10 Jahre Bundesgleichstellungsgesetz
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
auf der Haben-Seite steht, dass es das Gesetz überhaupt gibt. Noch besser wäre natürlich ein Bundesgleichstellungsgesetz im wahrsten Sinne des Wortes, das wirklich bundesweit gilt und nicht nur für Bundesdienststellen (siehe Blog-Beitrag „Gleiches Recht für alle Gleichstellungsbeauftragten“ vom 21.9.2009). Sehr positiv ist auch die 50%-Quote für echte Gleichstellung, auch wenn das zurzeit noch ein süßer Traum ist. Aber die theoretische Schlacht ist geschlagen und jedes Zurückgehen dahinter wäre eine Bankrotterklärung, die sich vermutlich politisch kaum je“man“d leisten will.
Was schmerzlich fehlt, sind Sanktionen wie z.B. ein Klagerecht für Gleichstellungsbeauftragte bei Nicht-Einhaltung des Gleichstellungsplans. Diese Pläne sind oft das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Die Dienststellen machen sie und planen die Besetzung einer Funktion oder (Plan-)Stelle mit einer Frau offiziell ein. Bei der Entscheidung später werden dann jedoch oft Sachzwänge wie Stellenabbau, Personalüberhänge etc. oder die (angeblich) bessere Qualifikation des Mitbewerbers ins Feld geführt und ggf. mit seiner/seinen ausdifferenzierten Beurteilung(en) belegt. Hier müsste die Gleichstellungsbeauftragte klagen können und mit ihrer Klage auf Nichteinhaltung des Gleichstellungsplans ein Verwaltungsgericht dazu zwingen, sich mit dem Bundesgleichstellungsgesetz überhaupt erst einmal auseinanderzusetzen.
Das geschieht derzeit nicht mit dem Ergebnis, dass nach der aktuellen Rechtsprechung die Beurteilungen bei gleicher Endbewertung im Einzelnen ausgewertet und im nächsten Schritt frühere Beurteilungen herangezogen werden müssen. Zu „gleicher Qualifikation“ kommt es damit faktisch gar nicht mehr und das Bundesgleichstellungsgesetz wird unterlaufen. Erst zwei BGleiG-Fälle haben es bis heute zum Bundesverwaltungsgericht geschafft. Aber nur mit höchstrichterlicher Rechtsprechung kommen wir weiter. Jedoch: Wo kein (gesetzlicher) Wille ist, ist eben auch kein (Rechts-)Weg.
Kein Manko ist aus meiner Sicht der fehlende „Beteiligungskatalog“, d.h. eine Aufzählung der Sachverhalte, an denen die Gleichstellungsbeauftragte zu beteiligen ist. Wir brauchen keinen solchen Katalog, denn gerade die Offenheit gibt der Gleichstellungsbeauftragten die Möglichkeit, sich mit ihrem Auftrag als „die dem Gemeinwohl verpflichtete Sachwalterin der im Bundesgleichstellungsgesetz niedergelegten Ziele“ und im Interesse der von ihr vertretenen Beschäftigten in alle Vorgänge einzuschalten, die in einer Verwaltung diskutiert werden. Nur die Gleichstellungsbeauftragte kann und muss alles auf Gleichstellungsrelevanz prüfen, auf unmittelbare, vor allem aber auch auf mittelbare Diskriminierung. Denn die ist, weil verborgener und subtiler, viel effektiver und daher schwerer nachzuweisen und zu bekämpfen.
Problematisch ist der zentrale Begriff: „Gleichstellung“ legt nahe, dass es sich um ein Gesetz auch zur Förderung von Männern handelt, dass die Gleichstellungsbeauftragte auch ein Mann sein und von den männlichen Beschäftigten gewählt werden kann oder dass die Gleichstellungsbeauftragte auch die Förderung von Männern vorantreiben muss, wenn die 50prozentige Frauenrepräsentanz überschritten ist. Das ist aber nicht so. Insofern ist unter begrifflichen Gesichtspunkten das Bundesgleichstellungsgesetz für einige eine „optische Täuschung“ und ruft daher alle diejenigen auf den Plan, die einen Männerbeauftragten fordern.
Solange jedoch die beruflichen Nachteile noch so eindeutig aufseiten der Frauen liegen, so lange auch Frauen ohne Vereinbarkeitsanliegen die „gläserne Decke“ nicht durchstoßen und so lange die Gleichstellung von Frauen mit Männern noch nicht erreicht ist, brauchen wir keinen Männerbeauftragten und auch keine Diskussion über ein aktives und/oder passives Männerwahlrecht. Was wir brauchen, ist eine Diskussion über einen Kulturwandel: Gesetzliche Detailregelungen nützen nur dann, wenn auch Denkblockaden aufgelöst werden. Die Personalverantwortlichen müssen weg von dem Prinzip der „verbalen Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre“. Gleichstellung ist - wie fast alles - ein „top down“- Prozess: Es nützt nichts, wenn das „bottom up“ – Hintern hoch/von unten – funktioniert, aber die Verantwortlichen oben nicht wollen.
Herzlich,
Ihre Kristin Rose-Möhring
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