SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP haben am 24.11.2021 ihren Koalitionsvertrag vorgelegt, dem die einzelnen Parteien im Dezember zugestimmt haben.
Zur digitalen Verwaltung sieht der Koalitionsvertrag u.a. folgende Maßnahmen vor:
Es wird festgestellt, dass die Menschen vom Staat einfach handhabbare und zeitgemäße digitale Leistungen erwarten, und zwar nutzerorientiert, medienbruchfrei und flächendeckend. Lösungen durch Automation – wie die automatisierte Auszahlung der Kindergrundsicherung – sollen prioritär umgesetzt werden.
Die Weiterentwicklung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) soll mit einer ausreichenden Folgefinanzierung einhergehen, mit der eine klare Standardisierung und Vereinheitlichung von IT-Verfahren nach dem Einer-für-alle-Prinzip (EfA) unterstützt wird.
Im Rahmen der IT-Konsolidierung sollen klare Verantwortlichkeiten geschaffen und die IT-Budgets des Bundes zentral zusammengeführt werden.
Aus der Föderalen IT-Kooperation (FITKO) soll eine agile, flexible Einheit mit einem mehrjährigen Globalbudget werden.
Kommunen müssen von Bundesmitteln profitieren und im Rahmen des EfA-Prinzips entwickelte Lösungen übernehmen können.
Digitalisierungshemmnisse (Schriftform u. a.) sollen mittels Generalklausel abgebaut und Begriffe (z. B. „Einkommen“) vereinheitlicht werden.
Ein vertrauenswürdiges, allgemein anwendbares Identitätsmanagement sowie die verfassungsfeste Registermodernisierung haben Priorität.
Für öffentliche IT-Projekte sollen offene Standards festgeschrieben werden. Entwicklungsaufträge sollen in der Regelals Open Source beauftragt werden, die entsprechende Software soll grundsätzlich öffentlich gemacht werden.
AufBasis einer Multi-Cloud Strategie und offener Schnittstellen sowie strenger Sicherheits- und Transparenzvorgaben soll eine Cloud der öffentlichen Verwaltung aufgebaut werden.
Der Koalitionsvertrag kann auf den Internetseiten der beteiligten Parteien abgerufen werden:
Die EU-Kommission hat im November 2021 den 18. eGovernment Benchmark Report veröffentlicht. Darin werden die Verfügbarkeit und Qualität digitaler Verwaltungsleistungen für verschiedene Lebensbereiche von Bürgern und Unternehmen untersucht und bewertet. Der Report wurde von einem Konsortium um die Beratungsagentur Capgemini erstellt und basiert auf Daten aus 36 europäischen Ländern, darunter alle EU-Staaten.
Evaluiert werden die Daten anhand von vier Dimensionen:
Bei der Nutzerfreundlichkeit werden der Umfang der Online-Verfügbarkeit von Informationen und Dienstleistungen, Support- und Feedbackmöglichkeiten sowie die Nutzbarkeit von mobilen Endgeräten gemessen. Im Hinblick auf die Transparenz wird insbesondere beurteilt, in welcher Art und Weise Informationen zur Nutzung von personenbezogenen Daten bereitgestellt werden. In Bezug auf Schlüsselmechanismen werden technologische Hilfsinstrumente, wie die Nutzbarkeit der eID oder von elektronischen Formularen analysiert. Bei der Nutzbarkeit für ausländische Staatsangehörige wird geprüft, ob und inwieweit Bürger aus anderen Staaten auf die Online-Verwaltungsleistungen zugreifen können.
Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass in der Gesamtheit der Staaten mehr als sechs von acht Verwaltungsleistungen (81 %) online verfügbar sind. 61 % der Websites informieren die Bürger darüber, welche personenbezogenen Daten von öffentlichen Verwaltungen abgefragt wurden. Bei fast zwei Drittel aller Verwaltungsdienstleistungen (64 %) können Bürger die eID zur Identifikation benutzen. Nur weniger als die Hälfte der Dienstleistungen (43 %) kann jedoch von Nicht-Staatsbürgern in Anspruch genommen werden. Die bedeutendsten Hindernisse dabei sind fehlende sprachliche Übersetzungen sowie die mangelnde Akzeptanz ausländischer Ausweise.
Für jedes Land wird auf Basis der Daten und anhand der vier Dimensionen ein Gesamtwert für den E-Government-Reifegrad (0 % - 100 %) berechnet. Dabei liegen Malta mit 96 % und Estland mit 92 % weit vorne. Deren digitale Verwaltungsleistungen sind am nutzerfreundlichsten, transparentesten, technologisch fortschrittlichsten und offensten für Nutzer aus anderen europäischen Ländern. Die letzten Plätze belegen Rumänien (40 %), Nordmazedonien (38 %) und Montenegro (37 %). Deutschland nimmt mit einem E-Government-Reifegrad von 62 % den 24. Platz ein und liegt damit unter dem europaweiten Durchschnitt von 68 %:
Anhand der Ergebnisse werden politische Schlussfolgerungen formuliert:
Zunächst wird festgehalten, dass die Corona-Pandemie die Digitalisierung beschleunigt habe. Insbesondere bei den digitalen Verwaltungsleistungen für Arbeitslose und Unternehmen seien große Fortschritte erzielt worden. Nun gelte es, diese auch auf andere Bereiche zu übertragen.
Zudem wird dargelegt, dass große Unterschiede zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen bestünden. Mit 85 % seien deutlich mehr digitale Verwaltungsleistungen auf Ebene des Bundes verfügbar als auf Ebene der Länder und Kommunen (59 %). Hier sollten die Akteure ihre Ressourcen stärker bündeln und zusammenarbeiten.
Außerdem seien Verwaltungsleistungen für Unternehmen deutlich stärker digitalisiert als Verwaltungsleistungen für Bürger. Diese erfolgreichen Bemühungen für Unternehmen sollten auch in anderen Bereichen stärker genutzt werden.
Schließlich wird kritisiert, dass ausländische Nutzer gegenüber staatsangehörigen Nutzern deutlich benachteiligt würden. Eine bessere grenzüberschreitende Nutzbarkeit könne die Personenfreizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit innerhalb des europäischen Kontinents unterstützen.
Ergänzend zum eGovernment Benchmark Report wurden ein ausführlicher Hintergrundbericht sowie Länderdatenblätter veröffentlicht. Die Veröffentlichungen sind (in englischer Sprache) im Internet abrufbar unter: https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/library/egovernment-benchmark-2021.
Klaus Geiger, Referent für Finanzen, Organisation und digitale Verwaltung beim Bayerischen Landkreistag, München
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