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Feminismus heute

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Was ist Feminismus heute? Eins wird schnell klar: „Den“ Feminismus gibt es nicht. Schon die historische Frauenbewegung spaltete sich in den 1890er Jahren in drei Flügel. Auch die moderne Frauenbewegung der Zeit ab Ende der 1960er und der 1970er Jahre war von vielen Strömungen geprägt und verlief zudem in Ost und West völlig unterschiedlich1.

In der Hoch-Zeit der modernen Frauenbewegung, die im Westen zeitgleich mit der Studentenbewegung begann, bildeten sich Frauen- und „Weiberräte“ und die bestimmenden Themen deckten eine enorme Bandbreite ab: Beteiligung der Frauen in/an der Studentenbewegung, Kinderbetreuung/“Kinderläden“, sexuelle Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht von Frauen in der Abtreibungsfrage, d.h. die Streichung oder Reform des § 218 StGB sowie geschlechtsspezifische Diskriminierung.

Liebe Leserin, lieber Leser,

seit dem wurde der Feminismus immer wieder totgesagt oder in Frage gestellt nach dem Motto: „Bei der gesetzlich verankerten Gleichberechtigung ist alles erreicht, Frauen sind in Beruf, Gesellschaft, Politik gleichgestellt. Frauen sind überall auf dem Vormarsch – was wollt ihr denn noch? Es ist doch alles bestens. Feminismus ist [wahlweise] out, überholt, überflüssig, schädlich“.

Da ist die eine Seite, die gerne hier stehen bleiben möchte oder gar den Backlash betreibt, d.h. die Rückkehr zu alten Verhältnissen, das Einkassieren der Fortschritte – siehe Maskulisten-Bewegung. Auf der anderen Seite stehen die verschiedenen „Feminismen“, die ganz unterschiedlich ausgerichtet sind. So gibt/gab es z.B.:

  • die klassischen Feministinnen, die sich in der Tradition der „Schwestern von gestern“ der o.g. 1970er Jahre sehen und sich weiter für die Gleichstellung von Frauen mit Männern in allen Lebensbereichen engagieren,

  • Frauen, die Feminismus vor allem auf Familienthemen, insbesondere die Vereinbarkeit von Beruf und Familie konzentrieren und sagen, Gleichstellung sei erreicht, wenn diese Vereinbarkeit durchgesetzt sei und das Angebot an Kitaplätzen den Bedarf decke.

  • Frauen, die Bücher wie „Shades of Grey“, „Feuchtgebiete“ oder „Schoßgebete“ schreiben/lesen und so bewusst weiblich ihre sexuelle Freiheit und ihre Fantasien darstellen/ausleben wollen; sie sehen Pornographie, Prostitution oder die Sexualisierung der Werbung nicht so kritisch und werfen den „Alt-Emanzen“ gerne mal Verklemmtheit vor,

  • moderne junge Frauen, die das Erreichte zwar nutzen und genießen, Karriere machen (wollen) und Gleichberechtigung/Gleichstellung ganz selbstverständlich mitnehmen, auf keinen Fall aber in die „Feminismus-Ecke“ gestellt oder als „Emanze“ gebrandmarkt werden wollen,

  • Frauen, die sich zwar als emanzipiert beschreiben, Feminismus aber sowohl als Inhalt wie als Begriff ablehnen aus Sorge, es könne Männer verprellen, ohne die Gleichstellung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht zu erreichen sei,

  • und, und, und.

Zudem gab im letzten Jahrzehnt der Buchmarkt meinungsbildend einiges her. Es erschienen neben den o.g. Büchern „Das Eva-Prinzip“2 von Eva Herman, „Die neue F-Klasse“ von Thea Dorn3, „Danke, emanzipiert sind wir selber“ von Kristina Schröder u.v.m. Die Diskussionen brandeten jeweils hoch, es rauschte im Blätterwald und der Diskurs um die Existenz, die Notwendigkeit oder gar den „richtigen“ modernen Feminismus wurde heftig geführt.

Jede/R hat das Recht auf die eigene Meinung, Weltanschauung, Lebensgestaltung – keine Frage. Sich mit Feminismus überhaupt auseinanderzusetzen, ist schon ein Gewinn und besser, als so zu tun, als ginge uns das alles nix an. Aber: Feminismus heißt nicht zwangsläufig „Kampfemanze“ oder „Lila Latzhose“. Er hat viele Facetten.

Wichtig ist es, die Realität nicht aus den Augen zu verlieren und das Gespür geschärft zu halten für die gesellschaftlichen Verhältnisse und verdeckten Diskriminierungen. Die Zahlen sprechen zudem eine eigene Sprache: Teilhabe von Frauen in Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft in Form von Posten, Gehalt und Arbeitsbelastung, die Verteilung der Familienaufgaben, Armut/Reichtum im Alter, Bewertung von Leistung, öffentliche Anerkennung, mediale Präsenz etc. pp.

Solange es noch keine Gleichstellung von Frauen gegenüber Männern gibt, sollte Feminismus z.B. in der Politik, eine „Alltagshaltung“ aller Verantwortlichen sein. Schweden ist ein gutes Vorbild. Da gibt es eine feministische Regierung, das Kabinett ist mit je 12 Ministerinnen und Ministern besetzt, es gibt eine feministische Außen- und eine feministische Finanzpolitik – nicht immer unumstritten, aber die Ansätze sind da.

Können Sie sich deutsche PolitikER vorstellen, die sich als „Feministen“ bezeichnen? Sie könnten sich hierzulande vor Häme kaum retten. Schade.
So müssen also wir Frauen Feminismus weiter vorantreiben, was immer wir für uns darunter verstehen. Denn eins steht fest: Feminismus ist heute nach wie vor notwendig und Gleichstellung auf absehbare Zeit nicht erreicht.

Mit den besten Wünschen

Ihre Kristin Rose-Möhring


1 Zum Weiterlesen: Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung
2 Zum Weiterlesen über „Eva, eine Powerfrau wie sie im Buch der Bücher steht“ siehe GiP 4/2007
3 https://www.perlentaucher.de/buch/thea-dorn/die-neue-f-klasse.html und Thea Dorn – Die neue F-Klasse.htm

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