Frei nach Brecht: Fragen einer lesenden Frau¹

Wer baute das Technikwunder Brooklyn Bridge?
In den Büchern steht nicht der Name Emily Roebling¹.
Hat nicht sie den Bau der Brücke letztlich vollendet?
Und die vielgerühmte Relativitätstheorie?
Hat nicht Mileva Maric einen entscheidenden Anteil?
Führte nicht Katharina von Bora für Martin Luther ein großes Haus und regelte seine Finanzen?
Wurde nicht der große Heine nach seinen Ausschweifungen von „Mathilde“ gepflegt?
Thomas Mann schrieb Weltliteratur. Beraten und korrigiert von Katja und Erika.
Warum musste das gleichfalls hochbegabte „Nannerl“ hinter Mozart zurückstehen?
Hatte der weltberühmte Freud nicht eine ebenso erfolgreiche Tochter Anna?
Selbst das Musikgenie Schumann brillierte nur auf Kosten von Clara Wieck, die für ihn ihre Weltkarriere opferte.

Richard Wagner komponierte gewaltige Opern.
Wer spricht von Minna²?
Rembrandt malte grandiose Bilder – ohne Saskias Geld und Hendrikjes Hilfe?
Bertold Brecht revolutionierte das Theater.
Was war der Anteil von Frauen wie Helene Weigel³?
Präsidenten und Staatschefs werden gut bezahlt.
Was ist mit ihren First Ladies?

Jede Seite ein Held.
Wer pflegt die Erinnerung?
Große Männer in „history“,
wer schreibt „her story“?

So viele Berichte.
So viele Fragen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

1935 schrieb Bertold Brecht sein geniales Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“, das Sie unten abgedruckt finden. Wie bei geschichtlichen Betrachtungen üblich vergaß auch er den Anteil der Frauen an den historischen Erfolgen.

Ich habe ihm daher mit meiner Umdichtung auf die weiblichen Sprünge geholfen, denn ich halte es mit der deutschen Schriftstellerin und frühen Feministin Marie von Ebener-Eschenbach (1830-1916), die hellsichtig erkannte: „Als eine Frau lesen lernte, trat die Frauenfrage in die Welt“.

In diesem Sinne: Bleiben Sie neugierig.

Mit herzlichen Grüßen

Ihre Kristin Rose-Möhring