Beklagenswert klaglos
Liebe Leserin, lieber Leser,
nicht immer ist die Gesetzestreue des „Dienstherrn“ – ein unsägliches Wort in aufgeklärten Zeiten wie diesen – vorbildlich, um es mal vorsichtig auszudrücken. Das gilt – wir Gleichstellungsbeauftragte im Bundesbereich wissen, wovon wir reden – gerade für das Bundesgleichstellungsgesetz.
Unverzügliche und umfassende Unterrichtung gem. § 20 BGleiG zu einem Zeitpunkt, zu dem die Maßnahme noch gestaltungsfähig ist und wir Gleichstellungsbeauftragte uns aktiv in den Entscheidungsprozess einbringen können, ist ein Traumziel; frühestmögliche Vorlage der erforderlichen Unterlagen ein oft unerfüllter Wunsch. Das gilt besonders dann, wenn es brisant, hochdotiert und einflussreich wird, d.h. wenn Führungspositionen besetzt werden sollen – je hochrangiger, desto heimlicher -, wenn Parteigänger und Gesinnungsgenossen untergebracht werden sollen (ich bleibe hier bewusst bei den männlichen Formulierungen!), wenn Vetternwirtschaft unter dem Deckmantel der Bestenauslese betrieben wird.
Wir lernen als Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, dass Vorschriften bis ins Kleinste einzuhalten sind, dass Ermessen Grenzen hat und dass wir gegenüber unserer einzelnen Dienststellenleitung oder auch dem Bund, unserem Arbeitgeber verantwortlich sind und verantwortlich gemacht werden können. Und dann gehen genau diese Arbeitgeber/Dienstherrn bzw. ihre Vertreter immer wieder hin und tun genau das Gegenteil von dem, was sie von uns fordern.
Sollen wir öffentlich Beschäftigte, z.B. als Gleichstellungsbeauftragte uns das klaglos gefallen lassen? Sollen wir uns wirklich nur auf das „Zeigen der Instrumente“ beschränken, d.h. einen Einspruch schreiben, und die Sache, wenn der Einspruch innerhalb von 24 Stunden empört zurückgewiesen wird, auf sich beruhen lassen? Sollen wir uns dann aufs Klagen in Form von Jammern beschränken?
Das kann nicht sein.
Warum wohl hat die Legislative 2001 in § 22 BGleiG ein Klagerecht für Gleichstellungsbeauftragte vorgesehen? Das ist kein Jammerrecht, sondern ein gangbarer Weg zum Verwaltungsgericht, der uns offensteht, wenn unsere Rechte als Gleichstellungsbeauftragte verletzt werden. Die derzeitige Bestimmung greift kurz genug; mehr wäre aus meiner Sicht erforderlich, z.B. zur Durchsetzung der Ziele des Gleichstellungsplans. Aber sie ist ein Anfang. Mit welchem Recht wollen wir mehr fordern, wenn wir nicht einmal diese Minimalbestimmung nutzen? Wenn die Dienststellen das Gesetz nicht einhalten, dürfen wir von unserem Recht Gebrauch machen.
Nur wenige Gleichstellungsbeauftragte gehen vor Gericht – das ist leider eine Tatsache. Auch aus diesem Grund haben wir bisher nur zwei erstrittene Urteile des Bundesverwaltungsgerichts zum Bundesgleichstellungsgesetz. Denn auch das gehört dazu: Wir müssen wenn nötig und möglich bis zur dritten Stufe gehen, damit wir mit höchstrichterlicher Rechtsprechung aufwarten können. Nur diese Urteile werden wirklich akzeptiert.
Warum wohl hat das Gerichtssystem drei Ebenen? Wenn immer die erste Ebene, d.h. die Verwaltungsgerichte Recht hätten, bräuchten wir die weiteren nicht. Wir dürfen also nicht schon bei einer Niederlage auf der ersten Stufe kleinbeigeben; wir müssen weitergehen.
„Ich kann nicht klagen“ ist ein Satz, der nach meiner Erfahrung in keiner Hinsicht auf Gleichstellungsbeauftragte zutrifft. Zum einen kenne ich keine Gleichstellungsbeauftragte, in deren Dienststelle alles rund läuft, zum anderen kann eine Gleichstellungsbeauftragte klagen - vor Gericht. Daher sollte unsere Antwort darauf lauten: „Yes, we can“ – klagen nämlich.
Für die Dienststellen ist das ggf. „learning by Aua“, wie eine Kollegin kürzlich so schön sagte. Für uns Gleichstellungsbeauftragte ist es schlicht Psychohygiene. Wir sind keine Opfer, wir haben wichtige Aufgaben und Rechte.
Wie forderte die Vordenkerin der ersten deutschen Frauenbewegung Hedwig Dohm schon vor 111 Jahren „Mehr Stolz, ihr Frauen!“
Herzlich,
Ihre Kristin Rose-Möhring
|
Folgen Sie uns auch auf Twitter! |


Liebe Kollegin,
grundsätzlich kann ich Ihre Auffassung teilen. Aber ein Prozess (insbesondere bis zur Ebene des Bundesverwaltungsgerichts) bringt eben erst eine Rechtssicherheit nach Jahren.
M.E. müsste eine unmittelbare Sanktion in das BGleiG, so dass die Nichteinhaltung des Gesetzes sofort für den AG fühlbar ist und die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten auch sofort ernst genommen werden muss. Im übrigen sind wir immer noch Einzelkämpferinnen, was die Sachlage eindeutig erschwert.
Herzliche Grüße
Carmen Grote
Liebe Kolleginnen, ich bin ebenfalls der Meinung, hier muss eine Veränderung her, sonst werden wir zum zahnlosen Tiger. Gerichtliche Verfahren (die einzelne Ebenen)dauern einfach zu lange. Die Zeit ist hier gegen uns. Ich habe einen "Konflikt"rechtlichtlich sehr unterschiedlicher Sichtweise" über knapp 2 Jahre durchlebt. Ich brauchte nicht ins Klageverfahren zu gehen - wir sind vorher "räumlich getrennt" worden. Mein Signal in dieser Richtung war jedoch jeden Tag eindeutig und nicht zu missverstehen. Ich bin jedoch - unabhängig von meiner Situation, welche heute sehr viel entspannter ist- der Meinung, wegweisend für die Zukunft brauchen wir Urteile, die eine Klarheit aufzeigen. Die Sichtweise aller ist jedoch so unterschiedlich - sodass wir uns zunächst einmal einig werden sollten. Herzliche Grüße Gerlind Tomofski