Neun Monate DSGVO – das neue Datenschutzrecht etabliert sich

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Newsletter Doppelausgabe Februar/März 2019:
Seit neun Monaten gelten die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und ergänzend dazu das neue Bayerische Datenschutzgesetz (BayDSG). Inzwischen etabliert sich das neue Recht Schritt für Schritt in der Datenschutzpraxis. Einen wichtigen Markstein bildet dabei die erste Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Datenschutz bei Presseanfragen an Behörden (Urteil des BVerwG vom 27. September 2018, 7 C 5/17). In diesem Zusammenhang wirft das Gericht auch die Frage auf, ob Nr. 2 von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des neuen BayDSG mit der DSGVO vereinbar ist. Die Antwort bietet keine leichte Kost, sondern verlangt eine differenzierte Betrachtung.

1. Aktuelle Verunsicherung


Schon fünf Monate nach Inkrafttreten des neuen BayDSG hatte das Bundesverwaltungsgericht im September 2018 Gelegenheit, das Gesetz darauf zu überprüfen, ob es in bestimmten Punkten mit der DSGVO vereinbar ist. Bekannt wurde die Entscheidung freilich erst vor kurzem. Seitdem herrscht in Teilen der Datenschutzpraxis Verunsicherung, vielfach aber auch schlichte Verwunderung.

 


2. Maßgeblicher Sachverhalt


In dem Urteil geht es um das Zusammenspiel von presserechtlichem Auskunftsanspruch und datenschutzrechtlichen Übermittlungsbefugnissen. 


Dem Rechtsstreit lag ein Auskunftsbegehren eines Journalisten zu Grunde. Im Zuge der „Verwandtenaffäre“ hatte er vom Bayerischen Landtag unter anderem Auskunft über Gehaltszahlungen durch die Landtagsverwaltung an die Ehefrau eines Landtagsabgeordneten gefordert. Die Landtagsverwaltung hatte diese Auskunft unter Verweis auf den Schutz der Privatsphäre des Ehepaars verweigert. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof als Vorinstanz hatte diese Weigerung akzeptiert. Anders das BVerwG: Es verpflichtete die Landtagsverwaltung, dem Auskunftsbegehren nachzukommen.

 


3. Begründung des Bundesverwaltungsgerichts 


Sosehr die Entscheidung im Ergebnis überzeugt und sosehr sie sich auch in die europäische Rechtsprechung zu Transparenz und Datenschutz einfügt (siehe etwa zur Veröffentlichung staatlicher Zuwendungen an Landwirte EuGH, Urteil vom 9. November 2010, Rs C-92/09), so wenig überzeugt ihre Begründung. Sie lässt sich in etwa wie folgt zusammenfassen:

 

  • Der vorliegend maßgebliche Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG enthält eine Befugnis zur Übermittlung von personenbezogenen Daten an nicht öffentliche Stellen. Er lautet wie folgt: „Eine Übermittlung personenbezogener Daten ist zulässig, wenn … der Empfänger eine nicht öffentliche Stelle ist, diese Stelle ein berechtigtes Interesse an ihrer Kenntnis glaubhaft darlegt und die betroffene Person kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat; dies gilt auch, soweit die Daten zu anderen Zwecken als denjenigen, zu denen sie erhoben wurden, übermittelt werden.“

 

  • Diese Befugnis sei nicht mit der DSGVO vereinbar (so die Entscheidungsgründe des Gerichts Rn. 25).

 

  • Zum einen könne die Norm nicht auf die Öffnungsklauseln des Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGV gestützt werden, weil sich diese auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. c und e DSGVO bezögen, während Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG an Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f anknüpfe (Rn. 26). Dort wird die Verarbeitung personenbezogener Daten in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten gestattet.

 

  • Zum anderen stehe ihr Art. 6 Abs. 1UAbs. 2 DSGVO entgegen, wonach (der zu Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG insoweit inhaltsgleiche) Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGV nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung gelte (Rn. 26).

 

  • Auch die Befugnis zur Schaffung von Zweckänderungserlaubnissen nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO ist aus Sicht des BVerwG keine Ermächtigung, um darüber hinaus gehende Verarbeitungstatbestände im nationalen Recht zu begründen.

 


4. 
Problematische Äußerungen des Bundesverwaltungsgerichts


a) Der Umgang mit diesen Feststellungen des BVerwG erfordert von der Datenschutzpraxis große Umsicht. Voreilige generelle Schlüsse führen dabei schnell in die Irre. Der ausdrücklich formulierte Befund des Gerichts „Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG ist mit der Datenschutz-Grundverordnung nicht vereinbar.“ legt es zunächst nahe, diese Vorschrift künftig überhaupt nicht mehr als Übermittlungsgrundlage heranzuziehen, wenn etwa Auskunftsersuchen von Bürgern nach Art. 39 BayDSG (Allgemeines Auskunftsrecht) vorliegen. Stattdessen müsste dann als Übermittlungsgrundlage unmittelbar auf Art. 6 Abs.1 DSGVO zurückgegriffen werden, soweit das möglich ist.

 

b) Nicht nur formal bleibt aber zu berücksichtigen, dass das BVerwG letztlich gar nicht generell untersucht hat, ob in Gestalt von Art. 5 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG ein unionsrechtlich tragfähiger Datenverarbeitungstatbestand vorliegt. Vielmehr hat es die Übermittlungstatbestände des BayDSG lediglich zur Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der „Verschwiegenheitspflichten“ im Rahmen des presserechtlichen Auskunftsanspruchs (Art. 4 Bayerisches Pressegesetz (BayPrG) herangezogen.

 

Diese Vorschrift lautet in Auszügen: „Die Presse hat gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. … Die Auskunft darf nur verweigert werden, soweit auf Grund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht.“ Somit sagt das Gericht zunächst einmal nur, dass in diesem Kontext aus Art. 5 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG nicht der Schluss gezogen werden kann, dass eine Auskunft verweigert werden darf.

 

c) In anderem Zusammenhang lässt das Gericht dann erkennen, dass die eigentliche Datenverarbeitungserlaubnis, die für die Erfüllung eines presserechtlichen Auskunftsanspruchs noch hinzutreten muss, „den Erlaubnistatbeständen nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. c und e DSGVO zuzuordnen“ ist (BVerwG, a.a.O., Rn. 26).

 

Das BVerwG stellt dabei ausdrücklich fest, dass die Beantwortung von Presseanfragen in Erfüllung hoheitlicher Funktionen erfolgt (Rn. 26). Konsequenterweise hätte das Gericht deshalb bereits die allgemeine datenschutzrechtliche Generalklausel nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 BayDSG heranziehen müssen. Sie lautet: „Eine Übermittlung personenbezogener Daten ist zulässig, wenn … sie zur Erfüllung einer der übermittelnden oder der empfangenden öffentlichen Stelle obliegenden Aufgabe erforderlich ist.“ Diese Regelung passt auf die Situation, die zu entscheiden war: Die Behörde verarbeitet bei der Erfüllung eines presserechtlichen Auskunftsanspruchs personenbezogene Daten, weil dies zur Erfüllung der ihr presserechtlich zugewiesenen Aufgaben erforderlich ist. Bei Anwendung dieser Vorschrift hätte die Abwägung zwischen dem presserechtlichen Auskunftsanspruch und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen unter dem Erforderlichkeitsbegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSG subsumiert werden können: Denn „erforderlich“ ist nur eine abwägungsfehlerfreie Presseauskunft (so Entscheidungsbesprechung der Landesanwaltschaft Bayern).

 

Letztlich darf die Entscheidung des BVerwG deshalb allenfalls als Kritik an der landesrechtlichen Ausformung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs durch Art. 4 BayPrG verstanden werden. Als eine höchstrichterliche Normverwerfung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG kann und sollte sie jedenfalls nicht eingeordnet werden.

 


5. Folgerungen für die Datenschutzpraxis

 

Die Praxis sollte weiterhin davon ausgehen, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG der Datenschutz-Grundverordnung entspricht und für Datenübermittlungen der Behörden an nicht öffentliche Stellen anzuwenden ist. Hierfür sprechen die folgenden schon in der bisherigen Rechtsliteratur vertretenen Auffassungen. Sie bringen zwar unterschiedliche Gesichtspunkte, stimmen aber im Ergebnis darin überein, dass diese Vorschrift die europarechtlichen Vorgaben einhält:

 

  • Nach der einen Auffassung stellt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG eine (gemäß Erwägungsgrund 8) zulässige Wiederholung eines Ausschnitts aus dem Regelungsinhalt des Art. 6 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO dar. Dieser Ausschnitt betrifft die Übermittlung zur Wahrung der berechtigten Interessen eines empfangenden Dritten, bei dem es sich nicht um eine öffentliche Stelle handelt. Zwar enthält Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO folgende Bestimmung: „Unterabsatz 1 Buchstabe f gilt nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung.“ Dieses Anwendungsverbot kommt aber für Datenübermittlungen allein im Interesse von Privaten nicht zur Anwendung, weil unter den Begriff „in Erfüllung ihrer Aufgaben“ nur die Erfüllung der durch Gesetz übertragenen Aufgaben im Rahmen der Eingriffs- und Leistungsverwaltung gezählt wird. Um die Erfüllung solcher behördlichen Aufgaben geht es im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG aber nicht (Niese, in Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, Datenschutz in Bayern, Art. 5 BayDSG Rn. 15, 16, Art. 6 DSGVO Rn. 50, 51).

 

  • Nach der anderen Auffassung beruht Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG (wie Nr. 1) auf der Ermächtigung in Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. e, Abs. 3 DSGVO. Danach kann der nationale Gesetzgeber spezifischer Rechtsgrundlagen schaffen, und zwar „für die Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt“. Es wird dabei von einem weiten Aufgabenbegriff ausgegangen. Bei der Formulierung der Vorschrift war es dem nationalen Gesetzgeber nicht verboten, unter Rückgriff auf das Merkmal der „berechtigten Interessen“ Regelungen mit Verhältnismäßigkeits- und Angemessenheitsanforderungen zu erlassen (so Winfried Veil in cr-online.de).

 

Gleich welche Auffassung man vertritt, im Ergebnis entspricht Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG der Datenschutz-Grundverordnung.


In Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG wurden (genauso wie in der Parallelvorschrift des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BDSG) die Informationsinteressen der Allgemeinheit bzw. Einzelner und die Schutzinteressen der Betroffenen effektiv ausbalanciert. Gerade für die Auskunftsersuchen von Bürgern nach Art. 39 BayDSG (Allgemeines Auskunftsrecht) ist die Vorschrift weiterhin maßgebend.

 

Insgesamt gesehen zeigt die Entscheidung des BVerwG jedenfalls für das BayDSG keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf auf. Sie betrifft lediglich eine spezifische Konstellation im Rahmen des presserechtlichen Auskunftsanspruchs.

 

Die Entscheidung des BVerwG ist abrufbar unter https://www.bverwg.de/de/pm/2018/68.
Siehe dazu die oben schon kurz erwähnte ausführliche Entscheidungsbesprechung der Landesanwaltschaft Bayern auf deren Homepage.

 

Matthias Brunner und Michael Will

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