Internationaler Frauentag 2016 – Frauen ganz oben?
Liebe Leserin, lieber Leser,
im Bund wurde vor kurzem die 15. beamtete Staatssekretärin einer obersten Bundesbehörde seit 1949 ernannt. Die 15. in 67 Jahren! Ihnen stehen gut 330 Männer gegenüber. Das sind rein nach Köpfen 4%, im Grunde aber weniger, denn über 50 Männer wurden 2 bis zu 4 Mal als Staatssekretäre benannt - im gleichen oder auch in immer wieder anderen Ministerien. Bei den Frauen gelang bisher nur einer eine zweite Ernennung. Die Zahl der Abteilungsleiterinnen kommt seit Jahren über gut 20% nicht hinaus. Wir brauchen also noch viele Internationale Frauentage, bis Frauen ausgeglichen ganz oben angekommen sein werden.
Schauen wir daher lieber in Bereiche, in denen Frauen schon sehr früh „ganz oben“ waren: Bei den Pionierinnen der Luftfahrt – Ballonfahrerinnen und Pilotinnen:
-
Die erste Deutsche war Wilhelmine Reichert (1788-1848). Vor 205 Jahren, am 16. April 1811 unternahm sie als erste Frau eine Ballonalleinfahrt. 30 Minuten schwebte sie über Berlin. Die Mutter von acht Kindern unternahm 17 Luftfahrten und führte dabei sogar wissenschaftliche Messungen durch. Sie verdiente zusammen mit ihrem Mann so viel Geld, dass sie eine chemische Fabrik aufbauen konnten, die Wilhelmine nach dem Tod ihres Mannes allein leitete.
-
Vor ihr war nur die Französin Jeanne-Geneviève Labrosse (1775-1847) mutiger. Sie soll am 10. November 1798 als erste Frau einen Heißluftballon gesteuert und ein Jahr später sogar einen Fallschirmsprung gewagt haben. Ihr Mann André-Jacques Garnerin war der Erfinder des Fallschirms.
-
Käthe Paulus (1868-1935) war ebenfalls eine bekannte Pionierin der deutschen Ballonfahrt und des Fallschirmspringens. Die „Luftschifferin“ erfand den zusammenlegbaren Paketfallschirm und wagte 1893 als erste Deutsche den Sprung aus einem Ballon.
-
Raymonde de Laroche (1886-1919) war die erste Frau überhaupt, die einen Pilotenschein erhielt - 1910 - und einen Alleinflug absolvierte. Ihr folgte in Deutschland 1911 Mellie Beese (1886-1925)
-
„The flying Fräulein“ Thea Rasche (1899-1971), Liesel Bach (1905-1992) und Vera von Bissing (1906-2002) waren hocherfolgreiche deutsche Kunstfliegerinnen. Die erste hatte als erste Deutsche einen Kunstflugschein, die zweite überflog als erste Pilotin 1951 den Himalaya, die dritte schaffte als erste Frau einen Looping.
-
Marga von Etzdorf (1907-1933) wagte als erste Frau einen Alleinflug von Berlin nach Tokio.
-
Die erste Frau, die alle fünf Erdteile überflog, war Elly Beinhorn (geb. 1907), die legendäre „Meisterfliegerin“. Sie prägte die Anfänge der Fliegerei und stellte viele Rekorde auf. 1931 wagte sie einen Alleinflug nach Afrika, ein Jahr später in einem offenen Flugzeug (!) eine Solo-Weltumrundung. Nachdem sie in Afrika notlanden musste und einige Tage bei einem afrikanischen Stamm verbrachte, wurde sie weltberühmt. Sie schrieb Bücher, testete Autos und arbeitete für Radio und Fernsehen, bevor sie 2007 100-jährig starb.
-
Hanna Reitsch (1912-1979) stellte eine Reihe von Fliegerinnen-Rekorden auf: erster Dauer-Segelflug (5 ½ Std. 1932), Segelstreckenflug-Weltrekord (305 km 1935), erster weiblicher „Flugkapitän“, Versuchspilotin, erste Hubschrauber-Pilotin etc. Aber sie war auch ein Aushängeschild der NS-Luftwaffe und ihr wurde ein naives Verhältnis zu den damaligen Machthabern attestiert. Einerseits verehrte sie Hitler bis zum Ende und setzte sich für sogenannte „Selbstopfer“(Kamikaze)-Flüge“ ein, andererseits gehörte sie keiner NS-Organisation an und lehnte die NS-Rassenpolitik ab. Nach dem Krieg wurde sie entnazifiziert, arbeitete nach Jahren der Internierung u.a. wieder als Testpilotin und war Mitbegründerin der Vereinigung Deutscher Pilotinnen.
-
Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg (1903-1945), die Schwägerin des Hitler-Attentäters, studierte u.a. Flugzeugmechanik und ließ sich für Testflüge als Flugzeugführerin ausbilden. Sie arbeitete für die Luftwaffe, wurde aber wegen ihrer jüdischen Herkunft entlassen. Sie besaß Flugscheine für alle Klassen von Motor- und Segelflugzeugen sowie für Kunstflüge und war als zweite Frau Deutschlands nach Hanna Reitsch „Flugkapitän“. Im Zweiten Weltkrieg bewarb sie sich als Sanitätsfliegerin beim DRK, wurde aber für Sturzflugtests zwangsverpflichtet, von denen sie ca. 2.500 durchführte. Nach dem Attentat vom 20.Juli 1944 kam ihre Familie in Sippenhaft. Bei dem Versuch, den Aufenthaltsort ihres Mannes in einem KZ per Flugzeug ausfindig zu machen, wurde sie 1945 abgeschossen.
-
Beate Uhse (1919-2001) war u.a. die erste und einzige Stuntpilotin Deutschlands, die auch Männer in Flugszenen doubelte.
Diese Frauen waren Flugpionierinnen und Ausnahmepilotinnen ihrer Zeit. Leider ging es in der Folgezeit nicht weiter auf- und vorwärts. Bei der Deutschen Lufthansa kamen erst 1988 wieder Frauen ins Cockpit („Hahnengrube“=Arena für Hahnenkämpfe – ob das deswegen so heißt?).
2013 waren laut einem Bericht des „Spiegel“ von rund 6.000 Pilot/inn/en nur gut 300 Frauen (5%, kaum mehr als beamtete Staatssekretärinnen).
Eine der ersten Nachkriegs-Flugkapitäninnen der Lufthansa-Neuzeit (ab 1955) erzählt die schöne Geschichte, wie sie bei einem Nachtflug einem Controller ihre Position durchgab und der baff zurückfragte: „You are a madam, Sir?“
Oh boy, da ist noch viel zu tun – bei den Pilotinnen, den beamteten Staatssekretärinnen, den Frauen in anderen Führungspositionen und überhaupt... Packen wir’s an!
Ich wünsche Ihnen einen tollen 8. März und immer hoch hinaus – über den Wolken soll die Freiheit ja grenzenlos sein....!
Mit grenzenlos-herzlichen Grüßen
Ihre Kristin Rose-Möhring
|
Folgen Sie uns auch auf Twitter! |

