rehm eLine auf dem Weg zur Barrierefreiheit – ein Werkstattbericht

Christine Fuß Leiterin Abteilung eBusiness bei rehm

Digitale Barrierefreiheit ist derzeit ein Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinnt und eine hohe Relevanz hat – auch für Fachverlage. Im Interview erläutert Christine Fuß, Leiterin der Abteilung E-Business der Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm, was die rechtlichen Vorgaben zur digitalen Barrierefreiheit für die Entwicklung der rehm eLine Produkte bedeuten und wie digitale juristische Fachinformationen für alle Anwenderinnen und Anwender zugänglich gemacht werden können.

rehm: Warum haben Sie sich des Themas „Barrierefreiheit für rehm eLine“ angenommen?

Christine Fuß: Ein einfacher und schneller Zugang sowie eine hohe Benutzerfreundlichkeit stehen bei der Entwicklung unserer rehm eLine Produkte grundsätzlich im Vordergrund. Zusätzlich gibt es für unsere Kundinnen und Kunden aus der BITV 2.0 rechtliche Vorgaben, ihre internen elektronischen Verwaltungsabläufe und mobilen Anwendungen barrierefrei zu gestalten.

Obwohl es nicht einfach ist, exakt zu bestimmen, was alles unter „elektronische Verwaltungsabläufe“ fällt, war für uns klar, dass wir mit unserer elektronischen Produktlinie rehm eLine Vorreiter in Sachen Barrierefreiheit bei juristischen Fachinformationen sein wollen!
Unsere Aufgabe als Verlag ist es ja, mit Fachinformationen dazu beizutragen, dass juristische Fragestellungen rechtssicher beantwortet werden können. Das gehört zur regelmäßigen Routine im öffentlichen Sektor und wird zunehmend mit Unterstützung digitaler Informationsmedien erledigt.
In diesem Bewusstsein und mit unserem Anspruch, unsere Kundinnen und Kunden bestmöglich zu unterstützen, haben wir also begonnen, die mehr als 100 rehm eLine Lösungen – Kommentare, Rechtsprechung und Gesetzgebung – nach den notwendigen rechtlichen Anforderungen barrierefrei zu gestalten. Dabei muss man wissen: Digitale Barrierefreiheit kommt nicht nur eingeschränkten Nutzerinnen und Nutzern zugute! So war beispielsweise die vollständige Responsivität ein erster, auch technisch notwendiger Schritt, der die Nutzbarkeit von rehm eLine auf allen Geräten ermöglicht – vom Desktop bis zum Tablet.
Dass uns inzwischen vermehrt Nachfragen aus Bundes- und Landesbehörden erreichen, ob und wie wir Barrierefreiheit in unseren elektronischen Produkten umsetzen können, freut uns. Und bestätigt uns, den richtigen Weg für unsere Anwenderinnen und Anwender eingeschlagen zu haben.

Wie sind Sie an das Projekt herangegangen?

Als juristischer Fachverlag haben wir uns zunächst mit den rechtlichen Grundlagen und Erfordernissen auseinandergesetzt. Das Vertrautmachen mit den notwendigen Bestimmungen der Behindertengleichstellungsgesetze von Bund und Ländern sowie der Barrierefreien-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) gehörte zu den ersten Schritten, die wir unternommen haben. Parallel haben wir überprüft, was die rechtlichen Anforderungen in der Folge für unsere Plattform rehm eLine und die dort bereitgestellten Inhalte bedeuten. Beispielsweise benötigen Abbildungen Alternativtexte, damit deren Inhalt blinden und sehbehinderten Menschen zugänglich gemacht werden kann. Und es gibt Bestimmungen, wie Tabellen technisch umgesetzt sein müssen, damit sie mittels Screenreader korrekt wiedergegeben werden können. Wenn das Ergebnis dann lautet, dass man allein im Bereich Tarifrecht mehrere Tausend Tabellen hat, die nachbearbeitet werden müssen, schluckt man im Team schon erst mal.
Zur Projektorganisation lässt sich sagen: Wir haben unser Vorhaben als verlagsübergreifendes Projekt verstanden, bei dem von Beginn an Mitglieder aus allen Abteilungen und Disziplinen zusammengearbeitet und ihr Know-how eingebracht haben.

„Digitale Barrierefreiheit kommt nicht nur eingeschränkten Nutzerinnen und Nutzern zugute!“

Die Zusammenarbeit erfolgte mit der Stiftung Pfennigparade. Wie kam es zu der Kooperation, und wie darf man sich die Projektarbeit vorstellen?

Gerade zu Beginn des Projektes sind wir immer wieder auf grundsätzliche Fragen zur Umsetzung und Herangehensweise gestoßen. Zum anderen signalisierten uns Team-Mitglieder aus der Technik früh, dass sie sich einen Buddy wünschen, der klar sagen kann, ob z. B. die Umsetzung einer Funktion ins Barrierefreie gut gelungen ist oder ob’s noch holpert.
Ohne einen Partner mit hoher Expertise war uns die Gefahr zu groß, an den rechtlichen Anforderungen und auch der praktikablen Umsetzung für unsere Kundinnen und Kunden vorbeizuarbeiten. So haben wir uns unter den BITV-Prüfstellen in Deutschland, die zusammen den BIK-Prüfverbund bilden, auf die Suche nach professioneller Unterstützung gemacht. Und sie in der Stiftung Pfennigparade München gefunden.
In einem Kick-off-Termin hat uns die Stiftung Pfennigparade zunächst zum Umgang mit den rechtlichen Anforderungen beraten. Gemeinsam haben wir dann einen Fahrplan entwickelt, um rehm eLine Schritt für Schritt auf eine gute Zugänglichkeit zu trimmen.
Mit einem Team ausgebildeter IT-Expertinnen und -Experten an der Seite, die zum Teil selbst mit Behinderungen leben und assistive Technologien nutzen, konnten wir nicht nur die ersten Umsetzungen unserer Programmierung auf Herz und Nieren prüfen, sondern Neues von Beginn an barrierefrei denken. Ein weiterer Erfolgsbaustein war, dass sich das Team der Pfennigparade nahtlos in unsere agilen Entwicklungsabläufe integriert hat und wir keine Zeit und Energie in die Koordination separater Arbeitsgruppen investieren mussten.

Gab es Hürden im Entwicklungsprozess? Was waren besonders knifflige Aufgaben? Was hat Sie am meisten bewegt?

Der Einstieg in das Thema Barrierefreiheit war durchaus kein leichter. Wir arbeiteten uns lange an den erforderlichen Punkten für eine barrierefreie Internetseite ab, um dann in intensiven Gesprächen mit der Pfennigparade erkennen zu müssen, dass das nicht reicht. rehm eLine als Anwendung ist komplexer, verändert sich laufend und kann nicht zuletzt aufgrund der juristischen Inhalte zwar gut zugänglich, aber nie in allen Bereichen 100 % barrierefrei werden. Denken Sie z.B. an die Vorgabe „einfache Sprache“ – das ist im Bereich der Fachinformation schlicht nicht leistbar. Oder auch das bereits erwähnte Thema der Tabellen: Viele davon sind amtlich und können nur im Original und unverändert abgebildet werden. Wenn diese dann eine komplexe Verschachtelung aufweisen, können wir die Darstellung nicht eigenmächtig verändern, nur um den Kriterien zu genügen.
Eine besondere Erfahrung machten wir in der direkten Projektarbeit: Ein Teil des Teams erfasste einen Sachverhalt mit den Augen, ein anderer über einen Screenreader. Dazu muss man wissen, dass dieser zur erforderlichen Orientierung von Menschen mit Behinderungen sehr viel mehr Information transportiert, als auf dem Bildschirm tatsächlich zu sehen ist. Und das wiederum geschieht für die Ohren von Sehenden so atemberaubend schnell, dass wir in der Kommunikation erst lernen mussten, uns darauf einzustellen. Sich dabei immer wieder zusammenzufinden und Stück für Stück dem Ziel näherzukommen, war es dann auch, was das Team in positivem Sinn bewegt hat.

Was genau ist denn jetzt barrierefrei an der eLine?

Wir können heute schon einen Navigationsrahmen vorweisen, der sich vollständig barrierefrei bedienen lässt. Zusätzlich sind unsere Funktionen wie z.B. Suche, Verlaufsdarstellung, Notizen und Favoriten anlegen sowie die Sammeldruckmöglichkeiten mit assistiven Systemen bedienbar. Es gibt eine Kontrastversion, die Kriterien bei der Zoomfunktionalität werden erfüllt und eine Maus braucht es auch nicht mehr, um mit rehm eLine zu arbeiten – es wurde alles mit Tastaturbefehlen, sogenannten Access-Keys, ausgestattet.

Überzeugen Sie sich anhand unseres Beispielprodukts, welche barrierefreien Funktionen rehm eLine nach BITV 2.0 erfüllt.

Was wurde geprüft? Wofür wurde das Siegel verliehen?

Wir haben die gängigsten Szenarien von Anwenderinnen und Anwendern zusammengestellt, wenn sie mit rehm eLine arbeiten. Im Zentrum stand die Auffindbarkeit von Informationen über Suche und Trefferliste sowie alle Funktionen, die im Umgang mit den Inhalten zur Verfügung stehen. Dies alles sollte – so das gesetzte Ziel – auch für Menschen mit Behinderungen mittels unterstützender Screenreader-Software wie JAWS und NVDA gut anwendbar sein.
Den Weg dorthin hat die Stiftung Pfennigparade laufend mit Tests begleitet. Das Siegel drückt diesen Prüfprozess aus, der nach den Vorgaben der BITV 2.0 und speziell den Kriterien der EN 301 549 bewertet und dokumentiert wurde.

 

Das Projekt scheint noch nicht zu Ende zu sein… Wie sehen die weiteren Schritte aus?

Genaugenommen wird es auch kein Ende geben! Digitale Barrierefreiheit und Zugänglichkeit der Inhalte ist ein dauerhaftes Thema für Hüthig Jehle Rehm. Jede neue rehm eLine Funktion und jede neue Inhaltsform wie z. B. Videoformate werden wir barrierefrei denken und so zugänglich wie möglich umsetzen. Unser Fokus liegt jetzt auf der barrierefrei korrekten Darstellung der Sonderformen von juristischen Inhalten. Wir beschäftigen uns mit Verweisen, Fußnoten und finden eine Lösung für tief verschachtelte Inhaltsbäume – die weder für Menschen mit noch ohne Behinderungen die ideale Lösung sind. Und für die komplexe Tabellen-Thematik haben wir eine eigene Workshop-Reihe eingerichtet. Zusammenfassend kann man sagen, dass wir für alle Anwenderinnen und Anwender eine maximal nutzenorientierte Online-Lösung schaffen möchten. Die digitale Barrierefreiheit mit ihren rechtlichen Anforderungen hat dazu ein weiteres Stück beigetragen. Das auf Normen basierende Verwaltungshandeln ist eine fordernde Aufgabe. Unser Anspruch ist es, dabei alle Beschäftigten im öffentlichen Sektor mit rehm eLine bestmöglich zu unterstützen.

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