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Die Anfrage der Leserin lässt sich in anonymisierter Form so zusammenfassen:
Bei uns gibt es Pflegefamilien, die auf Veranlassung des Jugendamtes Pflegekinder aufnehmen. Manchmal geschieht das sogar schon wenige Tage nach der Geburt eines Kindes. Manche Kinder sind nur kurz bei einer Pflegefamilie, andere viele Monate lang oder sogar Jahre.
Die Pflegeeltern melden die Kinder manchmal bei uns an, manchmal aber auch nicht. Immer wieder vertreten Pflegeeltern die Auffassung, dass die Anmeldung doch Sache des Jugendamts sei und nicht ihre Angelegenheit.
Immer wieder kommt es auch vor, dass das Jugendamt heftig protestiert, wenn wir ein Pflegekind anmelden. Das Jugendamt will dann, dass wir keine Anmeldung vornehmen, damit die leiblichen Eltern ihr Kind auf keinen Fall finden können.
Wie gehen wir bei Pflegekindern richtig vor?
Die Gründe, aus denen ein Kind in eine Pflegefamilie aufgenommen wird, sind sehr unterschiedlich. Sie spielen für das Meldewesen im Ergebnis auch keine Rolle. Dennoch schildern wir einige typische Konstellationen, damit die Situation von Pflegekindern und Pflegefamilien besser verständlich wird.
Vorab sei darauf hingewiesen, dass es hier nicht um Fälle geht, in denen die Adoption eines Kindes durch eine Familie vorbereitet werden soll. Es geht also nicht um „Adoptionspflegeverhältnisse“, die in Nr. 3.1.1.2 der Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundesmeldegesetzes (BMGVwV) behandelt sind. Mit solchen Adoptionspflegeverhältnissen befassen wir uns in diesem Newsletter nicht. Sie stellen ein eigenes Thema dar.
Manchmal ist es notwendig, ein Kind sehr schnell in einer Pflegefamilie aufzunehmen. Das ist etwa der Fall, wenn eine alleinerziehende Mutter wegen Unfall oder Krankheit plötzlich ins Krankenhaus muss und sonst niemand da ist, der sich um das Kind kümmert.
Ein solches sehr rasches Vorgehen bezeichnen die Jugendämter meist mit dem Fachbegriff der „Inobhutnahme“. Sie ist gesetzlich geregelt in § 42 Sozialgesetzbuch VIII (Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen). Sie soll eine akute Gefahrensituation für das Kind beseitigen und Zeit dafür gewinnen, den weiteren Hilfebedarf abzuklären. So könnte etwa im Beispiel der plötzlich erkrankten alleinerziehenden Mutter versucht werden, weiter entfernt wohnende Großeltern zu mobilisieren, die sich dann des Kindes annehmen.
Auf längere Zeit angelegt ist die Vollzeitpflege. Dabei wird ein Kind für längere Zeit (Monate oder auch Jahre) in einer Pflegefamilie untergebracht. Das erfolgt dann, wenn eine angemessene Erziehung und Betreuung des Kindes durch die eigenen Eltern längerfristig nicht möglich sind. Ein solcher Fall kann etwa vorliegen, wenn Vater und Mutter schwer drogensüchtig sind. Die Vollzeitpflege ist gesetzlich geregelt in § 33 Sozialgesetzbuch VIII (Vollzeitpflege).
Das Bundesmeldegesetz (BMG) enthält keine besonderen Regelungen für die Anmeldung von Pflegekindern. Auch die BMGVwV macht dafür keine besonderen Vorgaben. Wie schon erwähnt, befasst sie sich in Nr. 3.1.1.2 lediglich mit Adoptionspflegeverhältnissen, die aber nicht Gegenstand dieses Newsletters sind. Es ist deshalb auf die allgemeinen Regelungen für die Anmeldung zurückzugreifen.
Wir gehen im Folgenden davon aus, dass das Pflegekind das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Nur diese Konstellation behandeln wir.
Sollte ein Pflegekind ausnahmsweise zwischen 16 und 18 Jahren alt sein, wäre auf die allgemeinen Regelungen für die Anmeldung von Personen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr zurückzugreifen. Ihre Anwendung bereitet erfahrungsgemäß keine besonderen Probleme.
§ 17 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BMG lauten wie folgt: „Die An- oder Abmeldung für Personen unter 16 Jahren ob liegt denjenigen, in deren Wohnung die Personen unter 16 Jahren einziehen oder aus deren Wohnung sie ausziehen. Neugeborene, die im Inland geboren wurden, sind nur anzumelden, wenn sie in eine andere Wohnung als die der Eltern oder der Mutter aufgenommen werden.“
Daraus ergibt sich für Neugeborene, die nach der Geburt nicht in die Wohnung der Eltern oder der Mutter aufgenommen werden, sondern gleich zu einer Pflegefamilie kommen, hinsichtlich der Meldepflicht Folgendes:
Die Geburtsmeldung des Standesamts erfolgt gemäß Nr. 68.1.1 Satz 1 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (PStG-VwV) an die Haupt- oder alleinige Wohnung der beiden (leiblichen) Elternteile. Aufgrund dieser Meldung werden die Kinder damit zunächst im für die Haupt- bzw. alleinigen Wohnung der Eltern zuständigen Melderegister erfasst.
Solche Kinder müssen daher in der Wohnung der Pflegeeltern angemeldet werden, und zwar durch die Pflegeeltern, § 17 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BMG. Der „Zuzug“ erfolgt in diesen Fällen von der Anschrift der leiblichen Eltern zum Tag des tatsächlichen Einzugs des Kindes bei der Pflegefamilie.
Eine Zustimmung des Jugendamtes ist hierfür nicht erforderlich. Die Meldepflicht betrifft ohne Einschränkung die Pflegeeltern als die Personen, in deren Wohnung das Neugeborene aufgenommen wird. Das Jugendamt kann daher einer Anmeldung der Pflegekinder durch die Pflegeeltern auch nicht widersprechen.
Ebenso nicht erforderlich ist eine Zustimmung der leiblichen Eltern/der alleinerziehenden Mutter. Dies gilt auch dann, wenn sie Inhaber der elterlichen Sorge sind. Die Meldepflicht des Wohnungsinhabers ist rechtlich in keiner Weise mit der elterlichen Sorge verknüpft und auch nicht durch das elterliche Sorgerecht eingeschränkt.
Aus diesem in der Theorie völlig stimmigen Ablauf ergeben sich praktische Probleme für die Meldebehörde, die für die Wohnung der Pflegeeltern zuständig ist:
Die Geburtsmitteilung durch das Standesamt (siehe dazu § 17 Abs. 4 BMG) geht – wie bereits erwähnt – in solchen Fällen an die Meldebehörde, bei der die leiblichen Eltern/die leibliche Mutter mit Haupt- oder alleiniger Wohnung gemeldet sind.
Diese Meldebehörde, bei der die leiblichen Eltern/die leibliche Mutter mit Haupt- oder alleiniger Wohnung gemeldet sind, weiß jedoch nichts davon und kann auch nichts davon wissen, dass das Neugeborene nicht in die Wohnung der Eltern, sondern in einer anderen Wohnung, nämlich in der Wohnung der Pflegeeltern, aufgenommen worden ist.
Die für die Pflegeeltern zuständige Meldebehörde sollte deshalb mit der Meldebehörde, bei der die leiblichen Eltern/die leibliche Mutter mit Haupt- oder alleiniger Wohnung gemeldet sind, abklären, ob das Neugeborene dort in das Melderegister aufgenommen wurde. Das ist infolge der Geburtenmitteilung durch das Standesamt (siehe § 17 Abs. 4 BMG) ja regelmäßig der Fall. Eine solche Abklärung kann in der Praxis daran scheitern, dass die Anschrift der leiblichen Eltern/der alleinerziehenden Mutter sowohl bei den Pflegeeltern als auch bei der Meldebehörde, die für die Wohnung der Pflegeeltern zuständig ist, nicht bekannt ist. Teils sind die Jugendämter bereit, hier Hilfestellung zu leisten, teils unter Berufung auf ihre besondere Schweigepflicht jedoch auch nicht. Daran scheitert dann die Durchführung des Zuzugs des Kindes aus der Wohnung der leiblichen Eltern/der leiblichen Mutter. Dann bleibt nur der „Zuzug von unbekannt“, der aber möglichst gerade vermieden werden muss.
Sofern zumindest der Geburtsort des Kindes bekannt ist, kann bei dem hierfür zuständen Standesamt nachgefragt werden, ob bzw. an welche Meldebehörde die Geburtsmeldung erfolgte. Ergibt die Nachfrage bei dieser Meldebehörde, dass das betroffene Kind dort im Melderegister erfasst wurde, muss der Zuzug des Kindes von dort erfolgen.
Andere Kinder (also keine Neugeborenen) müssen ebenfalls in der Wohnung der Pflegeeltern angemeldet werden, und zwar durch die Pflegeeltern, § 17 Abs. 3 Satz 1 BMG.
Auch bei ihnen ist eine Zustimmung des Jugendamtes hierfür nicht erforderlich. Denn die Meldepflicht betrifft auch hier ohne Einschränkung die Pflegeeltern als die Personen, in deren Wohnung das Kind aufgenommen wird.
Auch bei diesen Kindern ist eine Zustimmung der leiblichen Eltern/der alleinerziehenden Mutter nicht erforderlich.
Soweit die bisherige Meldeanschrift des Kindes bekannt ist, erfolgt die auch sonst übliche Rückmeldung an die bisher zuständige Meldebehörde. Auch dies kann in der Praxis daran scheitern, dass die entsprechende Anschrift nicht bekannt ist und vom Jugendamt nicht herausgegeben wird. Insofern wird auf die weiteren Ausführungen unter Punkt 3.4 verwiesen.
3.6.1 Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 1 BMG
Es gilt zunächst einmal generell die allgemeine Regelung des § 17 Abs. 1 BMG, wonach die Anmeldung „innerhalb von zwei Wochen nach dem Einzug“ zu erfolgen hat.
Dies bedeutet, dass insbesondere bei Fällen der kurzzeitigen Inobhutnahme normalerweise schon wegen dieser Zweiwochenfrist keine Anmeldung erfolgen muss. Zwar wäre eine Anmeldung stets auch bereits unmittelbar nach der Aufnahme des Pflegekindes in die Wohnung der Pflegeeltern rechtlich möglich. Die Pflegeeltern können die Frist von zwei Wochen jedoch auch voll ausschöpfen.
3.6.2 Sechsmonatsfrist des § 27 Abs.2 BMG (Ausnahme von der Meldepflicht für Kurzzeitaufenthalte)
Sollte das Pflegekind nach der Aufnahme in die Wohnung der Pflegeeltern noch weiterhin in der Wohnung der leiblichen Eltern/der leiblichen Mutter gemeldet sein, gilt die Sechsmonatsregelung für Kurzzeitaufenthalte (so ein in der Praxis gängiger, im Gesetzeswortlaut jedoch nicht enthaltener Begriff). Das Pflegekind muss dann während der ersten sechs Monate seines Aufenthalts bei den Pflegeeltern nicht gemeldet werden. Nach Ablauf der sechs Monatsfrist ist es innerhalb von zwei Wochen bei der Meldebehörde anzumelden (siehe § 27 Abs. 2 Satz 2 BMG).
Berücksichtigt man zusätzlich zur schon behandelten Zweiwochenfrist, die generell für die Anmeldepflicht gilt, noch diese Sechsmonatsfrist, die eine Meldung für eine andere Wohnung im Inland voraussetzt, entsteht für viele Pflegekinder im Ergebnis keine Meldepflicht in der Wohnung der Pflegeeltern.
Sofern das Kind (gleichgültig, ob Neugeborenes oder anderes Kind bis 16) künftig ausschließlich bei den Pflegeeltern wohnt, ist die Wohnung bei den Pflegeeltern die alleinige Wohnung. Solche Fälle kommen in der Praxis in relevanter Zahl vor. Beispiel: Das Kind hat bisher bei seinen leiblichen Eltern gelebt. Der Vater wurde vor kurzem inhaftiert, die Mutter befindet sich in einer Drogentherapie. Die elterliche Wohnung war aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr zu halten und wurde aufgelöst.
Häufiger sind jedoch die Fälle, in denen ein Kind, das in einer Pflegefamilie aufgenommen wurde, auch noch bei seinen leiblichen Eltern wohnt. Hier kommt dann die allgemeine Regelung zur Anwendung, die die BMGVwV für Kinder unter 16 Jahren trifft. Sie lautet (siehe Nr. 17.3 Absatz 5 Sätze 1 und 2 BMGVwV):
„Bezieht ein minderjähriges Kind (unter 16 Jahre) eine Wohnung einer dritten Person, wohnt aber auch noch bei den Personensorgeberechtigten, so ist die dritte Person für die Anmeldung zuständig (§ 17 Absatz 3 BMG).
Bei den Personensorgeberechtigten hat das Kind dann seine Hauptwohnung und bei der dritten Person seine Nebenwohnung (§ 22 Absatz 2 BMG).“
„Dritte Person“ im Sinn dieser Regelungen sind bei Pflegekindern die Pflegeeltern, in deren Wohnung die Pflegekinder aufgenommen werden.
Wichtig ist vor allem, was in dieser Verwaltungsvorschrift nicht steht, aber in der Praxis dennoch manchmal hineingelesen wird:
Die Anmeldung bei der Pflegefamilie ist auch in solchen Fällen in keiner Weise von einer Zustimmung der Personensorgeberechtigten abhängig.
Die Personensorgeberechtigten haben keinen Einfluss darauf, welche Wohnung als Hauptwohnung und welche Wohnung als Nebenwohnung festgelegt wird. Dies ergibt sich vielmehr unmittelbar aus dem Gesetz (§ 22 Abs. 2 BMG).
Die Personensorgeberechtigten müssen von den Pflegeeltern nicht über die Anmeldung informiert werden.
Das Jugendamt hat weder bei der Anmeldung noch beim Fall bei der Festlegung von Haupt- und Nebenwohnung des Kindes ein Mitspracherecht.
Durch die Aufnahme als Pflegekind entsteht kein Kindschaftsverhältnis zu den Pflegeeltern. Die Kinder sind deshalb nicht in den Datensatz der Pflegeeltern aufzunehmen (keine Herstellung eines „Familienverbunds“!).
Da durch die Aufnahme als Pflegekind kein Kindschaftsverhältnis zu den Pflegeeltern entsteht, sind die Pflegeeltern auch nicht in den Datensatz des Pflegekindes aufzunehmen (keine Herstellung eines „Familienverbunds“ mit den Pflegeeltern!)
Wichtige Ausnahme hiervon: Sollte den Pflegeeltern durch gerichtliche Anordnung die gesetzliche Vertretung des Pflegekindes übertragen worden sein, sind sie als gesetzlicher Vertreter in den Datensatz des Kindes aufzunehmen (Speicherung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 9 BMG).
Zu beachten ist, dass das (Pflege-)kind aufgrund der Geburtsmitteilung des Standesamts im Datensatz der leiblichen Eltern/der leiblichen Mutter als minderjähriges Kind gespeichert ist (Speicherung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 16 BMG), insoweit also ein „Familienverbund“ besteht. Dass das Kind in eine Pflegefamilie aufgenommen wurde, ändert daran nichts. Diese Situation ist anders als bei der Adoptionspflege, die wir in diesem Newsletter jedoch nicht behandeln.
Die Pflegeeltern sollten darüber informiert werden, dass die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung (§ 51 Abs. 1 Satz 1 BMG) für das Kind möglich ist, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Bei Bedarf sollten sie sich hierzu mit dem Jugendamt besprechen.
Sofern das Jugendamt die Meldebehörde darauf hinweist, dass das Pflegekind von seinen leiblichen Eltern oder von anderen Personen auf keinen Fall gefunden werden darf, ist die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung von Amts wegen vorzunehmen. Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass in diesem Fall die Sperre gemäß Schlüssel 3 („…auf Antrag des Betroffenen oder von Amts wegen durch die Meldebehörde…“) und nicht die Sperre gemäß Schlüssel 11 („…auf Veranlassung einer Sicherheitsbehörde…“) der Anlage 1 zum Datensatz für das Meldewesen (DSMeld) eingetragen werden muss. In solchen Fällen liegt ein „ähnlich schutzwürdiges Interesse“ im Sinn von § 51 Abs. 1 BMG vor. Die Annahme, dass für das Pflegekind durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr entstehen kann, ist durch die Einschätzung des Jugendamts als der zuständigen Fachbehörde für Jugendhilfe ausreichend belegt. Zusätzliche Nachforschungen durch die Meldebehörde sind deshalb nicht erforderlich.
Völlig verfehlt wäre es, vor der Eintragung einer solchen Sperre die leiblichen Eltern/die leibliche Mutter anzuhören. Dies gilt auch dann, wenn sie Inhaber des Sorgerechts für das Kind sind. Die Sperre soll ja gerade verhindern, dass diese Personen das Kind finden können.
Zwar enthält das Melderecht keine Vorschriften speziell für Pflegekinder. Die allgemeinen Vorschriften des Melderechts reichen bei sachgerechter Anwendung jedoch völlig aus, um die Anmeldung von Pflegekindern ordnungsgemäß durchführen zu können. Etwa möglichen Gefährdungen von Pflegekindern kann durch die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung begegnet werden. Dabei ist besonders zu beachten, dass die Eintragung einer solchen Sperre von Amts wegen möglich ist.
Dr. Eugen Ehmann und Matthias Brunner
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