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Trennungstötungen und Femizide

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Jüngst hat sich der 5. Strafsenat des BGH zur Einstufung von Trennungstötungen als Mord geäußert. Zum anderen wurde vom Bundesrat am 7.7.2023 eine Erweiterung der Strafzumessungsnorm im StGB beschlossen.

Neue rechtliche Entwicklungen zu Trennungstötungen und Femiziden

Darum geht es: Der Begriff „Femizid“ (Engl. femicide) bezeichnet Tötungsdelikte an Frauen*, denen eine geschlechtsbezogene Motivation zugrunde liegt. Hierzu gibt es neue Entwicklungen in Rechtspolitik und Rechtsprechung. Jüngst hat sich zum einen der 5. Strafsenat des BGH (BGH, 6.12.2022 – 5 StR 479/22) zur Einstufung von Trennungstötungen als Mord geäußert. Zum anderen wurde vom Bundesrat am 7.7.2023 eine Erweiterung der Strafzumessungsnorm im StGB beschlossen, der „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive bei der Tatbegehung berücksichtigt.

1. Geschlechtsspezifische Motivation

Femizide werden häufig durch ehemalige (Intim-)Partner begangen. Der Hintergrund solcher Taten sind sexistische und misogyne Macht-, Besitz- und Kontrollansprüche gegenüber Frauen (z.B. Ablehnung eines selbstbestimmten Lebens für Frauen). Aber auch andere Tötungsdelikte können eine hauptsächlich geschlechtsspezifische Motivation haben (z.B. Ablehnung geschlechtlicher Vielfalt).

2. Erweiterung der Strafzumessung „geschlechtsspezifische“ sowie „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive

Am 7.7.2023 wurde vom Bundesrat der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (BT-Drucks. 20/5913; BT-Drucks. 20/7026) beschlossen. Mit dem Gesetz werden die Strafzumessungstatsachen nach § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB um „geschlechtsspezifische“ sowie „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive ergänzt. Dies soll dazu beizutragen, vor allem Gewalttaten gegen Frauen und LGBTI*-Personen, was auch Femizide umfasst, zu sanktionieren.

Laut der Gesetzesbegründung soll der Begriff „geschlechtsspezifisch“ nicht nur die unmittelbar auf gruppenbezogenen Hass gegen Menschen eines bestimmten Geschlechts beruhende Beweggründe erfassen, sondern auch generell die Fälle einbeziehen, in denen die Tat von Vorstellungen geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit geprägt ist (BT-Drucks. 20/5913, S. 64).

Die Aufnahme des Merkmals der geschlechtsspezifischen Beweggründe in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB ist laut der Gesetzesbegründung als Hinweis an die Rechtspraxis zu verstehen, eine entsprechende Motivationslage insbesondere bei Straftaten zu Lasten von Frauen und gerade bei Beziehungstaten stärker zu berücksichtigen (BT-Drucks. 20/5913, S. 64).

In der Rechtsprechung zu Sexualstraftaten wurde eine Intimbeziehung zwischen Opfer und Täter in der Strafzumessung bisher oft nicht strafschärfend, sondern häufig sogar strafmildernd gewertet (vgl. BGH, 21.7.2015 – 3 StR 217/15; 10. 9.2009 – 4 StR 366/09; BGH, 21.1.2003 – 4 StR 414/02). Dem wird mit der Erweiterung der Strafzumessung um „geschlechtsspezifische“ sowie „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive nun begegnet.

3. Änderung der BGH-Rechtsprechung zu Femiziden?

Die Rechtsprechung zu sog. Femiziden oder Trennungstötungen hängt vom Einzelfall ab und war bisher nicht einheitlich. Im Bereich der Trennungstötungen ist für die strafrechtliche Einordnung als Mord (§ 211 StGB) oder als Totschlag (§ 212 StGB) maßgeblich, ob das Mordmerkmal der „niedrigen Beweggründe“ (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB) vorliegt. Hier nahm der BGH u.a. an, dass Beweggründe als „niedrig” zu werten sind, „wenn [...] die Trennung von dem Tatopfer ausgeht und der Angekl. durch die Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will“ (BGH, 15.5.2003 – 3 StR 149/03).

Jüngst wendete sich der 5. Strafsenat des BGH in einem Beschluss vom 6.12.2022 (BGH, 6.12.2022 – 5 StR 479/22) teilweise gegen diese Rechtsprechung und hielt fest, dass eine opferseitige Trennung „für sich gesehen kein gegen die Annahme niedriger Beweggründe sprechendes Indiz“ sei (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB).

4. Praxistipp

Rechtspolitisch Interessierten und Praktiker*innen ist ein Blick in die Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Überarbeitung des Sanktionenrechts (BT-Drucks. 20/5913, S. 64 ff.) zu empfehlen, da dieser die rechtspolitische und rechtswissenschaftliche Debatte ausführlich nachzeichnet und zusammenfasst.

Aufgrund der aktuellen Entwicklung in Rechtsprechung und Gesetzgebung sollte die Rechtspraxis menschenverachtende Gewalttaten nun auch auf ihre geschlechtsspezifischen Dimensionen hin untersuchen und würdigen.

5. Weitere Hinweise

Tessa Hillermann

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