Die Frauen der Babyboomer-Jahrgänge - der verborgene Schatz in unseren Behörden?
Liebe Leserin, lieber Leser,
diese Frauen waren die erste Frauengeneration Deutschlands, denen das Leben die gleichen Chancen und Rechte wie Männern versprach. Sie hatten so hohe Schul- und Berufsabschlüsse erworben wie keine Frauengeneration zuvor. Sie galten als die Gewinnerinnen der Bildungsexpansion der 1970er Jahre. Ein gutes Viertel dieser Frauen legte das Abitur ab und sie zogen so mit den Männern ihrer Generation fast gleich.
Wirklich zum Zuge gekommen sind die Frauen der geburtenstarken Jahrgänge aber nicht. Heute, gut 30 Jahre später, fällt die Bilanz für die meisten dieser Frauen – auch in der Bundesverwaltung – nicht so positiv aus. Denn: Die Karrieren vieler Frauen endeten abrupt, wenn sie Kinder bekamen. Das galt auch für den öffentlichen Dienst.
Telearbeit und mobiles Arbeiten, die Verankerung des Themas Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Berufstätigkeit oder Audit Familie und Beruf - alles das gab es für diese Frauen noch nicht oder es steckte gerade in den Anfängen. Für die berufliche Entwicklung oder Karriere hieß und heißt die Übernahme von Familienpflichten das Ende der Karriere!
Teilzeitarbeit war für Frauen in den alten Bundesländern oft die einzige Möglichkeit, überhaupt ihren Beruf weiter auszuüben, wenn sie kleine Kinder hatten. Erziehungszeiten, Teilzeitarbeit und entgangene Beförderungen führen aber für diese Frauen zu massiven Einkommenseinbußen.
Bereits ein einjähriger Erziehungsurlaub reduziert den Lohn um durchschnittlich 16 % – verglichen mit einer Frau, die ihre Erwerbstätigkeit nicht unterbricht (zitiert aus: Hermann Gartner/Thomas Hinz „Löhne von Frauen und Männern – in Schieflage“ IAB Forum 1/2009 S. 4-9).
Noch dramatischer sind die Lohneinbußen, die sich über eine längere Zeitspanne aufsummieren: Geschätzt 83.000 Euro ist der Rückstand nach 15 Berufsjahren, wenn eine Frau im Alter von 30 Jahren und nach der Geburt eines Kindes drei Jahre teilzeitgearbeitet hat. Nahm sie ein Jahr Erziehungszeit und arbeitete im Anschluss daran fünf Jahre Teilzeit, verdoppelt sich der Verlust nahe zu.
Dies ist nur der Vergleich mit den Kolleginnen ohne Kinder. Die Einkommenslücke gegenüber den Kollegen dürfte nochmals höher ausfallen, wenn zusätzlich der Gender Pay Gap berücksichtigt wird.
Was diese Biographien für die Altersversorgung der betroffenen Frauen bedeutet – darauf wollen wir an dieser Stelle nicht eingehen. Soviel aber ist klar – auch die Altersversorgung dieser Frauen sieht nicht rosig aus.
Wie gesagt, diese Frauen sind heute zwischen 49 und 59 – der geburtenstärkste Jahrgang 1964 - ist 53 Jahre alt. Die Letztgenannten haben also noch 14 Jahre Erwerbstätigkeit vor sich.
Diejenigen, die dies karrieremäßig bislang nicht aufholen konnten, werden nunmehr von jungen Menschen überholt, die zumindest auf die mittlerweile als Angebot in fast allen obersten Bundesbehörden existierenden wichtigen Vereinbarkeitsinstrumente der Flexibilisierung von Arbeitszeit- und Arbeitsort zurückgreifen können. Dabei sind die Frauen der Babyboomer-Jahre oft die Wegbereiterinnen genau dieser Entwicklung hin zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Berufstätigkeit gewesen.
Gerade diese Frauen, die hochqualifiziert sind und daneben auch noch über Lebenserfahrung verfügen, sind ein Potential, das die Behörden – nicht zuletzt angesichts des demographischen Wandels – nicht unbeachtet lassen sollten.
Das Thema „mehr Frauen in Führungspositionen und gleichberechtigte Teilhabe“ ist eines der zentralen Anliegen der Gleichstellungsbeauftragten der Bundesverwaltung, und der Interministerielle Arbeitskreis der Gleichstellungsbeauftragten der obersten Bundesbehörden hat es nun aufgegriffen
Uns ist wichtig, dass spezifische, auch durch Familien- oder Pflegeaufgaben erworbene Erfahrungen und Fähigkeiten besser als bisher anerkannt und berücksichtigt werden, um das große Potential der Mitarbeiterinnen in unseren Bundesbehörden zu nutzen.
Dabei geht es nicht darum, eine Konkurrenz zwischen den Frauen der verschiedenen Altersklassen „herbeizureden“, aber: Die Zeitspanne von rund 14 oder mehr Jahren Erwerbstätigkeit muss besser genutzt werden, damit auch die „Babyboomer“- Frauengeneration die Chance auf eine Karriere erhalten.
Diese Zeitspanne ist zu lang, um das große Potential brach liegen zu lassen, das sich diese Frauen auch aufgrund von Lebenserfahrung und gerade der Doppel- oder Mehrfachbelastungen erworben haben. Sie sind ein Schatz, der gehoben werden muss!
In diesem Sinne mit herzlichen Grüßen
Kristin Rose-Möhring
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