Die Gleichstellungsbeauftragte und Gesprächspartner
Liebe Leserin, lieber Leser,
das sind in der Tat Gespräche, die sich keine wünscht, und es ist gut, auf so etwas vorbereitet zu sein. Erfahrungen zeigen allerdings, dass andere Arten von Gesprächen viel schlimmer sein können: Wenn die Gleichstellungsbeauftragte und ihr Gesprächspartner sich einfach der Routine wegen und „weil das in regelmäßigen Jours Fix eben so ist“, ohne viel Gesprächsinhalt vergleichsweise sinnfrei austauschen. Da wird frau mit einem Lächeln begrüßt, das oft falscher nicht sein könnte, da wird eine Tasse Kaffee oder ein Glas Wasser gereicht, an denen man oder wahlweise frau sich festhalten kann, da werden lange Listen von Themen abgearbeitet und in freundlichstem Ton Haltungen, Meinungen, vielleicht sogar Juristika ausgetauscht und beide wissen, d.h. die Gleichstellungsbeauftragte weiß: Anschließend passiert nichts.
Solcher Art Austausch ist für zielorientierte Gleichstellungsbeauftragte mit starkem Wunsch nach Verbesserungen der Gleichstellungssituation viel schwerer zu ertragen. Wird frau angebrüllt, hat sie gelernt, sich zu wehren – siehe oben – und vor allem, sie sieht eine Reaktion, hat ggf. einen Nerv getroffen. Das ist zumindest ein Gefühl, das eine Richtung angibt.
Bleibt alles seidenweich und auf der Oberfläche scheinbar freundlich, kann sie sich ausrechnen, dass sie mit ihrem Anliegen ins Leere läuft und es Wochen, Monate, ggf. sogar Jahre dauert, bis sie – wenn überhaupt – ans Ziel kommt.
Bei diesem Verhalten lassen sich zumindest zwei Varianten ausgemachen:
Das in der Regel ranghohe Gegenüber hält die Gleichstellungsbeauftragte auf Abstand und stilisiert die leere Konversation als seine Kommunikationsform, ggf. in der Erwartung, dass die Gleichstellungsbeauftragte irgendwann genug hat und ihn nicht länger belästigt.
Bei der anderen Variante leidet das Gegenüber, weil er – seltener sie – nicht in der Lage ist zu entgegnen: Er hat keine Ahnung, darf das aber nicht zugeben, er interessiert sich nicht für das Thema, weiß aber, dass er das zuständigkeitshalber müsste, ist inhaltlich nicht in der Lage zu argumentieren, ist der Gleichstellungsbeauftragten rhetorisch nicht gewachsen oder – sehr häufig – ist konfliktscheu und kann nicht in einen konstruktiv-kontroversen Dialog einsteigen.
Zunächst bleibt er daher immer hübsch an der Oberfläche, wahrt die Contenance und die Umgangsformen. Manchmal aber leidet er unter dieser Konfliktscheue, was ihn noch gefährlicher macht, denn er fühlt sich ertappt und holt als Rache zum Gegenschlag aus. Er ballt die Faust in der Tasche oder hat sogar schon „den Dolch im Gewande“*, den er der Gleichstellungsbeauftragten im übertragenen Sinne in den Rücken stößt, wenn sie ihn mit ihren Anliegen nicht in Ruhe lässt oder ihn sonst wie ärgert.
Es verblüfft immer wieder, wie viele Menschen in Führungspositionen sitzen, die nicht offen und klar kommunizieren können. Angepriesen werden solche Führungskräfte oft als „konstruktiv“ oder „lösungsorientiert“, was im Alltag bedeutet, dass sie Konflikte unter den Teppich kehren bzw. qua Machtposition entscheiden. Eigentlich müssten die vielen ungelösten Probleme den bewussten Teppich zu einem Berg auftürmen, über den diese konfliktscheuen Führungskräfte irgendwann mal stolpern. Leider ist das selten der Fall, denn sie haben oft ihre „Troubleshooter“ oder – um im Bild zu bleiben – ihre Teppichhändler, die die Auslegeware aufrollen und sich um die Entsorgung (des Problems, am liebsten der Gleichstellungsbeauftragten gleich mit) kümmern.
Wo diese unter-den-Teppich-kehrenden Führungskräfte ihre Stärken haben, erschließt sich oft nicht, aber vermutlich sind sie gut im Strippenziehen, im Hinterrücks-Meucheln, im Anschleimen und in all den anderen Dingen, die „man“ so braucht, um eine Karriere voranzubringen.
Liebe Gleichstellungsbeauftragte und andere Betroffene, an solchen Menschen sollte frau sich nicht oder so wenig wie möglich abarbeiten. Oft gibt es einen Weg um sie herum und es entlastet ungemein, wenn Gespräche mit dem o.g. Typus auf ein Minimum reduziert werden können. Es ist allemal einen Versuch wert.
In diesem Sinne auf erfolgreiche (Gleichstellungs-)Arbeit und mit herzlichen Grüßen
Ihre Kristin Rose-Möhring
* Friedrich Schiller „Die Bürgschaft“: „Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich/Damon, den Dolch im Gewande:/Ihn schlugen die Häscher in Bande,/»Was wolltest du mit dem Dolche? sprich!«/Entgegnet ihm finster der Wüterich./»Die Stadt vom Tyrannen befreien!«/»Das sollst du am Kreuze bereuen.«“
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