Gleichberechtigung – ein langer Weg
Liebe Leserin, lieber Leser,
mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 galt ausnahmslos der Grundsatz des Artikel 3 Absatz 2 „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Schon in der Diskussion um diese Formulierung war erwartungsfroh den Müttern und mit grimmiger Vorahnung den Vätern des Grundgesetzes klar gewesen, dass der Satz zwar „ziemlich harmlos“ klang, aber "unabsehbare sozialpolitische Folgen" haben würde2 (siehe Blogbeitrag „Elisabeth Selbert – die Kämpferin“ vom 13.2.2012).
Das gesamte bisher geltende und überholte Familienrecht musste reformiert werden und das sollte gem. Artikel 117 GG bis zum 31. März 1953 geschehen.
Eigentlich - denn wie so oft in Gesetzgebungsverfahren gelang das nicht. Das erste Kabinett Adenauer (September 1949 bis Oktober 1953) legte erst Ende 1952 einen Gesetzentwurf vor. Die folgenden Diskussionen wurden vehement und ideologisch geführt und vor allem Konservative und die Kirchen fürchteten um die „natürliche Eheordnung“. So verstrich die grundgesetzliche Frist.
Das in der Folgezeit befasste Bundesverfassungsgericht stellte jedoch klar, dass seit dem Ablauf der Frist „Mann und Frau auch im Bereich von Ehe und Familie gleichberechtigt [seien]“3. Der neue Gesetzentwurf, der auch der alte war, wurde vom 2. Kabinett Adenauer neu eingebracht, in dem es mit Franz-Josef Wuermeling nun auch einen „Bundesminister für Familienfragen“ gab.
Dennoch dauerte es bis zu Verabschiedung, Veröffentlichung und schließlich Inkrafttreten des „Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts“ – so die offizielle Bezeichnung des Gesetzes – am 1. Juli 1957 noch fast die gesamte Legislaturperiode, die im Oktober 1957 endete4.
Dieses zähe Ringen um die einzelnen Schritte auf dem langen Weg zu Gleichberechtigung, Gleichstellung und Gleichbehandlung von Frauen mit Männern kommt uns bekannt vor. Das Zweite Gleichberechtigungsgesetz inkl. Frauenfördergesetz folgte erst 1994, das Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz und mit ihm das Bundesgleichstellungsgesetz 2001, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz 2006.
Und immer noch diskutieren wir über Quoten für Frauen in Führungspositionen und leider gar nicht über ein Bundesgleichstellungsgesetz, das seinen Namen wirklich verdient, d.h. bundesweit gilt.
Es kann also gut und gern noch einmal 55 Jahre dauern, bis wir am Ziel angekommen sind.Herzlich,
Ihre Kristin Rose-Möhring
1 BGBl.I, S.609
2 Zitiert nach „Emma“ Online Archiv http://www.emma.de/hefte/ausgaben-2009/emma-das-heft-2009-3/mutter-des-grundgesetzes-2009-3/
3 BVerfGE 3, 225
4 Dr. Gabriele Müller-List hat unter dem Titel „Gleichberechtigung als Verfassungsauftrag: eine Dokumentation zur Entstehung des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18. Juni 1957“ die Geschichte des Gesetzes nachvollzogen; Droste 1996
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