Flexibles Arbeiten III
Liebe Leserin, lieber Leser,
der in den Augen mancher Führungskraft ideale Zustand, dass alle Mitarbeitenden in möglichst nahe gelegenen Büros um sie herum sitzen, beginnt sich zunehmend aufzulösen. Ständige Umorganisationen in Behörden und Einzeldienststellen, Umzüge in immer wieder neue Bürogebäude etc. führen zu großen Veränderungen im Hinblick auf die Anforderungen, die an Führung heute gestellt werden. Für die obersten Bundesbehörden hat schon allein der (Teil-)Umzug von Bonn nach Berlin oder von Frankfurt/M. nach Bonn 1999 dazu geführt, dass viele Arbeitseinheiten auf mindestens zwei Standorte verteilt sind. In anderen Behörden ist die Situation noch gravierender.
Es wird viel gereist und gependelt. Besprechungen müssen für alle Betroffenen z.B. per Videokonferenz organisiert werden, Einzelgespräche können u.U. auch per Skype stattfinden. Es wird immer mehr telefoniert, gemailt, eingescannt, Akten digitalisiert, Vorgänge per E-Akte bearbeitet usw.
Das ist gut für Flexible Arbeit. Die Vorgesetzten aber müssen künftig anders führen und mehr organisieren. Führen über Distanz ist eine Fähigkeit, die gelernt werden muss. Es ist ein eigenartiger Begriff und sollte sich nicht auf innere Distanz beziehen. Eigentlich müsste es heißen „Führen bei innerer Nähe und äußerer Distanz“. Diese Kompetenz hat nicht jede Führungskraft und hier sind sicher Schulungen erforderlich.
Ohne den Eindruck überzogener Kontrolle zu erwecken, müssen die Vorgesetzten engeren Kontakt zu ihren Mitarbeitenden halten und einen guten Ausgleich finden zwischen Vertrauen und Unterstützung. Gute Kommunikation in der Arbeitseinheit ist ebenso wichtig wie ein ununterbrochener Informationsfluss, damit alle den gleichen Sachstand haben und Fehlentwicklungen in der Arbeit oder auch im Miteinander rasch aufgefangen und behoben werden können. Das setzt gutes Einfühlungsvermögen voraus und auch eine offenes Ohr für Zwischentöne und ein „Zwischen-den-Zeilen-Lesen-Können“, wenn Sichtkontakt überwiegend entfällt.
Auch ist ggf. mehr Konfliktkompetenz erforderlich. Wenn viele flexibel arbeiten wollen, werden Konkurrenzen entstehen. Da nicht alle gleichzeitig weg sein können, muss die Führungskraft einen Ausgleich zwischen den sich ggf. widersprechenden Wünschen und Forderungen finden. Das wird ohne Diskussionen, gelegentliche Kämpfe und die Notwendigkeit einer Moderation bis hin zur Fähigkeit zu klaren, vielleicht sogar kontroversen Entscheidungen nicht abgehen. Das muss eine Führungskraft können und vor allem auch aushalten können.
Auch die Fürsorgepflicht ist stärker gefragt, wenn z.B. Flexibelarbeitende Tendenzen zu Selbstausbeutung zeigen. Da kann aus der Fürsorgepflicht schnell eine „Führsorge“ werden: Sorge der Führungskraft um/für die Mitarbeitenden.
Klare Absprachen und Regeln helfen, dass gerecht verteilte Arbeit fristgerecht erledigt wird, ohne dabei überzogene Erwartungen in den Raum zu stellen. Hier sind für beide Seiten Achtsamkeit und Resilienz gefragt. Resilienz ist die psychische Widerstandskraft, die uns im Alltag hilft, mit Konflikten und Herausforderungen umzugehen, Krisen zu bewältigen und eigene Stärken zu nutzen. Resilienz kann entwickelt werden und auch hier sind Fortbildungen erforderlich.
Die Ausweitung der Flexiblen Arbeit muss daher einhergehen mit einem Ausbau der Personalentwicklung. Fortbildungen müssen den Prozess der Flexibilisierung begleiten. Diese Maßnahmen sollten an die Bedürfnisse der Führungskräfte und der Mitarbeitenden angepasst werden und sich an der Kultur der Behörde orientieren. Fortbildung darf nicht bedeuten, dass z.B. mittels Resilienz-Training Beschäftigte fit gemacht werden, um in einem ungesunden Umfeld überleben zu können.
Vermittelt werden müssen Verantwortung für sich und für andere, Achtsamkeit und Kollegiales Miteinander.
In diesem Sinne mit fü(h)rsorglichen Grüßen
Ihre Kristin Rose-Möhring
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