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(Keine) Vorsätze für das neue Jahr – mein Achtel Lorbeerblatt

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Silvester ist noch nicht lange vorbei. Das war die Gelegenheit, gute Vorsätze zu fassen und sich oder die Umstände oder was auch immer zu ändern. Bisher habe ich das meist auch getan, d.h. mir vorgenommen, etwas zu ändern. Das Ergebnis war meist durchwachsen. In diesem Jahr aber ist mir die Lust vergangen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

damit Sie die Geschichte besser verstehen, muss ich früher ansetzen. Vor vielen Jahren war ich dienstlich zuständig für einen Teilbereich der politischen Bildung und als Abkömmling eines „Lehrkörper“-Clans (viele nahe Verwandte waren Lehrer/innen) war ich begeistert und mit Engagement, um nicht zu sagen Feuereifer bei der Sache. Immer wieder aber stieß ich auf Hindernisse, wenn ich Vorschläge vorlegte, von den Geldtöpfen etwas abhaben wollte, mit anderen Begeisterten Konzepte erstellte und, und, und.

Irgendwann war ich frustriert und forschte nach den Ursachen dieser vielen Stolpersteine. In einem vertraulichen, nicht zitierfähigen Vier-Augen-Gespräch wurde mir signalisiert, ich ginge zu emotional und überschwänglich an die Sache heran. Das setzte meine meist hochrangigen männlichen Gesprächspartner unter moralischen Druck und machte ihnen ein schlechtes Gewissen, denn sie seien meiner Meinung, aber die Sachzwänge....

Aha! Also etwas runterkommen von den Emotionen und sachlicher werden. Gehört, getan, auch wenn’s schwer fiel.

Dann wurde ich Gleichstellungsbeauftragte. Auch hier immer wieder endlose Diskussionen. Ich argumentierte – selbst keine Juristin – streng logisch am Gesetz entlang und verwies auf die Bestimmungen, die fachlichen Zuständigkeiten etc. pp.

Ich betonte, dass es nicht um das ginge, was ich oder andere gerne wollten, sondern darum, was das Bundesgleichstellungsgesetz, das Grundgesetz etc. vorgäben. Aber auch hier wurde es nicht einfacher.

Da ereilte mich die kühne Mitteilung, ich sei immer so sehr auf der Sachebene, so auf das Gesetz fixiert, zu sehr sachorientiert, so gleichstellungslogisch. Hier spielten eben immer auch Menschliches, Gefühle und Befindlichkeiten meiner Gegenüber eine Rolle. Subtext: Frau müsse den oberen Damen und Herren eben auch mal um den Bart oder um sonst was gehen, wenn frau etwas erreichen wolle.

Hallo???? Ich bin doch nicht im Kindergarten! Oder doch? Das Gespräch fand ich jedenfalls bezeichnend, aber weniger im Hinblick auf mich.

Und dann fiel mir auch wieder meine Begegnung mit einem höheren Herrn ein, die ich vor Jahren hatte. Mit ihm diskutierte ich oft intensiv über Verwaltungsvorgänge, die mal mehr, mal weniger gleichstellungsrelevant waren, und es wurde auch gerne etwas heftiger, etwas emotionaler.

Als ich dann einmal – in Kommunikationstheorie frisch geschult/“Umgang mit schwierigen Gesprächspartnern“ – bemerkte, wie schade es sei, dass wir von der Sachebene immer wieder auf die Beziehungsebene rutschten, war die Antwort: „Das hätten Sie wohl gerne“.

Ein weiteres Nachdenken über diesen Satz habe ich mir damals verboten.

Aber wissen Sie was? Fürs neue Jahr halte ich es einfach mit Reinhard Mey. Der schrieb vor vielen Jahren: „Und ich bedenk‘, was ein jeder zu sagen hat,/ Und schweig‘ fein still,/ Und setz‘ mich auf mein achtel Lorbeerblatt/ Und mache, was ich will“*.

Liebe Gleichstellungsbeauftragte, liebe Gleichstellungsinteressierte, wenn Ihnen so was auch passiert/e, denken Sie daran: And‘ren Leuten recht getan, ist eine Kunst die niemand kann. Bleiben Sie also, wie Sie sind, vermutlich ganz in Ordnung, und gehen Sie Ihren Weg.

Denn wie singt Reinhard Mey am Ende seines Liedes:

„Es gibt noch ein paar Leute,
Und an die hab‘ ich gedacht,
Für die hab‘ ich meine Lieder
So gut es geht gemacht,

Die beim großen Kesseltreiben
Nicht unter den Treibern sind.
Solang‘ mir ein paar Freunde bleiben,
Hängt meine Fahne nicht im Wind.

Und ich scher‘ mich den Teufel um Goliath,
Und schweig‘ fein still.
Habt Dank für das achtel Lorbeerblatt,
Auf dem ich tun kann, was ich will.“

Mit vorsatzlosen Grüßen, aber dennoch auf ein erfolgreiches neues Jahr

Ihre Kristin Rose-Möhring


* Mein achtel Lorbeerblatt von Reinhard Mey: „Dem einen sitzt meine Nase zu weit links im Gesicht,/Zu weit rechts erscheint sie dem anderen und das gefällt ihm nicht./Und flugs ergreift das Wort der Dritte/Und der bemerkt alsdann:/Sie sitzt zu sehr in der Mitte/Und ich sollt‘ was ändern daran.//Und ich bedenk‘, was ein jeder zu sagen hat,/Und schweig‘ fein still,/Und setz‘ mich auf mein achtel Lorbeerblatt/Und mache, was ich will.//Die einen hör‘ ich sagen,/Ich sei der alte nicht mehr,/Und wieder andere sich beklagen,/Dass ich noch der alte wär‘./Dann sagt ein Musikkritiker,/Dem‘s an Argumenten gebricht:/„Sie war‘n doch früher einmal dicker“./Da widersprech‘ ich ihm nicht.// Refrain//Am Hungertuch zu nagen,/Ist des Künstlers schönstes Los./Im Gegenteil, so prunkvoll,/Wie ein Papst sein,/Macht ihn groß./Das alles sei Hose wie Jacke./Ob Schulden, ob Geld auf der Bank!/Hauptsache, er hat ‘ne Macke/Und nicht alle Tassen im Schrank.// Refrain//Dem einen ist meine Hose/Schon längst zu abgenutzt,/Dem anderen wieder bin ich/Zu prächtig rausgeputzt./Der Dritte hat was gegen Westen/Und einen Rat für mich bereit:/Ich gefiele ihm am allerbesten/Im langen Abendkleid.// Refrain//Mit großer Freude sägen/Die einen an meinem Ast,/Die andern sind noch beim Überlegen,/Was ihnen an mir nicht passt,/Doch was immer ich tun würde,/Ihre Gunst hätt‘ ich schon verpatzt,/Also tu‘ ich, was ein Baum tun würde,/Wenn ein Schwein sich an ihm kratzt.// Refrain//Es gibt noch ein paar Leute,/Und an die hab‘ ich gedacht,/Für die hab‘ ich meine Lieder/So gut es geht gemacht,/Die beim großen Kesseltreiben/Nicht unter den Treibern sind./Solang‘ mir ein paar Freunde bleiben,/Hängt meine Fahne nicht im Wind.//Und ich scher‘ mich den Teufel um Goliath,/Und schweig‘ fein still./Habt Dank für das achtel Lorbeerblatt,/Auf dem ich tun kann, was ich will.“

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