Zehn Jahre Istanbul-Konvention: Gewaltschutzabkommen endlich umsetzen!
„Die Sicherheit von Frauen und Mädchen ist eine Frage der inneren Sicherheit in Europa und muss als solche hohe politische Priorität haben,“ erklärt Mona Küppers, Vorsitzende des Deutschen Frauenrats. Am Vorabend des Jubiläums würdigt der DF in einer digitalen Veranstaltung, was mit der Konvention erreicht wurde und erörterte Handlungsoptionen zur Verteidigung und konsequenten Umsetzung des Abkommens, unter anderem mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Staatsminister für Europa, Michael Roth, Staatssekretärin Juliane Seifert (BMFSFJ) und Gästen aus der deutschen und europäischen Zivilgesellschaft.
In Istanbul wurde der bedeutsame Frauenrechtsvertrag am 11. Mai 2011 zum ersten Mal unterzeichnet. 45 Staaten sind bis heute mit einer Unterzeichnung gefolgt. 34 Staaten haben das Übereinkommen ratifiziert. Durch den Austritt des Erstunterzeichners Türkei werden Erfolge im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt nun rückgängig gemacht. Auch in EU-Mitgliedsstaaten steht das Abkommen politisch unter Beschuss. Die Ratifizierung auf EU-Ebene steht weiter aus.
Der DF fordert nach dem Austritt Konsequenzen für die Beziehungen Deutschlands und der EU zur Türkei. Innerhalb der EU darf es nicht zu Austritten von Mitgliedstaaten kommen. Die EU selbst muss die Konvention endlich ratifizieren. „Wenn wir als Gemeinschaft für Menschenrechte keine klaren Konsequenzen ziehen, spielen wir den Leuten in die Hände, die gegen unsere Werte mobilisieren,“ unterstreicht die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats.
Obwohl Deutschland Fortschritte in der Gewaltbekämpfung gemacht hat, klaffen auch hier weiter große Lücken zwischen Anspruch und Umsetzung von Gewaltschutz und Prävention. Das belegt das zivilgesellschaftliche Bündnis Istanbul-Konvention, dem der DF angehört, in seinem jüngst veröffentlichten Alternativbericht eindrücklich. Der DF fordert deshalb auch mit Blick auf die Bundestagswahl eine politische Gesamtstrategie zur Verhütung und Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt, an der alle verantwortlichen Ministerien sowie alle staatlichen Ebenen beteiligt sind und die von allen verbindlich umgesetzt werden muss. Die Bekämpfung von Gewalt an Frauen und Mädchen und die Finanzierung eines flächendeckenden Hilfesystems, das der individuellen Situation der Frauen gerecht wird, sind gesamtstaatliche Aufgaben. Deshalb fordert der DF eine dauerhafte Beteiligung des Bundes an der Finanzierung von Präventionsmaßnahmen und des Hilfesystems.
Quelle: Pressemitteilung des DF vom 10.5.2021
Aufschrei statt Jubel: Hilfesystem steht am Limit
„Gewalt an Frauen ist ein epidemisches Problem, was tief in unserer Gesellschaft verwurzelt ist. Durch die Belastungen aufgrund der Corona-Pandemie treten die Wunden nun offen zutage. Wir verzeichnen einen deutlichen Anstieg von häuslicher Gewalt, überfüllte Frauenhäuser und ein Hilfesystem am Rande seiner Belastungsgrenze“, erklärt Cornelia Möhring, stellvertretende Vorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, mit Blick auf das zehnjährige Jubiläum der Istanbul-Konvention. Möhring weiter:
„Dieser Zustand ist kein Grund zum Feiern. Zehn Jahre nach Unterzeichnung der Konvention stehen wir vor denselben Problemen wie zuvor: Ein unterfinanziertes Hilfesystem, eklatant zu wenig Frauenhausplätze, kein Schutz von Müttern und ihren Kindern vor gewalttätigen Partnern, keine Maßnahmen zu Verhinderung von digitaler Gewalt oder von Femiziden. Es fehlt an einer Koordinierungsstelle, an einem Aktionsplan gegen Gewalt, an Forschung und Daten zu geschlechtsbezogener Gewalt und vor allem an Geld und Willen, Gewalt an Frauen bereits präventiv durch den Abbau von Geschlechterstereotypen und Ungleichheiten zu bekämpfen.
Die Istanbul-Konvention gibt den Weg vor, doch die Bundesregierung folgt ihm nicht. Ich erwarte von der Regierung, die grundlegenden Anforderungen der Istanbul-Konvention zügig umzusetzen und die eingelegten Vorbehalte zurückzunehmen, statt nur mahnend aufs Ausland zu schauen. Es darf nicht sein, dass verheiratete Migrantinnen kein eigenes Aufenthaltsrecht erhalten und ihnen die Abschiebung droht, wenn sie sich von ihren gewalttätigen Ehepartnern trennen. Alle gewaltbetroffenen Frauen brauchen Schutz und Unterstützung.“
Quelle: Pressemitteilung von Cornelia Möhring vom 10.5.2021
Ratifikation durch die EU
Terre des Femmes (TdF) weist darauf hin: „Eine Ratifikation der Istanbul-Konvention durch die EU würde den effektiven Schutz von Frauen und Mädchen vorantreiben. Z.B. könnte so eine EU-weit vereinheitlichte Datenerhebung zu verschiedenen Formen der Gewalt gegen Frauen in die Wege geleitet werden. Dies wäre ein großer Schritt für verbesserte Präventionsarbeit. Eine Ratifikation würde auch bedeuten, dass die EU sich zur Umsetzung verpflichtet und regelmäßig darüber Rechenschaft ablegen muss. Eine Ratifikation der Istanbul-Konvention durch die EU würde den effektiven Schutz von Frauen und Mädchen vorantreiben. Z.B. könnte so eine EU-weit vereinheitlichte Datenerhebung zu verschiedenen Formen der Gewalt gegen Frauen in die Wege geleitet werden. Dies wäre ein großer Schritt für verbesserte Präventionsarbeit. Eine Ratifikation würde auch bedeuten, dass die EU sich zur Umsetzung verpflichtet und regelmäßig darüber Rechenschaft ablegen muss.“
Quelle: Pressemitteilung von TdF vom 10.5.2021

