Das Bundesgleichstellungsgesetz – und wie es unterlaufen wird
liebe Leserin, lieber Leser,
vage, ungenau und sogar falsch, soweit es um das geht, was wir Praktikerinnen der Gleichstellung „Männerförderung“ nennen.“ Sie legt zunächst schlüssig dar, dass die Förderung eines (zahlenmäßig) unterrepräsentierten Geschlechts aufgrund der Zielvorgaben des BGleiG und deren Ableitung aus Art. 3 Abs. 2 GG nur im Falle einer strukturellen Benachteiligung dieses Geschlechts zulässig ist. Sie zeigt die Voraussetzungen einer strukturellen Benachteiligung auszugsweise und soweit korrekt auf. Sie weist auch darauf hin, dass eine strukturelle Benachteiligung nach Auskunft der Bundesregierung nur für Frauen und nicht für Männer vorliegt.
Dann aber behauptet diese an die Dienststellen des Bundes gerichtete Handreichung, dass die Feststellung einer strukturellen Benachteiligung von Männern von jeder einzelnen Dienststelle für ihren Bereich selbst getroffen werden könne. Dabei bezieht sie sich auf die Begründung des Entwurfs zum BGleiG 2015. Die Schlussfolgerungen daraus sind jedoch nicht richtig. Die Handreichung spricht selbst von einer notwendigen teleologischen Auslegung des Gesetzes. Das bedeutet zu erforschen, was der Gesetzgeber unabhängig von der Wortwahl wirklich gewollt hat; wohlgemerkt der Gesetzgeber und nicht das Ministerium, das den Gesetzentwurf bearbeitet und eingebracht hat.
Dafür müssen wir die Vorgeschichte kennen: Die Gesetzesnovelle wurde als Artikelgesetz eingebracht und das Gesetz sollte bis zum Internationalen Frauentag 2015 das Licht der Welt erblicken, weil die Bundesfrauenministerin ein politisches Zeichen setzen wollte. Diese und etliche ihrer Mitarbeiter/innen hielten es für besonders fortschrittlich und modern, Gleichstellung in alle Richtungen und auf allen Ebenen zu praktizieren, und versuchten, mit dem BGleiG auch rechtliche Grundlagen zur Männerförderung zu schaffen. Das aber war grundgesetzwidrig.
Gleichstellungsbeauftragte und führende Gleichstellungsexpert/inn/en sprachen sich vehement dagegen aus. Ich selbst wurde von den zuständigen Ausschüssen in gemeinsamer Sitzung angehört. In der Folge musste die Männerförderung aus dem Gesetz genommen werden. Das geschah, da der vorgesehene Termin zur Verabschiedung des Gesetzes seitens der Ministerin unbedingt eingehalten werden sollte, unter hohem Zeitdruck. Die redaktionelle Überarbeitung des Gesetzestextes war daher unzureichend und so blieben einige der unzulässigen Formulierungen im Text erhalten. Dies wird sehr deutlich, wenn beide Fassungen nebeneinandergelegt werden. Es wurde also unter dem gegebenen Druck wenig sorgfältig gearbeitet.
Seitdem führen wir Gleichstellungsbeauftragte einen fortwährenden Kampf gegen unklare, missverständliche, ja falsche Formulierungen und fehlerhafte Auslegungen durch Behörden.
Teleologische Auslegung des Gesetzes bedeutet, dass das gilt, was der Gesetzgeber wollte, und nicht, was eine Ministerin und ihr Behördenapparat wollten.
Jetzt aber sagt die Handreichung den Dienststellen, sie könnten eine strukturelle Benachteiligung von Männern in ihrem Bereich selbst feststellen und danach eine „Männerförderung“ zum Beispiel bei der Formulierung von Ausschreibungen einführen. Es heißt: „Ein Hinweis auf die spätere bevorzugte Einstellung des unterrepräsentierten Geschlechts geht bereits zu Lasten des anderen Geschlechts und erfordert verfassungsrechtlich eine strukturelle Benachteiligung des unterrepräsentierten Geschlechts.“ Soweit so gut, aber dann geht es weiter: „Unbedenklich sind Formulierungen unterhalb der verfassungsrechtlichen Schwelle.“
Soll uns wirklich weisgemacht werden, dass das, was eine einzelne Behörde tut, per se schon verfassungsrechtlich unbedenklich ist?
Hier rät ein Ministerium, dessen Traum von der Männerförderung angesichts unseres Grundgesetzes geplatzt ist, allen fachlich nachrangigen Behörden doch das zu tun, was ihm verfassungsrechtlich verwehrt war. Das ist aus meiner Sicht höchst bedenklich. Die Handreichung hat – hoffentlich – schon aus diesem Grund in ihre Vorbemerkung aufgenommen, dass sie nur unverbindlich sei.
Für alle Gleichstellungsbeauftragten heißt es nun wieder verstärkt aufpassen. Man/n schläft nicht und sei es in Form eines Frauen- und Gleichstellungsministeriums.
Mit wachsamen Grüßen
Ihre Kristin Rose-Möhring
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