Die „Mütter des Grundgesetzes“ und „Die Unbeugsamen“
Liebe Leserin, lieber Leser, alle, die meinen Blog verfolgen / mitlesen!
Wenn der Block diesmal erscheint – am 27.9. – dann war Bundestagswahl. Dann gibt es ein Ergebnis aus der Stimmabgabe der Bevölkerung. Ob es das Ergebnis ist, oder es in unendliche Koalitions-Runden gehen wird, werden wir sehen oder erahnen können.
Ich war daher am Überlegen, welche Themen ich einige Tage vorher mit euch/ihnen teilen möchte? Nach einem inspirierenden und auch dem Impuls verspüren laut aufzulachen bei dem Film „Die Unbeugsamen“ ging ein sich anschließendes Gespräch zurück zu den vier Müttern unseres Grundgesetzes und dem Artikel 3 Absatz 2. Der Film lief am späten Nachmittag, nebenbei bemerkt.
Bekannt waren meiner Bekannten die Namen vieler der im Film gezeigten Personen – sie ist politisch seit einiger Zeit auf Kommunalebene aktiv. Nicht auf einem der hinteren Plätze, sondern an vorderster Front auf Platz 1. Man hört sie und die Anliegen, die von ihrer Wählergemeinschaft vertreten werden. Die Presse berichtet über ihre Beiträge eigentlich immer. Dies führt zu Kuriositäten: Die (eher männlich) nicht Gehörten reagieren bis zum Leserbrief. Frau kann sich da manchmal nur amüsieren.
Zurück zu den Grundgesetz-Müttern. Elisabeth Selbert war ihr namentlich bekannt. Die drei anderen Mütter (Helene Wessel, Helene Weber und Frieda Nadig) nicht. Den Begriff „Mütter des Grundgesetzes“ kannte sie, meinte zu mir aber, ihn bisher nirgendwo gelesen zu haben.
Ich erlebe dies in meinen Seminaren häufiger. Da sind die Teilnehmenden in den Basis-Seminaren, denen die Geschichte bekannt ist. Einige haben den Spielfilm zum Leben von Elisabeth Selbert gesehen, der ja seit einigen Jahren bereits des häufigeren im Fernsehen gezeigt worden ist. Inzwischen auch zur, wie es immer heißt, besten Sendezeit. Und dann die Teilnehmenden, die zu der Entstehungsgeschichte des Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes und den beteiligten Frauen kein Wissen haben.
Einschub: Es liegt nicht an den Teilnehmenden meiner Veranstaltungen, die ja i.d.R. einen (den) Gleichstellungsauftrag für ihre Institution übernommen haben und ein hohes Interesse an den neuen Aufgaben und möglichen Themen mitbringen. Nein, meiner Meinung nach gibt es, ich nenne es mal Grundqualifikation durch z. B. Schule, viel zu wenig was den jungen Menschen immer noch dazu verpflichtend gelehrt wird. Toll allerdings was ich auch schon in und nach schulischen Projekten und Projekttagen in verschiedensten Schulformen dazu gesehen und erlebt habe – Hut ab!
Den Müttern des Grundgesetzes haben wir den Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ zu verdanken. Unter den 65 stimmberechtigten Mitgliedern im Parlamentarischen Rat der jungen Bundesrepublik waren diese Vier die einzigen Frauen. Sie waren Mitglied in verschiedenen Parteien. Durch sie ist nach mehreren Abstimmungsniederlagen 1949 der Gleichberechtigungsgrundsatz im GG verankert worden. Aber nicht nur das, sondern sie haben auch etwas getan, was Frauen in der Politik (inzwischen auch in Wirtschaft etc.) weiterhin getan haben, sie haben sich zu bestimmten Themen – gleichstellungsrechtlichen Themen – über ihre parteilichen Vorgaben hinaus miteinander vernetzt als Frauen. Aus Geschlechtersicht auf die anstehenden, künftigen Themen gucken. Heute heißt es ab und an: setzt die Genderbrille auf!
Wie wichtig, wie unterstützend eine gute Vernetzung ist, ist nicht nur ein strategisches Moment, um möglicherweise auf bestimmte Abstimmungsergebnisse eine Wirkmöglichkeit zu entfalten. Es ist auch und im Besonderen wichtig in der Unterstützung unserer Politikerinnen, die zunehmend Anfeindungen, Diffamierungen und mehr ausgesetzt sind. Wie subtil dabei vorgegangen wird erschreckt, macht zornig, darf uns aber nicht tatenlos machen. Auf dem gerade stattgefundenen Kongress des djb zum Thema „Demokratie und Gleichstellung“. (Ich hatte im letzten Blog auf diese Veranstaltung vom 16. -18.9.2021 hingewiesen) wurde aus verschiedenster Perspektive, beruflichem Hintergrund, juristischer Expertise, … auch dies thematisiert und diskutiert und mögliche Strategien entwickelt.
Zurück zu den Müttern und der Bundestagswahl. Ich hoffe sehr, dass mehr, viel mehr Frauen als vor 4 Jahren in den Bundestag einziehen werden. Gleich um welches Thema es zukünftig gehen wird, es wird ein Thema sein das uns alle – sicher manchmal doch mehr Frauen (kann ich mir nicht verkneifen) – angeht.
Nochmal zu den vier unbequemen, unbeugsamen Frauen und ins Jahr 1949 zurück. Zuschreibungen begleiten die Arbeit einer Gleichstellungsbeauftragten: So werden diese Vier beschrieben,
- Frieda Nadig als die Umsetzerin
- Elisabeth Selbert als die Texterin
- Helene Weber, als die Netzwerkerin
- Helene Wessel, als die Unbequeme.
Ach, übrigens war unser Kinobesuch vom Publikum recht divers besucht bzgl. Geschlecht bzgl. Lebensalter! Eine sich an den Film anschließende Gesprächsrunde gab es wegen Corona nicht. Schade. Aber es gab zum Ende des Filmes spontanen und lang anhaltenden Applaus. Wichtig, auch wenn ihn die Politikerinnen nicht hören konnten.
Aktuelles aus der Welt
Bei Madame Tussauds ist Angela Merkel vor 14 Tagen umgekleidet worden. Sie steht dort nun in Freizeitkleidung. Persönliche Anmerkung: hoffentlich nur auf Zeit und dann zurück in das für mich und sie gewohnte und ihr angemessene Outfit.
Mit feministischen Grüßen,
Ute Wellner
|
Folgen Sie uns auch auf Twitter! |

