BayVGH zu Informationsansprüchen des Personalrats bei Versetzungen

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Newsletter Januar/Februar:
Seit einiger Zeit gibt es verstärkt Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, die sich mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beschäftigen. Im Newsletter Februar/März 2019 wurde ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. September 2018 zu Presseanfragen erläutert. Nunmehr ist ein Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichtshofes (BayVGH) vom 21. Mai 2019 (17 P 18.2581) zum Personalvertretungsrecht zu nennen. Den Beschluss im Wortlaut finden Sie hier.


Der maßgebliche Sachverhalt


Antragsteller im Verfahren war ein Bezirkspersonalrat. Diesem werden die vorzunehmenden Versetzungen von Arbeitnehmern zwischen verschiedenen Dienststellen gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Art. 80 Abs. 2 BayPVG zur Mitbestimmung vorgelegt. Falls mehrere einschlägige Versetzungswünsche (etwa um an eine wohnortnähere gelegene Behörde versetzt zu werden) vorliegen, benennt die Dienststelle gegenüber dem Bezirkspersonalrat bislang nur den jeweils von der Dienststelle ausgewählten Bewerber namentlich, während sie auf Mitbewerber nur anonymisiert verweist.

Der Bezirkspersonalrat wollte aber personenbezogene Informationen über die Mitbewerber erhalten, da nur dann erkennbar sei, ob eine Nichtzustimmung im Sinne des Art. 75 Abs. 2 BayPVG angezeigt sei. Die personenbezogenen Daten, die unmittelbar oder zumindest mittelbar aus Sicht des Personalrats preisgegeben werden sollten, sind insbesondere: die Namen der unterlegenen Versetzungsbewerber einschließlich der Beschäftigungsbehörde. Damit können verbunden sein Angaben des Wohnorts und seiner Entfernung zum bisherigen bzw. zukünftigen Dienstort oder auch das Alters der Versetzungsbewerber. Umfasst sein können auch Angaben zu Erkrankungen oder Behinderungen – und außerdem auch den Rechtskreis dritter Personen, beispielsweise die Namen von Kindern, Ehegatten oder Verwandten, deren Alter, Erkrankungen, Behinderungen oder etwaige Pflegebedürftigkeiten (vgl. Rn. 14).

Die Dienststelle war demgegenüber der Auffassung, dass es an der Erforderlichkeit der Informationsweitergabe fehle. Bei Versetzungswünschen mehrerer Beschäftigter an dieselbe Behörde seien allein die „sozialen Gründe“ zu würdigen – es finde keine Bestenauslese statt, so dass die Personalvertretung auch über die fachlichen und persönlichen Verhältnisse der nicht für die Versetzung ausgewählten Beschäftigten nicht unterrichtet werden müsse. Das „Ranking“ der Versetzungsbewerber richte sich nach dem Gewicht ihrer sozialen Belange. Eine Namensnennung sei dabei nicht erforderlich und im Hinblick auf die informationelle Selbstbestimmung auch rechtlich unzulässig.


Die Entscheidung des BayVGH

Die Beschwerde des Bezirkspersonalrats hatte keinen Erfolg. Der BayVGH bestätigte das Ergebnis der ersten Instanz (VG München, Beschl. vom 6. 11. 2018 – M 20 P 17.1878).


1. Kein Anspruch aus Art. 69 Abs. 2 Satz 3 BayPVG

Art. 69 Abs. 2 Satz 3 BayPVG scheide schon vom Wortlaut aus, weil der Gesetzgeber die Versetzung nicht in die Vorschrift aufgenommen hat, und zwar bewusst, wie der BayVGH eingehend begründet.

Die Vorschrift lautet:

3Bei einer Einstellung, Beförderung und Übertragung der Dienstaufgaben eines anderen Amtes mit höherem Endgrundgehalt oder höherer Amtszulage für eine Dauer von mehr als sechs Monaten kann der Personalrat auch die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderliche Vorlage von Bewerbungsunterlagen verlangen.


2. Kein Anspruch aus Art. 69 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayPVG

Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus Art. 69 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayPVG. Die Vorschrift lautet:

1Der Personalrat ist zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. 2Ihm sind die hierfür erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.


Zwar habe der Personalrat die Aufgabe, bei Versetzungen zu prüfen, ob Verstöße im Sinne von Art. 75 Abs. 2 BayPVG vorliegen. In Betracht kämen etwa Verstöße gegen versetzungsbezogene Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, gerichtliche Entscheidungen oder Richtlinien (Art. 75 Abs. 2 Nr. 1 BayPVG), die Frage einer begründeten Besorgnis ungerechtfertigter Benachteiligungen (Art. 75 Abs. 2 Nr. 2 BayPVG) sowie die Frage der Besorgnis einer etwaigen Störung des Friedens in der Dienststelle durch einen Beschäftigten (Art. 75 Abs. 2 Nr. 3 BayPVG). Die Erfüllung dieser Aufgabe werde durchaus (etwas) besser gelingen können, wenn der Personalrat personenbezogenen Daten erhält.

Die Verbesserung der Aufgabenerledigung des Personalrats sei aber nur die eine Seite der Abwägung. Nicht alles, was die Aufgaben verbessert, sei schon deshalb erforderlich. Denn entscheidend sei für die Frage, was erforderlich ist, auch die Betrachtung der Folgen einer Übermittlung von personenbezogenen Daten. Es sei insbesondere zu fragen, wie groß der Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung wäre, wenn personenbezogene Daten im gewünschten Umfang offengelegt würden.

Der BayVGH kam mit ausführlicher Begründung zu dem Ergebnis, dass die Beeinträchtigung des Grundrechts überwiege und damit die Erforderlichkeit zu verneinen sei.

„Eine pauschale namentliche Datenübermittlung ist nicht erforderlich i.S.v. Art. 69 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayPVG, weil sie im Vergleich zu einer anonymisierten nicht wesentlich besser geeignet ist, um Art. 75 Abs. 2 BayPVG bei Versetzungen zu prüfen (s.o.), gleichzeitig aber im Vergleich zu anonymisierten Datenübermittlungen deutlich intensiver in die informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) eingreift“ (Rn. 38).


3. Prüfung der DSGVO


Der BayVGH sichert sein Ergebnis durch eine Kontrollüberlegung ab. Er begründet ausführlich, dass auch nach der DSGVO die von der Personalvertretung begehrte pauschale Übermittlung namentlicher Sozialauswahldaten mit der DSGVO nicht vereinbar ist.

a) Anwendbarkeit der DSGVO
Die DSGVO sei anwendbar. Die von der Personalvertretung begehrte namensbezogene Übermittlung der sozialen Auswahlgründe bei Versetzungen sei begrifflich eine Verarbeitung personenbezogener Daten i.S.v. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Nr. 1 und 2 DSGVO, und zwar zumindest in Form der Verwendung durch Zurverfügungstellung an die Personalvertretung.

b) Art. 88 DSGVO
Sodann wendet sich der BayVGH dem Art. 88 DSGVO zu, der den Mitgliedstaaten „spezifischere Vorschriften“ zum Beschäftigtendatenschutz erlaubt. Der BayVGH betont zu Recht, es handele sich nicht um eine vollständige Geltungsbereichsausnahme, sondern lediglich um eine Öffnungsklausel, die den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, die Regelungen der DSGVO durch spezifischere nationale Vorschriften zu präzisieren (Rn. 51).

Allerdings billigt er nur dem Art. 69 Abs. 2 Satz 3 BayPVG zu, dass er eine spezifischere Vorschrift im Sinn des Art. 88 DSGVO sei, da nur diese Vorschrift einen im Vergleich zur Datenschutz-Grundverordnung höheren Konkretisierungsgrad aufweise. Hingegen handele es sich bei Art. 69 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayPVG nur um generalklauselartige Bestimmungen. Diese Sichtweise ist ungewöhnlich. Zwar ist Art. 69 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayPVG generalklauselartig formuliert, regelt aber sektorspezifisch konkret den Anspruchsinhaber und den Anspruchsgegner und macht die Zulässigkeit der Weitergabe der Unterlagen davon abhängig, dass die Weitergabe zur Durchführung der Aufgaben des Personalrats erforderlich ist. Zudem handelt es sich nicht nur um eine Zulässigkeitsvorschrift (wie die Varianten des Art. 6 DSGVO), sondern regelt eine Verpflichtung zur Datenweitergabe. Solche bereichsspezifischen Regelungen sind auch bei Vorschriften nach Art. 88 DSGVO zulässig und üblich. Auch sieht man aus der eingehenden Erörterung des Art. 69 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayPVG für diesen Rechtsfall, dass es sich hier um eine falllösende Vorschrift handelt.

Gerade der vom BayVGH als Beleg herangezogene Beschluss des BayVGH vom 15. 3. 2016 (17 P 14.2689) spricht dafür, dass eine spezifischere Vorschrift im Sinn des Art. 88 DSGVO vorliegt. Dort heißt es in Rn. 49:

Die generalklauselartigen Bestimmungen in Art. 69 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayPVG schreiben unter den Gesichtspunkten Aufgabenbezug und Erforderlichkeit die Informationspflicht der Dienststelle als Regelfall vor. Diese Grundregel wird durch spezielle Vorgaben für Art und Umfang der Information bei Organisationsentscheidungen, Einstellungsverfahren und Prüfungen ergänzt (Art. 69 Abs. 2 Satz 3 bis 5, Abs. 4 BayPVG). Dagegen enthält Art. 69 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BayPVG Ausnahmefallgestaltungen, in welchen sich das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Beschäftigten durchsetzt: von dienstlichen Beurteilungen ist grundsätzlich nur die abschließende Bewertung bekanntzugeben; die Einsicht in Personalakten ist vom Einverständnis des Beschäftigten abhängig. Demgemäß beinhaltet Art. 69 BayPVG ein in sich geschlossenes einfachrechtliches Regelungskonzept, anhand dessen sich beantworten lässt, ob der Personalrat zu unterrichten ist oder nicht.


Im Übrigen kam es im vorliegenden Fall auf diese Frage gar nicht an. Denn die nun vom BayVGH geprüften Bestimmungen der DSGVO in Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. a (Einwilligung) und Buchstabe c (rechtliche Verpflichtung) konnten als unmittelbar geltendes Unionsrecht ohne Rücksicht darauf herangezogen werden, ob eine bereichsspezifische Vorschrift des Mitgliedstaats nach Art. 88 DSGVO vorliegt oder nicht.

c) Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. a DSGVO
Eine Rechtfertigung der gewünschten Datenübermittlung ergebe sich nicht aus einer Einwilligung. In der bloßen Äußerung eines Versetzungswunsches könne – auch wenn sie sich auf behördenintern bekannt gegebene, zu besetzende Dienstposten bezieht – noch keine Einwilligung in eine Datenübermittlung der Dienststelle an die Personalvertretung gesehen werden.

d) Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. c DSGVO
Sodann sei die Verarbeitung auch nicht „zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt“. Der BayVGH geht – konsequenterweise – davon aus, dass es auch hier an der Erforderlichkeit fehlt. Statt des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Grundgesetzes stellt er insoweit auf Art. 8 der Europäischen Grundrechtecharta ab. Beide Grundrechte sind aber in der Sache gleich auszulegen.

e) Personalvertretung als Verantwortlicher?
Abschließend sei noch erwähnt, dass der BayVGH ausdrücklich offenlässt, ob „Verantwortlicher“ im Sinn von Art. 4 Nr. 7 DSGVO beim Umgang mit den gewünschten Daten durch die Personalvertretung die Dienststelle ist (deren Teil die Personalvertretung ist) oder ob die Personalvertretung eine eigene Verantwortlichkeit hat (vgl. Rn. 49).


Gesamtbewertung

Die Entscheidung des BayVGH zeigt, dass sich auch im Rechtsgebiet des Personalvertretungsrechts immer wieder aktuelle datenschutzrechtliche Fragen stellen. Der BayVGH argumentiert sehr ausführlich und schichtet die Problemkreise – im Wesentlichen sehr systematisch – voneinander ab und kommt zu einem überzeugenden Ergebnis.


Dr. Thomas Schwabenbauer
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