Frauentag – brauchen wir ihn noch?
Liebe Leserin, lieber Leser,
aber was passiert dann?
Frauen verdienen immer noch entscheidend weniger als Männer – siehe Equal Pay Day, der in diesem Jahr am 21. März stattfindet und den Tag markiert, bis zu dem Frauen statistisch gesehen arbeiten müssen, um das Vorjahresgehalt ihrer männlichen Kollegen zu erzielen.
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Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie lastet nach wie vor überwiegend auf den Schultern der Frauen, die zusätzlich zu Kinderbetreuung und Haushaltsaufgaben oft auch noch mit der Pflege von alten und/oder kranken Angehörigen belastet sind.
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Teilzeitarbeit ist für viele die einzige Lösung, denn in Vollzeit lassen sich diese vielfältigen Aufgaben meist nicht erledigen, insbesondere wenn bezahlbare Kinderbetreuung und Altenpflege oder Ganztagsschulen fehlen.
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Karriereknick trotz bester Startbedingungen ist die Folge, denn nur selten kommen Teilzeitbeschäftigte in Führungspositionen und damit zu höherer Verantwortung, mehr Einfluss und Teilhabe und last but not least besserer Bezahlung.
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Die bereinigte Lohnlücke, d.h. die Einkommensdifferenz, die allein aufgrund des Geschlechts und nicht aufgrund fehlender Führungspositionen oder Ausübung schlechter bezahlter Berufe besteht, beträgt immer noch 8 % (Stand: 2012 – siehe Blog zum Equal Pay Day).
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Im Alter addieren sich für viele Frauen schlechtere Bezahlung im Job, geringere Erwerbszeiten durch mehr Familienpflichten, weniger Zugang zu besser bezahlten Positionen zu einer spürbaren finanziellen Schlechterstellung, der sogenannte Gender Pension Gap, d.h. einer Rentenlücke zwischen Männern und Frauen, die laut einer Studie unseres Hauses von Anfang 2012 59,6 % beträgt.
Sind das genug Gründe für einen Internationalen Frauentag? Ich denke schon. Und auch das Argument, im öffentlichen Dienst, insbesondere im Bereich des Bundes und des Geltungsbereichs des Bundesgleichstellungsgesetzes sähe es doch sicher besser aus, zieht nicht. Die Realität zeigt und der Zweite Erfahrungsbericht zum Bundesgleichstellungsgesetz belegt auch für den Bereich des Bundes, dass
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Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert sind,
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die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nach wie vor zu Lasten von Frauen gehen, da sie z.B. den weitüberwiegenden Anteil an Teilzeitbeschäftigten stellen mit all den o.g. Folgen für Karriere und Einkommen, und
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ein Gender Pay Gap insofern besteht, als die häufigste Eingruppierung von Frauen E 9, von Männern A 15 ist mit dem zusätzlichen Nachteil des niedrigeren Entgelts der Tarifbeschäftigten contra der höheren Besoldung für Beamt/inn/en.
Auch hier also ausreichend Raum für die Forderungen eines Internationalen Frauentags nach gleichen Arbeitsbedingungen, gleichem Lohn für gleiche Arbeit und gerechter Teilhabe an allen gesellschaftlichen Entwicklungen und Gestaltungsmöglichkeiten.
Nun mag „man“ argumentieren, das seien alles die alten Feststellungen und Forderungen. Stimmt! Aber es sind auch die alten Verhältnisse und Rahmenbedingungen, mit denen Frauen konfrontiert sind und mit denen sie sich arrangieren sollen.
Immer wird erwartet, dass Frauen sich ändern, dass sie machtbewusster werden, sich besser durchsetzen, dass sie sich ihren Anteil vom Kuchen nehmen sollen etc. pp.
Ich denke, so wird es nicht funktionieren. Nicht die Frauen sind falsch und müssen sich ändern, sondern das System, d.h. die Strukturen und die Abläufe. Nur wenn sich hier etwas ändert, werden wir frauen- und familienfreundliche Verhältnisse bekommen, die allen – Frauen und Männern, Beschäftigten mit und ohne Kinder, mit und ohne familiäre Aufgaben – nutzen.
In diesem Sinne werden wir sicher auch 2014 einen Internationalen Frauentag begehen müssen. Bis dahin wünsche ich uns allen eine aktive Frauen- und Gleichstellungspolitik, die lieber früher als später die aufgezeigten Defizite beseitigt.
Herzlich,
Ihre Kristin Rose-Möhring
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