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Diskriminierung bei Stellenausschreibungen

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Überblick über die wichtigste Rechtsprechung zum Thema diskriminierende Stellenausschreibung.

Seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am 18.8.2006 hat sich die Rechtsprechung in einer Reihe von Entscheidungen mit diskriminierenden Stellenausschreibungen befasst.

Hier ein Überblick:

BAG vom 24.1.2013 – 8 AZR 429/11 – :

Sucht ein öffentlicher Arbeitgeber (hier: eine öffentlich-rechtliche Krankenhausträgerin) in einer an Berufsanfänger gerichteten Stellenanzeige für ein Traineeprogramm „Hochschulabsolventen/Young Professionells“ und lehnt er einen 36-jährigen Bewerber mit Berufserfahrung bei einer Rechtsschutzversicherung und als Rechtsanwalt ab, so ist dies ein Indiz für eine Benachteiligung wegen seines Alters.

Dieses Indiz könnte der öffentliche Arbeitgeber widerlegen, wenn er nur die Bewerber mit den besten Examensnoten in die Bewerber einbezogen hätte, weil er nach Art. 33 Abs. 2 GG Stellen nach Eignung, Befähigung und fachlicher  Leistung der Bewerber zu besetzen hatte. Der Arbeitgeber kann sich im Rahmen der ihm obliegenden Beweislast darauf berufen, dass er den Bewerber aufgrund seiner im Vergleich zu den Mitbewerbern schlechteren Examensnoten nicht in die eigentliche Bewerberauswahl einbezogen hat.

BAG vom 19.8.2010 – 8 AZR 530/09 – NZA 2010, 1412:

Stellenausschreibung für „junge“ Bewerber verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung.

Orientierungssätze:

1. Wird in einer Stellenanzeige ein „junger“ Bewerber oder eine „junge“ Bewerberin gesucht, so besteht grundsätzlich die Vermutung, dass ein abgelehnter Bewerber wegen seines Alters benachteiligt worden ist, wenn eine deutlich jüngere Person eingestellt wird.

2. Besteht ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung wegen einer gegen §§ 1, 7 AGG verstoßenden Benachteiligung, können die Tatsachengerichte nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG dem Benachteiligten eine angemessene Entschädigung in Geld zusprechen. Übersteigt eine solche angemessene Entschädigung drei Monatsverdienste, so ist sie nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG auf drei Monatsverdienste „zu kappen“, wenn der Bewerber auch bei einer benachteiligungsfreien Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Für diese Tatsache ist der Arbeitgeber beweispflichtig, wenn der Arbeitnehmer geltend gemacht hat, er hätte bei einer benachteiligungsfreien Auswahl den Arbeitsplatz erhalten.

3. Verlangt ein abgelehnter Bewerber Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG wegen entgangenen Verdienstes, so obliegt ihm die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er bei einer benachteiligungsfreien Auswahl den begehrten Arbeitsplatz erhalten hätte.

BAG vom 18.8.2009 – 1 ABR 47/08 – NZA 2010, 222 = ZTR 2010, 208:

Die Beschränkung des Bewerberkreises in einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung auf Arbeitnehmer im ersten Berufs-/Tätigkeitsjahr kann eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters darstellen.

Für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters i. S. des § 3 Abs. 2 AGG ist kein statistischer Nachweis erforderlich, dass eine bestimmte Altersgruppe durch die in Frage stehenden Kriterien tatsächlich wegen ihres Alters benachteiligt wird. Es ist ausreichend, wenn das Kriterium hierzu typischerweise geeignet ist.

Eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals kann durch ein legitimes Ziel und die Wahl von verhältnismäßigen Mitteln zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt werden.

Ein „grober Verstoß“ des Arbeitgebers gegen seine aus dem AGG sich ergebenden Pflichten liegt vor, wenn es sich um eine objektiv erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, wobei es auf ein Verschulden nicht ankommt. Die für das Merkmal des „groben“ Verstoßes i. S. von § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG bestehenden Grundsätze gelten insoweit auch im Rahmen des § 17 Abs. 2 Satz 1 AGG.

OLG Karlsruhe vom 13.9.2011 – 17 U 99/10 – NZA-RR 2011, 632:

Diskriminierende Ausschreibung wegen des Geschlechts:

Ohne weitere Zusätze ist der Begriff „Geschäftsführer“ keine geschlechtsneutrale, sondern eine männliche Berufsbezeichnung. Eine Stellenanzeige unter dieser Überschrift verletzt jedenfalls dann das Gebot zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung nach § 7 Abs. 1, § 11 AGG, wenn nicht im weiteren Text der Anzeige auch weibliche Bewerber angesprochen werden.

Die nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibung stellt ein Indiz dar, das eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lässt und zur Beweislastumkehr nach § 22 AGG führt. Der Arbeitgeber muss dann nachweisen, dass in dem „Motivbündel“, das die Auswahlentscheidung beeinflusst hat, das Geschlecht überhaupt keine Rolle gespielt hat. Dieser Nachweis ist nicht schon dadurch geführt, dass eine andere Bewerberin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde.

Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist ausgeschlossen, wenn die Bewerbung rechtsmissbräuchlich war, weil der Bewerber/die Bewerberin sich subjektiv nicht ernsthaft um die Stelle beworben hat oder objektiv für diese nicht in Betracht kam. Hierfür trägt der Arbeitgeber die Beweislast.

Bedient sich der Arbeitgeber zur Stellenausschreibung eines Dritten und verletzt dieser die Pflicht zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung, so ist dem Arbeitgeber dieses Verhalten in aller Regel zuzurechnen. Den Arbeitgeber trifft im Fall der Fremdausschreibung die Sorgfaltspflicht, die Ordnungsgemäßheit der Ausschreibung zu überwachen.

BAG vom 18.3.2010 – 8 AZR 77/09 – ZTR 2010, 237 = NZA 2010, 872:

In Ausnahmefällen kann eine auf Merkmale bezogene Ausschreibung zulässig sein, wenn das Unterscheidungsmerkmal sachlich gerechtfertigt ist.

Will eine Gemeinde die Stelle einer kommunalen Gleichstellungsbeauftragten deshalb nur mit einer Frau besetzen, weil zur Erbringung eines Teils der Tätigkeiten (z. B. Integrationsarbeit mit zugewanderten muslimischen Frauen) das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung ist, wird ein männlicher Bewerber nicht unzulässig wegen seines Geschlechts benachteiligt, wenn er nicht in die Bewerberauswahl für die zu besetzende Stelle einbezogen wird.

LAG Köln vom 21.1.2009 – 3 Sa 1369/08 – :

Veröffentlicht ein Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum eine größere Anzahl von Stellenanzeigen und unterlässt er dabei in Einzelfällen den Hinweis auf erwünschte Bewerbungen schwerbehinderter Menschen, so stellt dies kein im Rahmen des § 22 AGG erhebliches Indiz für ein diskriminierendes Verhalten dar.

Bernhard Faber
Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.

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