Die Verteilungskämpfe haben begonnen
„Mit einem Spardiktat finanziert man keinen gesellschaftlichen Fortschritt. Anstatt bei Frauen und Kindern den Rotstift anzusetzen, sollte der Bundesfinanzminister die Einnahmenseite stärken und in eine geschlechtergerechte Zukunft investieren,“ sagt Dr. Beate von Miquel, Vorsitzende des Deutschen Frauenrats.
Rückschritte in der Familienpolitik verhindern
Viele gleichstellungspolitisch drängende Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag sind akut bedroht. In Deutschland wächst auch anderthalb Jahre nach Amtsantritt der Fortschrittskoalition jedes fünfte Kind in Armut auf. Es braucht eine Kindergrundsicherung, die diesen Namen verdient, das bedeutet eine Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums und eine deutliche Erhöhung der Leistung. Die im Entwurf veranschlagten zwei Milliarden Euro werden dafür nicht ausreichen. Der DF fordert, die nötigen Haushaltsmittel für die Zukunft armutsbetroffener Kinder bereitzustellen.
Die Senkung der Einkommensobergrenze beim Elterngeld ist ein falsches Signal an Mütter und Väter, die Sorge- und Erwerbsarbeit partnerschaftlich teilen wollen. Mütter, die jetzt ihren Anspruch auf Elterngeld verlieren, sind während der Elternzeit vollständig vom Partner abhängig. Tradierte Geschlechterrollen werden so fortgeschrieben. Ums sie aufzubrechen muss, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, das Elterngeld mit zusätzlichen Partnermonaten und einer Familienstartzeit so weiterentwickelt und ergänzt werden, dass die Anreize für Väter steigen, sich um Kinder und Haushalt zu kümmern und Mütter früher in den Beruf zurückkehren.
Auch die Kürzungen bei den Frühen Hilfen für junge Familien in belasteten Lebenslagen um fünf Millionen Euro sind aus Sicht des DF nicht akzeptabel und stellen einen weiteren, massiven Rückschritt dar, der mit dem Ziel einer sozial ausgewogenen Familienpolitik nicht vereinbar ist
Gewaltschutz ausreichend finanzieren
Gewalt gegen Frauen ist eine Menschenrechtsverletzung. Die Bundesregierung will in dieser Legislaturperiode die Istanbul-Konvention vollständig umsetzen und die Finanzierung des Hilfesystems sichern. Mit den eingeplanten Mitteln kann die Ampel ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen. Die Projektmittel für Gewaltschutz- und Prävention müssen aufgestockt und erste Mittel für die Beteiligung des Bundes an der bedarfsgerechten Finanzierung des Hilfesystems eingeplant werden.
Pflegeversicherung gut ausstatten
Deutlich mehr Frauen als Männer werden zu Hause oder in Pflegeeinrichtungen gepflegt, zwei Drittel der pflegenden Angehörigen sind Frauen. Anstelle der geplanten Streichung beim Bundeszuschuss für die Pflegeversicherung in Höhe von 1 Mrd. Euro brauchen sie eine Stärkung der Pflegeversicherung mit einer soliden Finanzierung.
In Bildungsgerechtigkeit investieren
Im Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung soll vor allem beim BAföG gekürzt werden und damit bei der Bildungsgerechtigkeit und der Chancengleichheit. Zudem haben sich die Lebenslagen von Studierenden infolge der Corona-Pandemie und der hohen Inflation deutlich verschlechtert, daher lehnt der DF die Streichung entschieden ab. Gefordert ist eine geschlechtersensible Wissenschafts- und Forschungspolitik auf der Höhe der Zeit, zu der u.a. eine Strukturreform beim BAföG und die Angleichung des Grundbedarfs an den des Bürgergeldes gehören.
Kürzungen bei feministischer Außen- und Entwicklungspolitik verhindern
Die Ampel-Koalition und hier besonders die Bundesministerinnen für Auswärtiges und Entwicklungszusammenarbeit haben sich mit der Feministischen Außen- und Entwicklungspolitik zum Ziel gesetzt, Rechte, Repräsentanz und Ressourcen für Frauen und marginalisierte Gruppen zu stärken. Der Haushaltsplan 2024 konterkariert diese Ziele. Trotz des Ukrainekrieges und der globalen Klima- und Hungerkrisen, will die Ampel über eine halbe Milliarde bei der feministischen Entwicklungspolitik kürzen und über eine Milliarde bei der humanitären Hilfe und Krisenprävention als wichtige Eckpfeiler feministischer Außenpolitik. Diese Mittelstreichungen müssen zurückgenommen werden.
Mehr Steuergerechtigkeit und Investitionen in eine gute und geschlechtergerechte Zukunft
Statt an den Zukunftschancen von Frauen, Kindern und marginalisierten Gruppen zu sparen, muss der Staat seine Einnahmen erhöhen und in eine gute und geschlechtergerechte Zukunft investieren. Der DF fordert die Bundesregierung auf, für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. Dafür muss das Ehegattensplitting abgeschafft und die Lohn- und Einkommensteuer konsequent am Maßstab der Steuergerechtigkeit ausgerichtet werden. Steuerpflichtige sollen nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen. Die Privilegierung von Kapitaleinkünften muss beendet und die Abgeltungsteuer abgeschafft werden. Die ausgesetzte Vermögensteuer muss verfassungskonform wieder erhoben, Erbschaften und Schenkungen gerecht besteuert und die Finanztransaktionsteuer unverzüglich wieder eingeführt werden. Mit all diesen Maßnahmen würden die Einnahmen des Bundes steigen, die Finanzierung eines Haushaltes wäre gesichert – und eine zukunftsgefährdende Sparpolitik obsolet.
Quelle: Pressemitteilung des DF vom 7.7.2023
Rote Karte für die Gleichstellung
Der Verband berufstätiger Mütter (VBM) konstatiert: „Die Ampel zeigt Familien mit Kindern und Gleichstellung die Rote Karte – von Kindergrundsicherung über BAFöG bis Elterngeld!" Der VBM schreibt dazu: „Doppelwumms gegen Eltern mit Kindern, Familien und Gleichstellung! Das Vorhaben der Ampel aus dem Koalitionsvertrag Gleichstellung innerhalb dieses Jahrzehnts zu erreichen, scheint in weiter Ferne. Vor dem Hintergrund der noch immer andauernden Endlosschleifen zur Ausgestaltung und Ausstattung der Kindergrundsicherung – das ursprünglich wichtigste sozialpolitische Vorhaben aus dem Ampelvertrag zur Chancengleichheit aller Kinder und um Kinderarmut konsequent die Stirn zu bieten – kommt der nächste Doppelwumms gegen Familien und Gleichstellung: Zur Haushaltsberatung der heutigen Kabinettssitzung stehen u.a. Einschnitte beim BAföG an und die Streichung des Elterngeldes für besserverdienende Paare.
Die Verringerung der Einkommenshöhe für den Bezug des Elterngelds in 2021 von 500.000 auf 300.000 Euro je Paar haben wir als Verband mitgetragen, für die aktuelle angestrebte Herabsetzung der Einkommenshöhe auf 150.000 Euro je Paar haben wir allerdings kein Verständnis! Vor dem Hintergrund, dass das Elterngeld seit Einführung nicht erhöht wurde und es de facto daher inzwischen inflationsbedingt um ca. 35 % seit Einführung gekürzt ist, wie die mit über 66.000 Unterschriften sehr erfolgreiche Petition #ElterngeldHoch am Montag im Petitionsausschuss mit folgerichtigen Forderungen anschaulich darstellte, macht den Handlungsbedarf auch beim Elterngeld mehr als deutlich!
Das Elterngeld muss erhöht werden, anstelle über 60.000 Familien aus dem Elterngeldbezug auszuschließen, daher unterstützen wir nicht nur die Petition #ElterngeldHoch sondern auch die Petition #NeinZurElterngeld-Streichung!
Elterngeld ist zum einen ein wichtiger Hebel, Paare und Frauen zu ermutigen sich ihren Kinderwunsch tatsächlich zu erfüllen und zum anderen ist die faire Ausgestaltung des Elterngeldes nicht nur eine wichtige Lohnersatzleistung – sondern in den richtigen Höhen – auch ein Hebel, um mehr Väter für die Elternzeit und Elterngeldbezug zu gewinnen und somit ein wichtiger Beitrag zu Gleichstellung!
Wir brauchen endlich eine Kinderwillkommenskultur, ein Ende von Elterndiskriminierung und eine Abkehr der Kostendiskussion hin zur Investitionsentscheidung!
Jedes 5. Kind in Armut ist ebenso wenig hinnehmbar wie verpasste Selbstverwirklichungschancen durch die Bildungsmisere oder schlechte Bedingungen für Familiengründung als auch die UNvereinbarkeit von Beruf und Familie – weder für Kinder, berufstätige Eltern, Familien noch für unsere Volkswirtschaft!“ So appelliert Cornelia Spachtholz, Vorstandsvorsitzende Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) den Weg freizumachen für die notwendigen Investitionen für Kinder und Familien und führt weiter aus: „Dass gespart werden muss, steht außer Frage, ebenso wie die Notwendigkeit für Investitionen. Aber anstelle den Rotstift an der falschen Stelle anzusetzen, sollte über echte Umverteilung verhandelt werden: Die Abschaffung des Ehegattensplittings und die Umorganisation der zeitlich unbegrenzten und nicht an Betreuungs- oder Pflegeaufgaben gekoppelten beitragsfreien Mitversicherung in der Krankenkasse bieten soviel Einsparpotenzial, was an anderer Stelle dringend für Familiengründung, für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als auch für Bildung und Armutsbekämpfung gebraucht wird – wichtige Aspekte zur Chancengerechtigkeit, Gleichstellung und Zukunftsfähigkeit unseres Landes!“
Pressemitteilung des VBM vom 5.7.2023
Keine Kürzungen bei der digitalen Bildung
Wikimedia Deutschland und die GEW sind alarmiert über die am 3. Juli 2023 veröffentlichten Haushaltskürzungen für das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Von diesen betroffen sind auch Posten im Bereich digitale Bildung.
Damit werden laut Haushaltsplan die finanziellen Mittel für zentrale und langfristig angelegte Strukturentwicklungsprojekte wie der Digitalpakt 2.0 und der Digitale Bildungsraum (Nationale Bildungsplattform) um fast 50 % gekürzt. So sollen laut Tagesspiegel statt 206,2 Millionen Euro nur noch 108,5 Millionen zur Verfügung stehen. Auch Ausgaben für „Analysen, Planung und Datenerhebung für Grundsatzfragen in Bildung und Forschung und im Digitalen Wandel“ sollen deutlich gesenkt werden. Dabei bedürfte es dringend deutlich mehr Ressourcen für eine zeitgemäße Datenlage zur deutschen Bildungslandschaft. Die schon in der Woche zuvor entschiedene Verschiebung des Digitalpakts 2.0 als Folgeprogramm des Digitalpakt Schule auf 2025 gefährdet die Fortführung gerade auf den Weg gebrachter Projekte in der Schulpraxis.
„Die Bundesregierung schiebt die Anschlussregelung und -finanzierung des Digitalpakts Schule auf die lange Bank. Das bedeutet eine Förderlücke von mindestens sieben Monaten. Die Auswirkungen sind fatal: Dringend notwendige Investitionen an den Schulen fallen hinten runter. Für die Schulen muss Planungssicherheit gewährleistet sein, insbesondere wenn man IT-Personal langfristig gewinnen will. Statt das Tempo bei der Digitalisierung zu erhöhen, tritt die Bundesregierung auf die Bremse.“ (GEW-Vorstandsmitglieder Anja Bensinger-Stolze und Ralf Becker)
Quelle: Pressemitteilung der GEW vom 4.7.2023

