Feigheit – ein polemischer Zwischenruf
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
noch ärgerlicher macht mich, dass die Autorin bei einer Lesung mit anschließender Diskussion vor Hunderten von Zuhörenden, überwiegend Frauen, Mitte Februar 2011 behauptete, dass sie die Frauen ermuntern wolle, sich aus ihrer Unzufriedenheit zu befreien, wenn sie denn mit ihrer Situation tatsächlich unzufrieden seien. Ihre Energien sollten geweckt und positiv genutzt werden. Es ginge ihr um die Frauen, die nach ihrer Ausbildung mit hohen Zielen ins Erwerbsleben gestartet seien, sich nun aber in einer persönlichen – beruflichen, vor allem aber familiären – Sackgasse befänden. Das bei der Lesung vorgetragene Beispiel einer frustrierten Ehefrau und Mutter erinnerte in seiner Plattheit an das Niveau von Frauenzeitschriften in der schlicht gestrickten Variante und bediente das Klischee der sogenannten „Latte Macchiato-Mütter“ des Berliner „Prenzelbergs“. Dies alles ergänzte die Autorin durch die Aussage, dass niemand die Frauen zwinge, bei einem Partner zu bleiben, der nicht bereit sei, seinen Teil zur Familienarbeit beizutragen. Was für ein vermaledeiter Unfug.
Für mich ist das ein Buch, das die Welt nicht braucht. Wurde es ggf. nur geschrieben, um eine widersprüchliche Diskussion anzufachen? Fast kommt es mir so vor, denn die Autorin zeigte sich ganz stolz darauf, dass aufgrund ihres Buches und ihrer anscheinend zahllosen Auftritte in Talkshows die Diskussion des Themas nun schon seit Wochen anhalte und somit auch ein wichtiger öffentlicher Diskurs ausgelöst worden sei.
Toll! Hätte dieser Diskurs nicht auch mit einem anderen Titel und anderen Botschaften ausgelöst werden können? Zum Bespiel mit „Verändert endlich das System, statt ewig die Frauen umerziehen zu wollen“?
Welche Frau will an die Spitze eines Systems, in dem Alpha-Männchen sich gegenseitig die Jobs zuschieben und stundenlange Monologe halten, um ihre (vermeintliche) Kompetenz unter Beweis zu stellen?
Welche Frau will konkurrieren in einem Wettbewerb nach dem Prinzip „Mein Haus, mein Auto, meine Geliebte“?
Welche Frau will sich in einer Anwesenheitskultur „nach oben dienen“, in der Karrieren nach 17 Uhr gemacht werden und „man“ erst wahlweise mit Marathonlaufen oder nach dem ersten Hetzinfarkt an echtem Ansehen gewinnt?
Die Feigheit liegt doch eher darin, dass die Männer die Frauen auf Abstand halten, weil sie die Konkurrenz fürchten. Und wir Frauen, das ist richtig, müssen eine Diskussion darüber anstoßen, wie ein System und wie Organisationen aussehen sollen, in denen wir uns gerne nach oben arbeiten. Einen lesenswerten Ansatz liefert Claire Schaffnit-Chatterjee mit ihrem Artikel „Auf dem Weg zu ´gender-balanced leadership´“1.
In diesem Sinne wünsche ich allen einen diskussions- und erkenntnisreichen 100. Internationalen Frauentag am 8. März 20112.
Herzlich,
Ihre Kristin Rose-Möhring
1 http://www.dbresearch.de/PROD/DBR_INTERNET_DE-PROD/PROD0000000000267540/Auf_dem_Weg_zu_%E2%80%9Cgender-balanced_leadership%E2%80%9C%3A_Was_n.pdf
2 siehe auch den Blog-Beitrag 100 Jahre Internationaler Frauentag vom 8.3.2010
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