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Die Powerpoint-Manie

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Eine beruflich erfolgreiche Frau stellt ihrer Familie ihre Pläne für das künftige Zusammenleben vor: den Happy-Family-Plan und das auch - - mit einer Powerpoint-Präsentation! Abwegig? Ich finde ja. Undenkbar? Offensichtlich nein, denn in einem Fernsehfilm Ende September1 – zugegeben einer Komödie – geschah genau das. Und ich möchte nicht wissen, wie viele Zuschauer/innen das für ganz normal hielten. Selbst auf Elternabenden kommen, wie mir eine entsetzte Mutter berichtete, vermeintlich fortschrittliche Eltern mit einer „PPP" in die Schule. Wie geht es Ihnen damit?

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich ärgere mich ehrlich gesagt, dass ich inzwischen in fast jeder Sitzung oder Veranstaltung mit mindestens einer Powerpoint-Präsentation konfrontiert werde. Es scheint nicht mehr ohne zu gehen. Diese (unsere?) Generation „Irgendwas mit Medien“ nannte ein Kabarettist vor einigen Monaten denn auch das „Powerpoint-Prekariat“.

Ich habe mich bisher erfolgreich dagegen gewehrt, für solche Gelegenheiten Powerpoint-Präsentationen zu erstellen, denn sie haben aus meiner Sicht erhebliche Nachteile:

Zum einen machen sie enorm viel Arbeit und lohnen sich nur, wenn Sie eine Rede mehrfach halten wollen. Zum anderen sind sie nachgerade unsozial: In sogenannten Powerpoint-gestützen Sitzungen schaut sich kaum noch jemand an, weil alle auf die Projektionsfläche starren. Niemand kommuniziert mehr nonverbal, was für den Austausch, das Kompromisse-Finden und die inhaltliche Diskussion ungemein wichtig ist, und keine/r hört den Vortragenden noch richtig zu. So wird eine Besprechung oft eine reichlich sterile Angelegenheit.

Bei Vorträgen vor größeren Gruppen ist das nicht viel anders, zumal hinzukommt, dass auf den sogenannten Folien meist nicht das steht, was wirklich wichtig ist. Entweder sind die Folien zu textlastig und alle nur damit beschäftigt, die langen Texte zu lesen, oder sie enthalten nur kurze Hinweise, die sich ohne die Erläuterungen der Sachverständigen nicht erschließen.

Das erinnert mich oft an eine Geschichte, die mein Vater aus „Vor-PPP-Zeiten“ erzählte. In einer medizinischen Vorlesung erläuterte der Professor hochkomplexe Untersuchungen zu Hautausschlägen. Nach der Darstellung der Symptome und Diagnosen, der chemischen Zusammensetzung der verwendeten Präparate sowie der Vor- und Nachteile der angewandten Therapien schrieb er als „wichtiges Merkwort“ groß auf die Tafel „Haut“. So sinnig wie manche Powerpoint-Präsentation!

Nur den wenigsten gelingt es, Folien so zu gestalten, dass die „PPP" eine sinnvolle Kurzfassung des Vortrags ist. Lesen Sie sie Monate später noch einmal nach, fragen Sie sich meist, worum es eigentlich ging oder zumindest, was die Kernbotschaft war. Dennoch finden nach „Powerpoint-Events“ die Foliensätze reißenden Absatz. Alle wollen sie haben.

Der Siegeszug des Programms, das vor 30 Jahren in den USA entwickelt wurde und das 1984 noch den wesentlich logischeren Namen Presenter trug, ist ungebrochen. Dabei könnte doch zum Vortrag oder zur Sitzung genauso gut das Skript oder besser noch eine kurze Synopse in zusammenhängenden Sätzen ausgegeben werden, vorzugsweise nach dem Eisenhower-Prinzip: „Was nicht auf einer Seite zusammengefasst werden kann, ist weder durchdacht noch entscheidungsreif“.

Unter dem Titel „Der Powerpoint-Irrsinn“ hat sich die Journalistin Bettina Weiguny in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 16.7.20142 mit dem Phänomen beschäftigt. Ein Jungmanager in einem Dax-Konzern soll auf die Frage: „Gab es ein Leben vor Powerpoint?“ geantwortet haben: „Nein, kann nicht sein“; seine Gegenfrage: „Kann man ohne Atmen überleben?

Die Autorin berichtet weiter von Forschern, die davor warnen, dass die Folien dumm machten. „Sie vergessen die Inhalte schneller“, so nach ihrem Bericht die Ansicht des Münchner Bildungsforschers Christof Wecker, der weltweit 40 Studien zu dem Thema Powerpoint ausgewertet hatte und aus eigenen Untersuchungen das Fazit zog: „Folien ausblenden, wo immer es geht! Was nicht auf den Folien steht, geht sonst womöglich verloren“.

Die Journalistin spricht vom „Powerpoint-Death“, so nenne sich „das weitverbreitete Einnicken im abgedunkelten Seminarraum“ und zitiert den Yale-Professor Edward Tufte, der „die ausufernde Vermüllung der Präsentationen mit gehaltlosen Info-Grafiken“ als „Chart-Junk“ bezeichnete.

Lassen Sie sich also nicht ins Bockshorn jagen von denjenigen, die behaupten, eine Rede, ein Vortrag oder eine Sitzung sei erst mit einer Powerpoint-Präsentation richtig gut. Halten Sie es - ausnahmsweise - lieber mit dem Apple-Gründer Steve Jobs, der sagte: „Menschen, die wissen, worüber sie reden, brauchen kein Powerpoint.“

Mit herzlichen Grüßen

Kristin Rose-Möhring


1 TV-Komödie „Seitensprung“ vom 19. September 2014, ARD
2 Es gab auf den Artikel auch eine Replik: http://www.claudiusbaehr.de/no_cache/blog/article/bettina-weiguny-in-der-aktuellen-fas-ueber-den-powerpoint-irrsinn.html

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