Hate Speech und digitale Gewalt gegen Frauen
Unter dem Titel »Hate Speech und digitale Gewalt gegen Frauen« diskutierten Renate Künast, MdB, Anna-Lena von Hodenberg, Geschäftsführerin HateAid und Rechtsanwältin Verena Haisch am 4. November 2019 bei einer Veranstaltung der Vertretung der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund in Kooperation mit dem Deutschen Juristinnenbund e.V. (djb). Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesjustizministerium führt mit einem Impulsvortrag in die Diskussion ein.
Im Fokus stand die Frage, wie es zu einer Entscheidung wie im Fall von Renate Künast gegen Facebook kommen konnte. Welche rechtlichen Handlungsmöglichkeiten gibt es und reicht das Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität, das die Bundesregierung nach dem Anschlag in Halle/Saale beschlossen hat, aus?
Staatsrätin Almut Möller: „Hamburg ist beim Kampf gegen „Hate Speech“ aktiv, denn hier besteht eine Gefahr für die Meinungsfreiheit und die Demokratie. Der Hamburger Senat hat dies schon seit langem erkannt und geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung initiiert und unterstützt. Neben Strafverfolgung wollen wir aber auch die Nutzerinnen und Nutzer stärken. Hier muss es baldmöglichst eine Online-Beratungsstelle des Bundes geben, die den Betroffenen Beratung und Unterstützung bei der Rechtsdurchsetzung bietet. Eine entsprechende Initiative hat Hamburg gerade eingebracht.“
Die Präsidentin des djb, Prof. Dr. Maria Wersig, erklärt: „Der Schutz vor Gewalt in allen Formen ist eine staatliche Pflichtaufgabe. Bei Hassreden im Netz besteht ein Dreiklang von Antifeminismus, Sexismus und Rassismus, der die politische Kultur in Deutschland bedroht und reale Folgen für die Betroffenen hat. Der Deutsche Juristinnenbund setzt sich mit aktuellen rechtspolitischen Forderungen für einen wirksamen Schutz vor allen Formen von Hass im Netz ein.“
BMJV-Staatssekretär Gerd Billen erklärte in seinem Impulsvortrag: „Sexistische Beleidigungen, Phantasien von sexueller Gewalt, Vergewaltigungsdrohungen: Der Hass, der sich im Netz Bahn bricht, zielt längst besonders auf Frauen.
Hasskriminalität ist unter keinen Umständen hinnehmbar. Wir müssen viel klarere Grenzen setzen: Daher hat die Bundesregierung ein umfassendes Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität beschlossen. Wer im Netz hetzt und droht, wird künftig härter und effektiver verfolgt. Plattformen werden nicht mehr nur löschen, sondern strafbare Posts dem Bundeskriminalamt melden müssen. Wichtig ist auch, dass Betroffene von Angriffen im Netz nicht länger allein gelassen werden und die nötige Unterstützung erhalten, um sich zur Wehr zu setzen. Initiativen wie HateAid unterstützen wir. Sie leisten hierzu einen wertvollen Beitrag.“
djb fordert umfangreiche Maßnahmen gegen Hate Speech
Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) fordert von der Bundesregierung unverzügliches und umfassendes Handeln, um Hass im Netz entgegen zu treten und stärker zu sanktionieren. Dabei muss auch die lange vernachlässigte Geschlechterdimension in den Blick genommen werden. „Frauen sind mehr und anders von Hate Speech betroffen als Männer!“, so die Präsidentin des djb, Prof. Dr. Maria Wersig. „Der Fall Renate Künast hat es noch einmal gezeigt: Frauen riskieren im Netz sexualisierte Angriffe – sexistische Anmache, pornografische Pöbeleien, die Androhung von Vergewaltigungen bis hin zu Morddrohungen. Dies ist nicht nur eine schwere Belastung für die Betroffenen, es verdrängt sie auch aus dem digitalen Raum. Das darf der Staat nicht hinnehmen, es geht um die Meinungsfreiheit, den Schutz vor Gewalt, die Grundfesten unserer Demokratie werden berührt!“
Das von der Bundesregierung beschlossene Maßnahmepaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität ist nach Einschätzung des djb völlig unzureichend. Zwar gehen einige der noch wenig konkreten Eckpunkte in die richtige Richtung: So ist es begrüßenswert, wenn die strafrechtlichen Regelungen zu Hasskriminalität, insbesondere auch zu Beleidigung, den Besonderheiten des Netzes angepasst würden; auch wird der Ausbau der Präventionsprogramme befürwortet. „Es muss aber nicht nur gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sensibilisiert werden, ebenso notwendig ist es, dem massiven Antifeminismus der Täter Rechnung zu tragen! Der Anschlag in Halle/Saale, aber auch vergleichbare Terrorakte vorher haben gezeigt, dass in den diffusen Manifesten der Attentäter Frauenfeindlichkeit eine entscheidende Rolle spielt. Es gibt einen Dreiklang von Antisemitismus, Rassismus und Antifeminismus!“, so Wersig.
Forderungskatalog des djb
In seinem aktuellen Forderungspapier „Mit Recht gegen Hate Speech – Bekämpfung digitaler Gewalt gegen Frauen“ benennt der djb einen umfangreichen Forderungskatalog:
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Prioritär ist, wie vom djb bereits mehrfach gefordert, die Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Eine Vereinfachung und Vereinheitlichung des Meldeverfahrens, gesetzliche Vorgaben für die Transparenzberichte, die Verankerung eines Put-Back-Verfahrens, eine normative Klarstellung zur sachlichen Zuständigkeit der Zustellungsbevollmächtigten, eine Prüfung der Erweiterung der bisher erfassten Plattformen, ein individueller Auskunftsanspruch gegenüber den Plattformbetreiber*innen entsprechend dem Urheberrecht und ihre Pflicht, sämtliche Kopien von rechtswidrigen Äußerungen zu suchen, zu entfernen oder zu sperren. Unverzichtbar für eine geschlechtergerecht sachliche Evaluierung des Gesetzes ist eine geschlechtsspezifische Aufschlüsselung der Daten.
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Der djb begrüßt grundsätzlich die Idee eines digitalen Gewaltschutzgesetzes, das in einem richterlichen Verfahren die Löschung und/oder (zeitweilige) Sperrung von Accounts ohne Klarnamenpflicht ermöglicht. Unverzichtbar ist hier die Verbandsklage.
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Im Strafrecht fordert der djb, Hate Speech im digitalen Raum als Beleidigungsdelikt auch ohne Strafantrag der verletzten Person zu verfolgen, wenn dies den Interessen der verletzten Person nicht widerspricht. Dabei können auch für Beleidigungsdelikte eine Melde- und Beweissicherungspflicht sowie eine Speicherpflicht der Plattformbetreiber*innen erforderlich sein. Die flächendeckende Einführung von Sonderstaatsanwaltschaften ist ebenso notwendig wie eine intensive Fortbildung von Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz.
Außerdem muss die polizeiliche Definition von sogenannter »Hasskriminalität« um das Merkmal „Geschlecht“ ergänzt werden. Im Übrigen verweist der djb auf seine schon bisher erhobene Forderung, das Opferentschädigungsgesetz auch auf Opfer psychischer Gewalt mit schweren Folgen auszuweiten. Dies ist für Betroffene von Hate Speech, die häufig mit erheblichen psychischen Folgen durch die Angriffe belastet sind, von großer Bedeutung.
Weitere Informationen:
djb-Policy Paper „Mit Recht gegen Hate Speech – Bekämpfung digitaler Gewalt gegen Frauen“ vom 4. November 2019, https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/ASDigi/st19-23/
Quelle: Pressemitteilungen des djb vom 4.11.2019
Inhalt des beschlossenen Maßnahmenpakets
Die wesentlichen Inhalte des beschlossenen Maßnahmenpakets gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität:
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Zur effektiveren Bekämpfung der Hasskriminalität im Internet soll eine Meldepflicht für Provider nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz an eine neu zu errichtende Zentralstelle im BKA eingeführt werden.
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Zudem soll eine Auskunftsbefugnis gegenüber Telemediendiensteanbietern im BKA-Gesetz und der Strafprozessordnung geschaffen werden.
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Gegenwärtige Regelungen des Strafgesetzbuches mit Bezug zu Gewalt und Hasskriminalität sollen ergänzt und erweitert werden.
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Das Waffenrecht soll verschärft werden. Insbesondere soll bereits die bloße Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit führen sowie eine Regelabfrage der Waffenbehörden bei den Verfassungsschutzbehörden eingeführt werden. Außerdem sollen Verschärfungen des Sprengstoffrechts geprüft werden.
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Die Bearbeitung im Bereich des Rechtsextremismus soll im Verfassungsschutz weiter intensiviert werden.
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Das Melderegister soll durch gesetzliche Änderungen angepasst werden, um den Schutz von Personen, die durch Gewalt gefährdet werden, zu gewährleisten.
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Ferner sollen vorhandene Präventionsprogramme unter Berücksichtigung von Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ausgebaut und deren finanzielle Förderung auf hohem Niveau verstetigt werden. Für das Programm „Demokratie leben!“ bedeutet das, dass die Mittel in der Finanzplanung bis 2023 fortgeschrieben werden. Das Bundesinnenministerium und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend werden zusätzliche rechtliche und konzeptionelle Strukturen prüfen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer betont: „Das Signal ist klar: Wir handeln und lassen unseren Worten Taten folgen.“
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht unterstreicht: „Rechtsextremismus und Antisemitismus treten wir mit allen Mitteln des Rechtsstaats entgegen.“
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey sagt: „Was viele Engagierte tagtäglich vor Ort für Demokratie, gegen Hass und Gewalt leisten, braucht noch mehr strukturelle und finanzielle Absicherung. Demokratieförderung und Extremismusprävention ist nichts, was man mal macht und dann wieder lässt, sondern sie ist eine Daueraufgabe. Und sie gelingt dann noch besser, wenn klar ist, dass Projekte kontinuierlich und verlässlich ausgestattet und unterstützt werden können.“
Quelle: Pressemitteilung des BMFSFJ vom 30.10.2019

