1. Ausweisdokument(e) verloren – und dann?
1.1 Pass und Personalausweis
Sowohl beim Pass im Sinne von § 1 Abs. 2 Passgesetz (PassG) als auch beim Personalausweis hat ein Dokumenteninhaber die Verpflichtung, den Verlust des entsprechenden Dokumentes anzuzeigen. So regeln es § 15 Nr. 3 PassG sowie § 27 Abs. 1 Nr. 3 Personalausweisgesetz (PAuswG).
Die Pass- bzw. Ausweisbehörden nehmen diese Verlustanzeigen entgegen und dokumentieren die Umstände des Verlustes (siehe dazu Nr. 15.0.2 der Passverwaltungsvorschrift - PassVwV -, die entsprechend der Vorbemerkung der „Vorläufigen Hinweise zur Durchführung des Personalausweis- und Passgesetzes“ in der Fassung vom 26.09.2011 für das Personalausweisrecht analog anzuwenden ist).
Hierbei sollte neben den Angaben zu Inhaber (Familienname, Vorname usw.) und Dokument (Dokumentenart, Seriennummer usw.) auch erhoben werden, wann und wo das Dokument abhanden gekommen ist, ob der Verlust im Zusammenhang mit einer Straftat steht oder ob der Verdacht vorliegt, dass das Dokument widerrechtlich eingesetzt werden könnte. Diese Angaben sind insbesondere für die anschließend vorzunehmende Mitteilung an die Polizei erforderlich (siehe Nr. 15.0.2.2 PassVwV). Die Tatsache des Verlustes ist in den entsprechenden Registern als „verfahrensbedingter Bearbeitungsvermerk“ im Sinne des § 21 Abs. 2 PassG bzw. § 23 Abs. 3 PAuswG zu speichern (siehe Nr. 21.2.1 PassVwV).
Gelegentlich wird die Frage aufgeworfen, ob bei Aufnahme der Verlustanzeige durch die Pass- bzw. Ausweisbehörde Gebühren erhoben werden dürfen. Weder Kapitel 4 der Passverordnung (PassV) noch die Personalausweisgebührenverordnung (PAuswGebV) enthalten hierzu eine Regelung. Manche Pass- bzw. Ausweisbehörde erhebt trotzdem aufgrund landesrechtlicher Kostenregelungen Gebühren für Verlustanzeigen (z.B. gemäß Tarif-Nummer 1.I.6 des Bayerischen Kostenverzeichnisses – „Aufnahme einer Niederschrift“).
Hierbei sollte jedoch berücksichtigt werden, dass als Folge hiervon Verlustanzeigen wegen der drohender Gebühren möglicherweise unterlassen werden (so ein mahnender Hinweis des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr; vgl. hierzu auch Lösung zu Fall 10 des Newsletters vom September 2013).
Auch wenn das vorsätzliche Unterlassen einer Verlustanzeige eine Ordnungswidrigkeit darstellt (§ 25 Abs. 2 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 15 Nr. 3 PassG sowie § 32 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 27 Abs. 1 Nr. 3 PAuswG), sollte es nicht im Sinn der Pass- und Personalausweisbehörden als Sicherheitsbehörden sein, einerseits die Verlustanzeige durch die Erhebung von Gebühren zu erschweren, und andererseits den Dokumenteninhaber dadurch unter Umständen regelrecht zum Begehen einer Ordnungswidrigkeit zu provozieren.
Die Pass- bzw. Ausweisbehörde, bei der das entsprechende Dokument verloren gemeldet wurde, hat folgende Mitteilungspflichten (§ 22 Abs. 5 Satz 1 PassG, § 11 Abs. 5 Satz 1 PAuswG):
Die eben erwähnte Aufnahme in die polizeiliche Sachfahndung hat nicht nur zur Folge, dass das entsprechende Dokument in Deutschland zur Fahndung ausgeschrieben wird. Vielmehr wird das entsprechende Dokument auch international zur Fahndung ausgeschrieben (z.B. auf europäischer Ebene im Schengener Informationssystem – SIS, vgl. dazu Nr. 15.0.2.1 PassVwV oder auch in der „Interpol Stolen or Lost Travel Document Database“ – SLTD – sogar weltweit).
1.2 Besonderheit beim neuen Personalausweis
Sofern es sich um einen seit 01.11.2010 ausgestellten Personalausweis handelt, bei dem der elektronische Identitätsnachweis (eID-Funktion) eingeschaltet war, ist die Sperrung der eID-Funktion zu veranlassen. Dies kann der Ausweisinhaber auch selbst gegenüber dem Sperrlistenbetreiber (laut Bekanntmachung des Bundesministeriums des Innern vom 26. Februar 2010 ist dies das Bundesverwaltungsamt) über den Sperrnotruf vornehmen (siehe § 10 Abs. 6 Satz 1 PAuswG bzw. § 25 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative der Personalausweisverordnung - PAuswV). Der Sperrlistenbetreiber hat die Aufgabe, eine Liste aller gesperrten elektronischen Identitätsnachweise für Diensteanbieter (wie etwa Online-Shops) bereitzustellen, die eine Identifikation mittels der eID-Funktion anbieten.
Ergänzend sei vorsorglich die seit 01.01.2014 geltende neue Rufnummer des Sperrnotrufs „116 116“ erwähnt. Die Änderung dieser Rufnummer wurde zwar bereits seit Ende des Jahres 2013 kommuniziert (so z.B. durch ein Schreiben des Bundesinnenministeriums vom 06.12.2013), jedoch zeigen die Erfahrungen aus der Praxis, dass diese Nummer noch lange nicht überall bekannt ist. Sie wurde auch noch nicht in allen Publikationen aktualisiert. In diesem Zusammenhang erscheint es durchaus sinnvoll, die von der Gemeinde selbst zu diesem Thema veröffentlichten Informationen - z.B. Flyer, Internetauftritt - auf ihre Aktualität zu überprüfen!
Sofern der Ausweisinhaber die Sperrung nicht bereits selbst beim Sperrlistenbetreiber vorgenommen hat, hat die Personalausweisbehörde dies (entweder elektronisch über die entsprechende Funktion des jeweiligen Softwareverfahrens oder durch Mitteilung an die entsprechende Ausstellungsbehörde) von Amts wegen zu veranlassen (siehe § 10 Abs. 5 PAuswG bzw. § 25 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative PAuswV).
Bislang dürften zwar nur wenige Ausweisinhaber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, sich eine digitale Signatur im Ausweis speichern zu lassen, dennoch sollte zur Vorsicht der – gesetzlich allerdings nicht vorgeschriebene - zusätzliche Hinweis an den Betroffenen erfolgen, dass eine möglicherweise im Ausweis gespeicherte digitale Signatur gesondert beim entsprechenden Signaturbetreiber gesperrt werden muss (siehe § 8 Abs. 1 Signaturgesetz - SigG).
1.3 Wichtiger Hinweis nach Entgegennahme der Verlustanzeige
Gerne seitens der Behörde unterlassen (oder auch vom Dokumenteninhaber „nicht richtig wahrgenommen“) wird nach der Aufnahme bzw. Entgegennahme der Verlustanzeige ein wichtiger Hinweis, nämlich der Hinweis darauf, dass der Dokumenteninhaber verpflichtet ist, das Wiederauffinden des entsprechenden Dokumentes anzuzeigen (zu dieser Anzeigepflicht siehe § 15 Nr. 3 PassG bzw. § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAuswG sowie Randnummer 13 zu § 15 PassG der Kommentare Böttcher/Ehmann bzw. Ehmann/Brunner).
Ein ausdrücklicher Hinweis der Behörde auf diese Pflicht ist gesetzlich zwar nicht vorgeschrieben, sollte aber stets erfolgen. Dabei sollte auch erwähnt werden, dass die Anzeigepflicht unabhängig von der Tatsache besteht, ob mittlerweile bereits ein neues Dokument ausgestellt wurde!
Welche Konsequenzen drohen, wenn das Wiederauffinden verloren gegangener Dokumente nicht angezeigt wird, sie aber wieder im Rechtsverkehr (etwa bei Grenzkontrollen) verwendet werden, haben wir zuletzt im Newsletter vom Juni 2013 unter Punkt 3d) aufgezeigt: Bei Grenzkontrollen wurden die (noch immer zur Fahndung ausgeschriebenen) Dokumente durch ausländische Grenzbehörden in der Regel eingezogen. Die Betroffenen müssen sich dann unter hohem Zeit- und Kostenaufwand erst einmal neue Reise(ersatz)dokumente „vor Ort“ ausstellen lassen, bevor sie ihre Reise fortsetzen können.
2. Was ist beim Wiederauffinden des Dokumentes zu veranlassen?
2.1 Pass und Personalausweis
Wie der Verlust ist auch das Wiederauffinden eines verloren gemeldeten Dokumentes der Pass- bzw. Ausweisbehörde anzuzeigen (§ 15 Nr. 3 PassG bzw. § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAuswG). Die Anzeige hat dabei durch den Dokumenteninhaber persönlich und unter Vorlage des wiedergefundenen Dokumentes zu erfolgen, da sich die Pass- bzw. Ausweisbehörde davon überzeugen muss, dass das Dokument auch tatsächlich wiedergefunden wurde und sich auch im Besitz des Dokumenten-inhabers befindet.
Eine telefonische oder schriftliche Anzeige des Wiederauffindens ist daher nicht möglich, da sonst die Gefahr besteht, dass die Löschung der Fahndung nach dem abhanden gekommenen Dokument nicht durch den Inhaber, sondern von einer anderen Person veranlasst wird (vielleicht sogar von der Person, die das Dokument entwendet hat!). Dies würde die missbräuchliche Nutzung des Dokuments erst ermöglichen und könnte – z.B. bei einer Verwendung bei Straftaten – zu Problemen für den Dokumenteninhaber führen.
Darüber hinaus muss sich die Pass- bzw. Ausweisbehörde bei der Vorsprache des Inhabers auch davon überzeugen, dass anhand dieses Dokuments die Identität des Inhabers noch einwandfrei festgestellt werden kann. Sollte das nicht der Fall sein, ist das Dokument ungültig und müsste eingezogen werden (siehe hierzu die Ausführungen unter nachfolgender Nr. 3).
Auch die Tatsache des Wiederauffindens ist im jeweiligen Register entsprechend Nr. 21.2.1 PassVwV als „verfahrensbedingter Bearbeitungsvermerk“ im Sinne des § 21 Abs. 2 PassG bzw. § 23 Abs. 3 PAuswG zu speichern.
Wie schon bei der Verlustanzeige hat die Pass- bzw. Ausweisbehörde, bei der das entsprechende Dokument als wiedergefunden gemeldet wurde, erhebliche Mitteilungspflichten (§ 22 Abs. 5 Satz 1 PassG, § 11 Abs. 5 Satz 1 PAuswG):
2.2 Wichtige Besonderheit beim neuen Personalausweis
Sofern beim Verlust eines neuen Personalausweises die eID-Funktion gesperrt wurde, kann der Ausweisinhaber bei der Ausweisbehörde die Löschung der Sperrung der eID-Funktion beantragen und so die „Reaktivierung“ der Funktion bewirken (§ 10 Abs. 8 PAuswG bzw. § 26 Abs. 1 PAuswV). Wie bei der Anzeige des Wiederauffindens kann auch die Entsperrung ausschließlich persönlich unter Vorlage des Personalausweises durch den Ausweisinhaber erfolgen. Die Entsperrung liegt also im Ermessen des Ausweisinhabers – nicht zuletzt deswegen, weil hierfür gemäß § 2 Abs. 3 PAuswGebV eine Gebühr in Höhe von sechs Euro fällig wird.
3. Aushändigung wiedergefundener Dokumente an den Inhaber?
Sofern zum Zeitpunkt des Wiederauffindens eines Personalausweises bereits ein neuer Personalausweis ausgestellt wurde, ist eine Aushändigung des verloren gemeldeten Personalausweises an den Inhaber nicht mehr möglich, da niemand mehr als einen gültigen Personalausweis besitzen darf, § 1 Abs. 4 PAuswG.
Handelt es sich beim wiedergefundenen Dokument um einen Pass, würde § 1 Abs. 3 PassG die Möglichkeit eines weiteren Passes bei Vorliegen eines berechtigten Interesses eröffnen. Sofern beide Reisepässe (also der „alte“ ebenso wie der „neue“) jedoch für eine Gültigkeitsdauer von 10 Jahren ausgestellt wären, kann der wiedergefundene Pass nicht in einen weiteren Pass „umgedeutet“ werden, da derartige weitere Pässe nur (insgesamt) 6 Jahre gültig sein dürfen, § 5 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative PassG. Damit muss einer der beiden Reisepässe eingezogen werden (vgl. hierzu auch unseren Newsletter vom April 2012 unter Nr. 4 bzw. Kommentare Böttcher/Ehmann bzw. Ehmann/Brunner, Randnummer 42 zu § 1 PassG sowie Randnummer 11 zu § 5 PassG).
War das wiedergefundene Dokument bereits einige Jahre alt, wird in der Regel niemand ernsthaft sein neues Dokument abgeben und stattdessen das wiedergefundene Dokument behalten wollen. Sofern jedoch noch kein neues oder anstatt dessen ein anderes Dokument ausgestellt wurde (z.B. wenn der Pass verloren und kein neuer Pass, sondern ein Personalausweis ausgestellt wurde), könnte das wiedergefundene Dokument theoretisch dem Dokumenteninhaber wieder ausgehändigt werden. Hierbei sollte jedoch überprüft werden, ob der Dokumenteninhaber auf dem wiedergefundenen Dokument noch identifiziert werden kann. Wäre dies nicht der Fall (z.B. weil das wiedergefundene Dokument bereits mehrere Jahre alt ist und sich das Aussehen des Dokumenteninhabers so gravierend verändert hätte), ist das Dokument ungültig (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 1 PassG bzw. § 28 Abs. 1 Nr. 1 PAuswG sowie Kommentare Böttcher/Ehmann bzw. Ehmann/Brunner, Randnummern 4 bis 6 zu § 11 PassG) und darf nicht mehr ausgehändigt, sondern muss eingezogen werden, § 12 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 PassG bzw. § 29 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 PAuswG.
Einen handfesten praktischen Grund, der gegen die Wiederausgabe eines wiedergefundenen Dokumentes spricht, haben wir bereits in unserem Newsletter vom Juni 2013 unter Punkt 3d) aufgezeigt. Dort haben wir darüber berichtet, dass es in manchen Ländern (z.B. Japan oder Großbritannien) selbst dann noch zu Problemen bei der Einreise mit einem einmal für verloren erklärten Dokument kommen kann, wenn die Polizei (aufgrund der Meldung des Wiederauffindens) die Löschung eines wiedergefundenen Dokumentes in der „Interpol Stolen or Lost Travel Document Database“ veranlasst hatte.
Sofern das Dokument mehrere Jahre als verloren gemeldet war, kann darüber hinaus nicht ausgeschlossen werden, dass in der Zwischenzeit mit diesem Dokument Straftaten verübt wurden. Auch in diesem Fall kann die erneute Verwendung dieses Dokumentes als Identitätsnachweis zu Problemen führen.
Betroffene sollten daher auf diese bestehenden Risiken hingewiesen werden. Eventuell lassen sich durch die – vergleichsweise geringe - Investition in ein neues Dokument erhebliche Probleme vermeiden.
Dr. Eugen Ehmann und Matthias Brunner
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