Equal Pay Day 2015: Rote Fahnen für faire Bezahlung
Auf die vielfältigen Ursachen der geschlechtsspezifischen Lohnlücke macht ganzjährig die durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte Kampagne des BPW Germany aufmerksam. Zum Equal Pay Day 2015 stellt sie das Schwerpunkthema Transparenz in den Fokus.
Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig beteiligt sich aktiv am Equal Pay Day und wird bei der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor sprechen. Bis Jahresende will sie ein Gesetz auf den Weg bringen, das dazu beiträgt, die Lohnungerechtigkeit über Transparenz- und Auskunftspflichten wirksam zu beseitigen: „Wir wollen ein Gesetz des Vertrauens auf Lohngerechtigkeit und kein Misstrauen. Frauen müssen darauf vertrauen können, dass sie fair bezahlt werden. Ich bin überzeugt: Transparenz und Lohngerechtigkeit nutzen gerade den Unternehmen: Faire Löhne sind Teil eines nachhaltigen Personalmanagements und helfen, gerade weibliche Fachkräfte zu binden und Mitarbeiter zu motivieren. Transparenz schafft Vertrauen und Rechtssicherheit“, so Schwesig.
Eine positive Bilanz zur Signalwirkung des diesjährigen Equal Pay Day lässt sich schon jetzt ziehen. Der BPW Germany verzeichnet unter www.equalpayday.de eine wachsende Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen an über 1.000 Aktionen in ganz Deutschland und zählte allein in der ersten Märzhälfte rund 6.000 Medienbeiträge.
„Das aktuelle Schwerpunktthema Transparenz wird breit aufgegriffen und kontrovers diskutiert“, sagt Henrike von Platen, Präsidentin des Frauennetzwerks. „Allein diese Debatte führt dazu, dass das gesellschaftliche Tabu, über das eigene Gehalt zu sprechen, ein Stück aufgebrochen wird. Unter dem Motto ´Spiel mit offenen Karten: Was verdienen Frauen und Männer?´ fordern wir außerdem klare Regeln für die Arbeitsbewertung im Unternehmen. Beides sind Voraussetzungen, damit in Zukunft auch Frauen beim Gehaltspoker gewinnen.“
Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, war im Jahr 2014 der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen in Deutschland um 22 Prozent niedriger als der von Männern. Damit hat sich der unbereinigte Gender Pay Gap, der auf der Basis von 1,9 Millionen sozialversicherten Beschäftigten errechnet wird, im Vergleich zu den Vorjahren kaum verändert.
„Der Prozentsatz ist ein Kernindikator für die fortbestehende Ungleichbehandlungen von Frauen im Erwerbsleben, auch wenn er durch strukturelle Merkmale, zum Beispiel die verschiedenen Branchen, in denen Frauen und Männer tätig sind, zustande kommt“, erklärt Henrike von Platen. „Denn auch diese können das Ergebnis benachteiligender Strukturen wie schlechtere Zugangschancen zu bestimmten Berufen oder Karrierestufen sein.“
Zu den weiteren Ursachen für die Verdienstunterschiede zählen im Wesentlichen die schlechtere Bezahlung in frauendominierten Dienstleistungsberufen, die Einkommenseinbußen durch familienbedingte Erwerbsunterbrechungen sowie Fehlanreize für das Erwerbsverhalten von Frauen wie das Ehegattensplitting oder die Lohnlücke selbst.
Aufruf des djb gegen den Gender-Pay-Gap
Anlässlich des Equal Pay Days rief auch der Deutsche Juristinnenbund (djb) die EU zu konsequenter Durchsetzung des Grundsatzes "Gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit" auf.
Die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 7. März 2014 zur Förderung des Prinzips der Entgeltgleichheit durch mehr Transparenz ist laut djb ein richtiger Ansatz, Transparenz und Appelle allein reichten aber nicht aus. Die EU-Mitgliedstaaten werden zwar aufgefordert, konkrete Maßnahmen zur Herstellung der Entgeltgleichheit zu ergreifen. Sie werden aber insbesondere nicht verpflichtet, Sanktionen gegen Unternehmen vorzusehen, die Frauen schlechter bezahlen als Männer. Außerdem ist es aus Sicht des djb notwendig, ein Verbandsklagerecht einzuführen.
"Eine Entgeltdifferenz von 22 Prozent pro gearbeiteter Stunde zwischen Männern und Frauen in Deutschland ist überhaupt nicht akzeptabel", betont Ramona Pisal, Präsidentin des djb. "Solche eklatanten und verfestigten Missstände ändert man nicht mit "soft law", dafür muss eine verbindliche Gesetzgebung her. Die Empfehlung ist nicht rechtsverbindlich und weder im Europäischen Rat, im Europäischen Parlament noch in den nationalen Parlamenten diskutiert worden. So wird es nicht vorangehen. Die Frauen Europas brauchen ein entschlossenes, für sie handelndes Europa."
Hintergrund: Gender Pay Gap in Führungspositionen der Privatwirtschaft
Der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern hat etwas abgenommen, liegt aber nach wie vor auf hohem Niveau: Im Jahr 2013 erhielten in Vollzeit angestellte Frauen in Führungspositionen der Privatwirtschaft mit 22 Prozent rund ein Fünftel weniger Bruttogehalt als Männer mit solchen Tätigkeiten. Im Jahr 2012 lag die geschlechtsspezifische Verdienstlücke, der sogenannte Gender Pay Gap, bei 24 Prozent, im Jahr 2002 bei 26 Prozent. Das zeigen Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Basis von Daten der Langzeitstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP).
„Die Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und ihre höhere Belastung, Familien- und Berufsleben zu vereinbaren, sind wichtige Gründe für den Gender Pay Gap, die unsere Gesellschaft dringend beheben muss“, erklärt Elke Holst, DIW-Forschungsdirektorin für Gender Studies. Der Verdienstunterschied zwischen allen in Vollzeit erwerbstätigen Frauen und Männern insgesamt lag bei den Bruttostundenlöhnen nach Angaben des Statistischen Bundesamts im Jahr 2013 bei 17 Prozent.
Während Männer in Führungspositionen (einschließlich Fachkräfte in hochqualifizierten Tätigkeiten) den Berechnungen zufolge im Jahr 2013 durchschnittlich rund 5.100 Euro verdienten, waren es bei Frauen durchschnittlich 4.000 Euro. Diese Differenz von mehr als einem Fünftel lässt sich kaum durch kürzere Arbeitszeiten von Frauen erklären: Vollzeitbeschäftigte Frauen in Führungspositionen arbeiteten mit durchschnittlich 45,4 Stunden nur rund anderthalb Stunden oder drei Prozent weniger als vollzeitbeschäftigte Männer.
Auch die Geschlechtstypik der ausgeübten Berufe, also die Frage, ob es sich eher um Frauen-, Misch- oder Männerberufe handelt, ist nicht die Ursache für den Gender Pay Gap bei Führungskräften. Vielmehr spielt die Berufserfahrung für das Einkommen von Führungskräften eine zentrale Rolle. Frauen leisten in Partnerschaften noch immer einen größeren Teil der Familien- und Hausarbeit und unterbrechen ihre Erwerbsarbeit viel öfter als Männer oder sind in Teilzeit beschäftigt.
Dies gehe einher mit der Zuschreibung geringerer Kompetenz- und Leistungserwartungen und münde oft in sogenannter statistischer Diskriminierung von Frauen am Arbeitsmarkt und bei der Besetzung von Top-Positionen, argumentiert die Ökonomin. „Um gleiche Verdienstchancen von Frauen und Männern zu fördern, ist auch mehr Transparenz nötig“, so Holst.
„Oft sind der übliche Verdienst, Boni oder andere Prämien insbesondere für hohe Positionen nicht bekannt, so dass betroffene Frauen kaum wissen, dass sie hinsichtlich des Verdienstes unter ihrem Potential bleiben.“
Unterschiede zwischen Ost und West
Im Jahr 2014 blieb der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern im Vergleich zu den Vorjahren mit 22 Prozent konstant. Das Statistische Bundesamt teilte mit, dass Frauen einen durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 15,83 Euro erzielen, Männer dagegen 20,20 Euro.
Sowohl hinsichtlich des Niveaus als auch der Entwicklung bestehen dabei deutliche Unterschiede zwischen dem früheren Bundesgebiet und den neuen Ländern. So betrug 2014 der unbereinigte Gender Pay Gap in den neuen Ländern 9 Prozent, während er im früheren Bundesgebiet bei 23 Prozent lag. In den letzten fünf Jahren sind die Verdienstunterschiede in Ostdeutschland damit um 3 Prozentpunkte gestiegen. Im früheren Bundesgebiet ist der geschlechterspezifische Verdienstunterschied dagegen seit 2009 um 1 Prozentpunkt gesunken.
Quellen:
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Pressemitteilung des BPW vom 19.3.2015
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Pressemitteilung des djb vom 19.3.2015
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Pressemitteilung des DIW vom 16.3.2015
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Anne Busch und Elke Holst (2013): Geschlechtsspezifische Verdienstunterschiede bei Führungskräften und sonstigen Angestellten in Deutschland: Welche Relevanz hat der Frauenanteil im Beruf? In: Zeitschrift für Soziologie. Jg. 42. Heft 4. S. 315–336
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Mitteilung von destatis vom 16.3.2015
Hinweis:
Das Dossier des BMFSFJ zur Entgeltgleichheit finden Sie hier.

