BGleiG verfassungskonform auslegen
Liebe Leserin, lieber Leser,
wie Sie sicher wissen, ist vor einem Jahr eine neue Fassung des BGleiG verabschiedet worden und es war ein harter Kampf, im Gesetzgebungsverfahren wenigstens das Schlimmste zu verhindern. Erst eine Anhörung von Sachverständigen und vielen Interventionen von Gleichstellungsbeauftragten brachten die Wende.
Erst danach wurde die sogenannte Geschlechteransprache fallen gelassen, also der Versuch, Frauen und Männer als gleichermaßen oder zumindest künftig als gleichermaßen benachteiligt anzusehen.
Artikel 3 Grundgesetz ließ da keinen Zweifel. Schließlich fördert der Staat danach die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Benachteiligungen hin.
Es handelt sich dabei um strukturelle Benachteiligungen und nicht um ein eher zufällig auftretendes zahlenmäßiges Ungleichgewicht. Strukturelle Benachteiligungen gibt es aber nach dem Eingeständnis der Bundesregierung nur für Frauen.
Entsprechend haben sowohl die alte als auch die neue Fassung des BGleiG in §1 die Ziele der jeweiligen Gesetze festgelegt.
§1 BGleiG a.F.
„Ziel des Gesetzes
(1) Dieses Gesetz dient der Gleichstellung von Frauen und Männern sowie der Beseitigung bestehender und der Verhinderung künftiger Diskriminierung wegen des Geschlechts in dem in §3 genannten Geltungsbereich des Gesetzes. Nach Maßgabe dieses Gesetzes werden Frauen gefördert, um bestehende Benachteiligungen abzubauen. Ziel des Gesetzes ist es auch, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit für Frauen und Männer zu verbessern. ...“
§1 BGleiG n.F.
„Ziele des Gesetzes
(1) Ziel des Gesetzes ist es,
-
die Gleichstellung von Frauen und Männern zu verwirklichen,
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bestehende Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts, insbesondere Benachteiligungen von Frauen, zu beseitigen und künftige Benachteiligungen zu verhindern sowie
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die Familienfreundlichkeit sowie die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Berufstätigkeit für Frauen und Männer zu verbessern.
(2) Nach Maßgabe dieses Gesetzes wird die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern gefördert. Strukturelle Benachteiligungen von Frauen sind durch deren gezielte Förderung zu beheben. ...“
Mit beiden Formulierungen lässt sich leben. Sie lassen sich grundgesetzkonform auslegen und können als Richtschnur für die Interpretation der Gesetzestexte gelten.
Kurz nach der Verabschiedung und dem Inkrafttreten des Gesetzes erschien dazu eine Publikation der Bundesregierung mit Erläuterungen zum Gesetz, Stand Mai 2015.
Dort heißt es in Satz 1 und 2 der Erläuterungen zu §1 (Ziele des Gesetzes): „Die Ziele des §1 sind an den früheren §1 BGleiG angelehnt. Im Unterschied zur früheren Rechtslage richten sich die Gesetzesziele nicht mehr überwiegend an Frauen, sondern Frauen und Männer gleichermaßen.“
Das wurde, wie die Broschüre ausführt, im Wesentlichen der Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 18/3784) entnommen. Zwar wurde die Gesetzesbegründung aufgrund des Zeitdrucks nicht mehr geändert, aber das Gesetz; und zwar gerade in den betreffenden Punkten.
Der Gesetzgeber hatte letztlich doch erkannt, dass das Grundgesetz die Beseitigung struktureller Benachteiligungen verlangt und dass dies nur auf Frauen zutrifft und damit keine politische Spielwiese für Gleichmacherei aufgrund zufälliger Zahlen bei strukturell nicht benachteiligten Randerscheinungen bietet.
Ich weiß, dass viele Kolleginnen die Broschüre zur schnellen Information und als Auslegungshilfe nutzen. Darin die falsche Richtung für eine Gesetzesinterpretation gleich zu Anfang vorzugeben, ist jedoch nicht hinnehmbar. Dies sollte umgehend geändert werden. Schließlich konnten sich die Vertreter/innen dieser Richtung im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen. Göttin sei Dank!
Jetzt, ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen BGleiG, sind sie aufgefordert, die Betroffenen richtig und fehlerfrei zu informieren.
Ich wünsche Ihnen eine frohe und entspannende Osterzeit. Am 4. April lesen wir uns an dieser Stelle wieder.
Mit herzlichen Grüßen
Ihre Kristin Rose-Möhring
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