2016 – Blick zurück und nach vorn
Liebe Leserin, lieber Leser,
1916 ist das dritte Kriegsjahr und die Menschen spüren deutlich die Verknappung von Lebensmitteln. Während die Männer entsetzliche Schlachten schlagen wie die von Verdun und an der Somme, müssen die Frauen ihre Familien durchbringen. Die Versorgungskrise mündet am Ende des Jahres in den sogenannten „Steck- oder Kohlrübenwinter“, einer Hungersnot, während der kaum mehr als Steckrüben, eigentlich Viehfutter, zur Verfügung stehen.
Gleichzeitig müssen Frauen an der „Heimatfront“ die Arbeit der auf den Schlachtfeldern kämpfenden Männer übernehmen. Der Frauenbeschäftigungsanteil steigt auf enorme 47,1 % und das deutsche Kriegsamt richtet eine Frauenarbeitszentrale ein. Zum Vergleich: Die Quote der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen gibt das Statistische Bundesamt für 2014 mit umgerechnet 46,2% an*.
Trotz oder ggf. sogar wegen des Weltkrieges bleibt 1916 Zeit für die Einführung der Sommerzeit. Deutschland ist hier das erste Land überhaupt. Drei Jahre lang werden die Uhren von Ende März bis Ende September eine Stunde vorgestellt, bis 1919 zu Beginn der Weimarer Republik diese Regelung wieder rückgängig gemacht wird.
1916 wird auch BMW gegründet, veröffentlicht Albert Einstein seine allgemeine Relativitätstheorie, singt Enrico Caruso „O sole mio“ und gründet Margret Sanger mit zwei anderen Frauen die erste US-amerikanische Klinik für Geburtenkontrolle.
2016, das sind auch
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225 Jahre Frauenrechtserklärung durch Olympe de Gouges 1791 (s. Blog „Menschenrechte – Frauenrechte“ vom 26.9.2011);
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150 Jahre Lette-Verein zur „Förderung der Erwerbstätigkeit des weiblichen Geschlechts“, der 1866 gegründet wird;
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150 Jahre Kampf um das Frauenwahlrecht, als John Stuart Mill 1866 – stark beeinflusst von seiner verstorbenen Frau und ehemaligen Mitarbeiterin Harriet Taylor Mill - dem britischen Parlament die erste Petition zu dieser Frage vorlegt; 40 Jahre später, vor 110 Jahren, erlangen die Finninnen als erste Frauen in Europa 1906 das Wahlrecht;
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245 Jahre Ringen um den § 218, der im „Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich“ 1871 eingeführt wird und Abtreibung mit bis zu 5 Jahre Zuchthaus bestraft; dieses Ringen um den § 218 dauert bis in die 1990er Jahre und ist bis heute nicht wirklich befriedigend gelöst;
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140 Jahre Deklaration der Frauenrechte in den Vereinigten Staaten, als 1876 Frauen diese Erklärung bei der 100-Jahr-Feier der USA verlesen;
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125 Jahre Einführung des 11-Stunden-Tages und von 4 Wochen bezahltem Urlaub nach einer Geburt 1891; da sind wir nun - Göttin sei Dank - weiter, wenn auch unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer noch nicht weit genug;
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120 Jahre erster Internationaler Frauenkongress im Deutschen Reich, an dem 1896 in Berlin 17.000 Frauen aus 14 Ländern teilnehmen;
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90 Jahre Ärmelkanal-Durchquerung durch eine Frau , als 1926 die US-Amerikanerin Gertrude Ederle die Meerenge in 14 Stunden und 32 Minuten durchschwimmt;
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45 Jahre TV-Nachrichten-Moderation durch eine Frau, als Wibke Bruhns 1971 erstmals in der Fernseh-Geschichte der „heute“-Sendung ein weibliches Gesicht gibt.
Auch in rechtlicher Hinsicht gibt es in diesem Jahr viele Meilensteine, an die zu erinnern sich lohnt. Dazu mehr in einem nächsten Blog.
Mit frauenpolitisch-historischen Grüßen
Ihre Kristin Rose-Möhring
* Beschäftigungsstatistik/Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am 30.6. 2014 (Vorläufiges Ergebnis): Insgesamt 30.174.505 Personen, davon männlich 16.240.821, weiblich 13.933.684. Einer Arbeit ganz allgemein (d.h. inkl. nicht versicherungspflichtiger Minijobs) gehen inzwischen gut 70% der Frauen nach.
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