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ANHANG: Schreiben des BMI vom 08.09.2021
In dem Schreiben geht es um die vollständige Löschung eines Datensatzes im Melderegister. Damit ist gemeint, dass ein vorhandener Datensatz komplett „vernichtet“ wird. Beispiel: Die Meldebehörde stellt fest, dass für ein und dieselbe Person zwei Datensätze vorhanden sind.
Keine Bedeutung hat das Schreiben dagegen für folgende Fälle:
Die vollständige Löschung eines Datensatzes führt dazu, dass die betroffene Person aus dem Melderegister gewissermaßen „verschwindet“. Sie ist im Melderegister nicht mehr existent. Man sieht im Melderegister auch nicht mehr, dass die Person dort einmal registriert war.
Für die Meldebehörde selbst ist das zunächst kein Problem. Aus ihrer Sicht gibt es bei einer solchen Löschung zwei Möglichkeiten:
Entweder die Person existiert und existierte im Zuständigkeitsbereich der Meldebehörde tatsächlich nicht. Dann braucht die Meldebehörde auch keinen Datensatz für diese Person.
Dass die Meldebehörde kein Problem hat, gilt aber - wie schon gesagt - nur zunächst. Das dicke Ende folgt später (siehe dazu unten Nr. 4).
Probleme können bei einer vollständigen Löschung aber für andere Behörden entstehen, die Meldedaten von der Meldebehörde erhalten. Dies betrifft vor allem das Bundeszentralamt für Steuern. Es ist zuständig für die Vergabe der „Steuer-ID“, also für die Vergabe der „Steueridentifikationsnummer“ oder korrekt formuliert für die Vergabe der „Identifikationsnummer gemäß § 139b der Abgabenordnung (AO)“.
Damit es für eine Person eine Steuer-ID vergeben kann, erhält das Bundeszentralamt für Steuern Daten von den Meldebehörden. Das geschieht immer, wenn
eine Geburt im Melderegister gespeichert wird
So regelt es § 139b Abs. 7 Satz 1 AO.
Der zweite Fall (Speicherung einer Person im Melderegister, für die bisher noch keine Steuer-ID zugeteilt wurde) kommt in der Praxis dann vor, wenn eine Person aus dem Ausland zuzieht, die vorher noch nie in Deutschland gemeldet war (Fall des erstmaligen Zuzugs aus dem Ausland). Dass noch keine Steuer-ID zugeteilt wurde, kann auch vorkommen, wenn die Person in Deutschland geboren wurde, dort aber nie in einem Melderegister erfasst war. Beispiel: Eine Frau, die in Österreich wohnt, kommt lediglich zur Entbindung über die Grenze nach Deutschland, kehrt nach der Geburt aber mit dem Kind direkt aus dem Krankenhaus wieder nach Österreich zurück.
Doch welche Auswirkung hat die Löschung eines Datensatzes für das Bundeszentralamt für Steuern? Wenn die Meldebehörde einen Datensatz im Melderegister vollständig löscht, wird die früher erfolgte Datenübermittlung an das Bundeszentralamt für Steuern automatisch widerrufen. Dies führt dazu, dass dort auch die Steuer-ID der betroffenen Person gelöscht wird. Die betroffene Person ist dann aus der Sicht der Finanzbehörden verschwunden und nicht mehr greifbar.
Im Detail läuft das wie folgt ab – siehe dazu die Darstellung des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) unter Ziffer 13.12 seiner FAQ für Meldebehörden:
Die Meldebehörde, die einen Datensatz löscht, löst eine „Nachricht 0507“ an das BZSt aus.
Das BZSt quittiert die erfolgreiche Verarbeitung dieser Nachricht (also die Löschung der Steuer-ID und des dazugehörigen Datensatzes des Betroffenen aus der Datenbank über die steuerliche Identifikationsnummer) durch eine „Nachricht 0020“.
Diese Nachricht des BZSt enthält die Schlüsselangabe „3“. Sie hat die Bedeutung „Abmeldung oder Löschung durch das BZSt fachlich verarbeitet“.
Erst nach Eingang dieser Quittungsnachricht darf die Steuer-ID im Melderegister gelöscht werden.
In der Regel laufen diese Mechanismen automatisch im EDV-Programm der Meldebehörde ab. Dies bedeutet allerdings auch, dass sie kaum zu kontrollieren sind.
Die Nachricht der Meldebehörde an das BZSt erfolgt auf der Basis von „XMeld“. Siehe dazu die Erläuterungen unter Punkt 8.
Sobald das Bundeszentralamt für Steuern der betroffenen Person eine Steuer-ID zugeteilt hat, teilt sie die Steuer-ID der betroffenen Person schriftlich mit. Dass die Meldebehörde ihren Datensatz gelöscht hat, erfährt die betroffene Person normalerweise nicht. Eine entsprechende Information des Bundeszentralamts für Steuern erreicht sie meist nicht, deshalb wird sie die Steuer-ID auch weiterhin verwenden, beispielsweise gegenüber einem neuen Arbeitgeber. Das Problem: Die Finanzverwaltung kann Meldungen des Arbeitgebers mit dieser Steuer-ID jedoch nicht mehr verarbeiten, weil die Steuer-ID bei ihr nicht mehr vorhanden ist.
Damit beginnt das Chaos. Seine Folgen erreichen letztlich auch die Meldebehörden. Denn sowohl die Finanzverwaltung als auch die betroffene Person werden sich an die Meldebehörde wenden und auf Klärung des Sachverhalts drängen. Insbesondere wenn diese Aufforderung einen anderen Sachbearbeiter erreicht als den, der zuvor den Datensatz vollständig gelöscht hat, wird die Bereinigung des Vorgangs erfahrungsgemäß schwierig.
Als Ausgangspunkt muss sich die Meldebehörde bewusst machen, dass die vollständige Löschung eines Datensatzes immer auch die Löschung der Steuer-ID der betroffenen Person nach sich zieht (siehe dazu die Darstellung unter Punkt 3 zu Nachricht 0507). Das ist immer dann ein Problem, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorlagen, dass die betroffene Person eine Steuer-ID erhalten hat. Lagen dieser Voraussetzungen dagegen nicht vor, ist die Löschung der Steuer-ID unschädlich und berechtigt.
Berücksichtigt man dies, so gibt es nur drei seltene Fallgruppen, in denen die Meldebehörde durch die Nachricht 0507 an das BZSt die Löschung einer Steuer-ID auslösen darf:
Fallgruppe 1: irrtümlich erfasster erstmaliger(!) Zuzug einer betroffenen Person aus dem Ausland
Wichtig: Es geht nur um Fälle, in denen die Person scheinbar erstmals aus dem Ausland zugezogen ist, obwohl dies in Wirklichkeit gar nicht der Fall ist. Das kommt vor allem dann vor, wenn die Person behauptet, gerade erstmals aus dem Ausland zugezogen zu sein, obwohl sie in Wirklichkeit bereits an einem anderen Ort in Deutschland gewohnt hat und dort auch gemeldet war. Das hat folgende Hintergründe:
Wenn die Meldebehörde irrtümlich einen solchen erstmaligen Zuzug aus dem Ausland registriert hat, hätte die betroffene Person deshalb überhaupt keine Steuer-ID erhalten dürfen.
Wenn eine Person dagegen früher schon einmal in Deutschland gewohnt hat, hat sie aus diesem Anlass eine Steuer-ID erhalten. In einem solchen Fall wäre es falsch, die Löschung der ursprünglichen Steuer-ID (und den dazugehörigen Datensatz des Betroffenen aus der Datenbank über die steuerliche Identifikationsnummer) z.B. durch Löschung des alten Meldedatensatzes zu veranlassen. Das wäre rechtlich nicht korrekt. Eine Steuer-ID, die einmal zu Recht zugeteilt worden ist, bleibt nämlich für diese Person dauerhaft bestehen. Das gilt auch dann, wenn sie nach einem Wegzug ins Ausland unter Umständen erst nach Jahrzehnten wieder nach Deutschland zurückkehrt.
Die Speicherung einer Geburt im Melderegister führt dazu, dass die Daten der betroffenen Person an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelt werden. Dieses vergibt dann eine Steuer-ID für die betroffene Person. Die Steuer-ID gilt dabei dauerhaft für diese Person, selbst wenn sie irgendwann aus Deutschland wegzieht.
Jede Person wird nur einmal im Melderegister registriert.
Jede Person erhält auch nur eine einzige Steuer-ID (siehe § 139b Absatz 1 Satz 1 AO: „Eine natürliche Person darf nicht mehr als eine Identifikationsnummer erhalten.“)
Wenn für eine Person zwei Datensätze im Melderegister existieren, ist sie zu Unrecht doppelt registriert und hat auch zu Unrecht zwei Steuer-ID erhalten.
Wenn es um Ausländer geht, kommt es bei dieser Fallgruppe besonders häufig zu Pannen und zur unzutreffenden Löschung eines Datensatzes. Das gilt besonders für Asylbewerber. Überraschend viele Asylbewerber werden im Zusammenhang mit ihrer Einreise mehrfach unter verschiedenen Identitäten registriert. Die Ursachen dafür sind in der Regel banal. So ist die Schreibweise von Namen oft unsicher oder es kommt zu sprachlichen Missverständnissen. Gerade bei Asylbewerbern sollte deshalb nicht zu schnell davon ausgegangen werden, dass es sich bei mehreren Datensätzen um ein und dieselbe Person handelt. Der Sachverhalt muss hier besonders sorgfältig ermittelt werden. Das weitere Vorgehen (z.B. welcher der Datensätze – und somit auch welche der Steuer-IDs – gelöscht werden soll) sollte auch mit dem Bundeszentralamt für Steuern abgestimmt werden. Im Zweifel hat die Löschung eines Datensatzes zu unterbleiben.
Abschließend noch ein wichtiger Rat zu allen drei beschriebenen Fällen:
Bevor man übereilt mit der Löschung eines Datensatzes beginnt, sollte man stets die Anleitungen der EWO-Verfahrenshersteller heranziehen oder sich mit deren Hotline in Verbindung setzen. So gibt es beispielsweise vom bayerischen Dienstleister komuna GmbH eine Anleitung „VOIS|MESO Person doppelt im Bestand“. Sie erläutert ausführlich, wie Schritt für Schritt vorzugehen ist.
Manchmal ist eine tatsächliche Löschung des Meldedatensatzes vielleicht gar nicht erforderlich, weil es andere Lösungsmöglichkeiten (Stichwort: Konfliktfallbearbeitung) gibt. Denn die Meldebehörde muss bei der vollständigen Löschung eines Meldedatensatzes immer bedenken, dass nach der Löschung nichts mehr über diese Person (auch keine Information darüber, dass bzw. warum der Datensatz gelöscht wurde) mehr existiert. Wurden jedoch bis zum Zeitpunkt der Löschung Auskünfte oder Bescheinigungen erteilt, können Nachfragen diesbezüglich möglicherweise gar nicht mehr nachvollzogen werden.
Das Schreiben des BMI nennt drei Fallgruppen, bei denen es häufig zu einer unzulässigen Löschung des vollständigen Datensatzes kommt:
Fallgruppe 1: Löschung zur Reduzierung des Arbeitsaufwandes der Meldebehörde
Gerade bei Ausländern kommt es immer wieder vor, dass ein Datensatz vorhanden ist, der zahlreiche Fehler enthält. Dazu kommt es vor allem dann, wenn bei der erstmaligen Registrierung im Melderegister keine Ausweispapiere oder Personenstandsurkunden vorlagen, solche Dokumente aber später zugänglich werden.In seinem Schreiben bezieht sich das BMI auf „XMeld“ bzw. die „XMeld-Spezifikation“, ohne dies zu erläutern. Dies hat bei uns zu mehrfachen Nachfragen geführt, ob es sich dabei um eine neue Rechtsvorschrift handelt. Das ist nicht der Fall. Es geht vielmehr um EDV-technische Vorgaben für den Datenaustausch. Allerdings ist in einer ganzen Reihe von Rechtsvorschriften angeordnet, dass diese Vorgaben beim Datenaustausch beachtet werden müssen (siehe beispielsweise § 2 der Ersten Bundesmeldedatenübermittlungsverordnung, die unter anderem das Rückmeldeverfahren zwischen den Meldebehörden regelt). Die Einzelheiten sind nur für EDV-Spezialisten interessant. Deshalb beschränken wir uns auf einige allgemeine Hinweise:
Als Basis für den Datenaustausch zwischen verschiedenen EDV-Plattformen, auf denen unterschiedliche Programme laufen, dienen häufig die Vorgaben des Datenaustauschformats XML. Es eignet sich besonders für den Austausch von Texten (einzelne Wörter genauso wie längere Texte).
XML kann relativ problemlos für bestimmte Einsatzfelder angepasst werden. Für die elektronische Übertragung von Informationen zwischen Behörden in Deutschland wurde auf seiner Basis der Standard XÖV entwickelt.
Die Übertragung von Meldedaten zwischen Meldebehörden und im Verhältnis von Meldebehörden und anderen Behörden hat aufgrund der Struktur dieser Daten gewisse Besonderheiten. Um ihnen gerecht zu werden, wurde auf der Basis von XÖV das Austauschformat XMeld entwickelt.
Das „Fachmodul XMeld“ ist im Internet frei zugänglich. Schon der Umfang von fast 2000 Seiten dürfte allerdings von der Lektüre abschrecken. Auf Seite 18 ist definiert, was in XMeld mit dem Begriff „Stornierung“ gemeint ist. Es heißt dort: „Die „Stornierung einer Person“ ist das Entfernen eines Datensatzes, der unberechtigt oder fälschlicherweise im Melderegister geführt wird und dessen Daten vollständig entfernt werden müssen.“
Wer in einer Meldebehörde arbeitet, dem sind „XMeld-Nachrichten“ gut vertraut, etwa die häufige „905er-Nachricht“. Sie lassen sich bearbeiten, ohne dass man zum Fachmodul XMeld greifen müsste. Dennoch kann es interessant sein, zumindest einmal einen Blick in das Fachmodul zu werfen. Er wird deutlich machen, was alles „im Hintergrund“ ablaufen muss, damit die Melderegister funktionieren.
Dr. Eugen Ehmann und Matthias Brunner
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