Gender-Ende?
Liebe Leserin, lieber Leser,
+ schön fände ich, wenn z.B. der „Zickenkrieg“ zum „Böckchenscharmützel“ mutierte, denn was unsere sogenannten Alpha-Tiere manchmal anstellen, ist nichts anderes.
– Will ich aber aus einem „Platzhirsch“ wirklich eine „Platzhirschkuh“ machen?
– Soll ein „Sündenbock“ eine „Sündenziege“ werden, obwohl es sich hier um einen jüdischen Brauch handelt(e), bei dem ein Geistlicher die Sünden des Volkes symbolisch auf einen Ziegenbock übertrug und diesen in die Wüste schickte, um so die Sünden zu verjagen?
– Brauchen wir anstelle einer „Trümmerfrau“ einen „Trümmermann“? Das wäre ja fast schon Geschichtsklitterung, denn diese Ehrenbezeichnung dürfen sich nur Frauen aneignen.
– Will ich statt einer „Vetternwirtschaft“ ein „Basengeküngel“ oder
– anstelle eines „Leithammels“ ein „Leitschaf“? Ein „LeiD-Schaf“ käme der Sache dann wohl näher!!
Auch bei „Störenfrieda“ oder „Schwarzer Petra“ sind die weiblichen Varianten nicht so wirklich schön, denn am liebsten wollen wir so was gar nicht haben. Beim Schwarzen Peter, dem Spiel, müssten wir uns ohnehin sprachlich ganz anders orientieren, denn Wikipedia sagt uns, dass dieses Spiel im englischen Original „old maid“, d.h. „alte Jungfer“ heißt. Und dafür wiederum gibt es kein männliches Äquivalent, denn ein „alter Knabe“ ist etwas ganz anderes als die konnotiert lächerliche Alte, die „keinen abgekriegt hat“.
Anders ist‘s da schon bei der Hebamme. Auf die Idee, daraus einen „Hebammerich“ o.ä. zu machen, kam niemand. Flugs wurde der „Geburtspfleger“ erfunden.
Daher schlage ich auch vor, dass wir eine männliche „alte Schachtel“ „seniler Karton“ nennen. Oder was halten Sie statt des Schimpfworts „abgetakelte Fregatte“ für eine ältliche (unansehnliche) Frau von „Schrott-Kreuzer“ für ein ebensolches männliches Wesen? Halt: Da könnten wir doch gleich zum „Havarie-Schettino“ kommen im Angedenken an den unnachahmlichen, zufällig als einer der ersten in ein Rettungsboot gefallenen „Costa Concordia-Schrotter“ Francesco gleichen Namens.
Oder was machen wir im Hinblick auf die Schweiz mit „Vater Staat“? So sprächen die Schweizer/innen nicht von ihrem Land: Vor Jahren las ich bei einem Fußball-Turnier in der Presse: „Die Schweiz ist Gruppensiegerin“ – ist zugegeben schon etwas länger her – aber sehr konsequent.
Kommen Menschen aus „aller Herren Länder“, wenn sie nicht nur die Schweiz sondern ggf. die Türkei, die Slowakei, die Mongolei, die Ukraine ihre Heimat nennen? Ist das dann Mutter Erde?
Schön finde ich gegenderte Wortreihen wie „Ottilie Normalverbraucherin“ oder auch „Ottoline Shopping Queen“, „was Hänschen nicht lernt, wird Gretchen ihm schon beibringen“, „wo keine Klägerin, da keine Richterin“ oder auch „Hanna Dampf in allen Gassen“ – das alles lernt sich schnell aussprechen und effektvoll einsetzen; und es lockert vermeintlich dröge Reden auf, wenn Sie als Gleichstellungsbeauftragte mal wieder unwillige ZuhöreR „langweilen“.
Wollen wir aber wirklich den „Altweibersommer“ gendern? Es ist eine so wundervolle Jahreszeit, dass wir Frauen sie behalten wollen. Und der „Muskelkater“ kann männlich bleiben, wenn wir den „Katzenjammer“ behalten – beides ist nicht schön; das gleicht sich aus.
Die „Tussi“ hätte ich gerne maskulisiert – wie wäre es mit „Tusso“ oder „Tusserich“ – das klingt genauso blöd, auch wenn die Tussi von Tusnelda kommt, der Tochter des Cheruskerfürsten Segestes. Aber auch adlig klingt’s nicht wirklich besser.
Gerne hätten ich auch eine weibliche Formulierung für „Tausendsassa“ – ausgerechnet ein auf ein weibliches –a endendes Wort für einen Mann. Ärgerlich! Da nehme ich dann lieber den österreichischen Begriff für das gleiche Phänomen: den „Wunderwuzzi“.
Überhaupt Österreich – klasse! Kürzlich war ich dort und lernte ein neues Wort: „Ungustl“, ein köstliches Wort, fand ich, für einen abstoßenden, unsympathischen widerlichen Mann. Wie mir eine Landsfrau sagte, kommt der Begriff von Gustav. Das ist schwer zu gendern, denn ich kenne nur eine einzige Gustava - Lida Gustava Heymann, die formidable Frauenrechtlerin und Friedensikone; und da geht „Ungustline“ irgendwie gar nicht. Mein erster Übersetzungsversuch „Tunichtgut“ kam nicht hin. „Stinkstiefel“ vielleicht – und dann gegendert „Stinkstiefelette“? Für „Tunichtgut“ aber könnte ich im Deutschen lachen über die Gendervariante „Tunichtgüte“ oder „Tunichtgute“ oder „Tu’s nicht, Gute“ ....
Zum Gender-Ende noch ein Rat: Seien Sie kreativ und lassen Sie sich was einfallen – und sei es auch noch so gewöhnungsbedürftig. Es ist zumindest lustig und macht deutlich, dass Sprache lebt. Und lassen Sie sich nicht von (um-)denkfaulen Menschen/Männern ins Bockshorn jagen: Ein Volk, das sich an ein Kuriosum wie „Aus-zu-bildende/r“ (so was Schräges wie ein substantiviertes Adjektiv!!) gewöhnen konnte, wird auch das Gendern geliebter Männerworte überleben.
Also ran an die Buletten ... oder sind das dann Bullen? Egal, wir nehmen alles!
Mit genderlichen Grüßen
Ihre Kristin Rose-Möhring
* siehe Blogs „Gleichstellung und Sprache“ vom 1.2.2010, „Von „Dienstherrn“ und „Arbeitgebern““ vom 24.10.2011, „“Gänderungen““ vom 31.10.2011, „Du glückliches Österreich singst – eine gegenderte Nationalhymne“ vom 12.3.2012, „Sprache gendern – ist das nötig?“ vom 08.04.2013, „Offener Brief einer österreichischen Gleichbehandlungsbeauftragten“ vom 18.8.2014
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