Notfalltatbestände nicht formal geltend gemacht wurden. Ferner war der einstweilige Rechtsschutz bzgl. oben genannter Anordnung Nr. 4. erfolgreich.

Gegen den Beschluss des VG Leipzig hat das Unternehmen Beschwerde beim OVG Bautzen eingelegt. Das OVG Bautzen hat die Beschwerde mit o.g. Beschluss zurückgewiesen. Dabei ist Folgendes besonders interessant:

Mit einer kurzen Bemerkung hat das OVG nachvollziehbar auf den Vorrang des Unionsrechts und des entsprechenden Art. 138 Verordnung (EU) 2017/625 (EU-KontrollV 2017) über amtliche Kontrollen als Ermächtigung für die behördliche Anordnung verwiesen, wonach der von der Überwachungsbehörde ergänzend angeführte § 39 LFGB entsprechend gegenstandslos ist.

Des Weiteren hat das OVG die behördliche Beurteilung der Pilze als gesundheitsschädlich nach Art. 14 Abs. 2 a) Lebensmittelbasisverordnung (EG) 178/2002 (BasisV) anhand bloßer abstrakter Erwägungen ohne konkrete Bezugnahme auf das Lebensmittel schlüssig bemängelt unter Verweis auf Rathke, in: Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Stand: 186. EL. März 2023, Art. 14 VO (EG) 178/2002 Rn. 39 m. w. N. Dies wurde vom Gericht von Amts wegen bemängelt und sei im Beschwerdeverfahren mangels Rüge durch die Antragstellerin unbeachtlich. Zu Gunsten der Behörde führt das OVG dabei ergänzend an, dass auch die ersichtlichen Verstöße gegen die Rückverfolgbarkeit nach Art. 18 BasisV (bereits) entsprechende Maßnahmen nach Art. 138 Verordnung (EU) 2017/625 begründen könnten.

Vorwürfe gegen die Behörde wegen eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz durch unterlassene Ausermittlung des Warenbestandes im Lager hat das OVG nachvollziehbar für unbeachtlich gesehen, da das Unternehmen durch die Vernachlässigung seiner Sorgfaltspflichten bzgl. Rückverfolgbarkeit für diese Problematik ursächlich ist.

Demnach stuft das OVG die behördlichen Grundverwaltungsakte im Zuge der üblichen Abwägungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren als voraussichtlich rechtmäßig und das öffentliche Interesse auch im Übrigen überwiegend ein, wonach die Beschwerde zurückgewiesen wird.

Für die behördliche Überwachungspraxis bleibt festzuhalten, dass Maßnahmen des beispielhaften Katalogs in Art. 138 Abs. 2 EU-KontrollV 2017 auf der Grundlage von Verstößen gegen die Rückverfolgbarkeit angeordnet werden können. Ferner kann eine Gesundheitsschädlichkeit nach Art. 14 Abs. 2 a) BasisV nicht ohne Produktbezug anhand bloß abstrakter Erwägungen hergeleitet werden. Jedoch ist hierzu anzumerken: Ergänzend kann eine Unsicherheit nach Art. 14 Abs. 2 b) BasisV geprüft werden, da hierbei abstraktere Begründungen möglich sein können gemäß auch der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Unterstellung einer Kontamination bei angemessen hohen Risiken, vgl. Sosnitza/Meisterernst LebensmittelR/Ludwig EG-Lebensmittel-Basisverordnung Art. 50 Rn. 15-22 und 81-87 m.w.Nw. Darauf wird auch im Praxishandbuch Behebung und Verfolgung von Lebensmittelverstößen, Kapitel I S. 6 ff., eingegangen.


Veterinäramt Göppingen, Stephan Ludwig

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