Kinderbetreuung, Betreuungsgeld und andere Fragezeichen
Liebe Leserin, lieber Leser,
immer noch wird über die Frage gestritten, wie sinnig oder unsinnig ein solches Instrument ist vor dem Hintergrund
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des gesetzlichen Anspruchs auf einen Betreuungsplatzes für Kinder unter 3 Jahren seit 2013,
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der Möglichkeit zur freien Entscheidung von Familien über ihr Lebensmodell,
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fehlender Betreuungsangebote und damit der fehlenden Möglichkeit zu eben dieser freien Entscheidung, d.h. der realen Vereinbarkeit von Beruf und Familie,
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des möglichen Missbrauches der Geldleistung für andere Zwecke als Kindererziehung,
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der wachsenden Zahl von Ein-Elter-Familien, die auf Kita-Plätze für eine Erwerbstätigkeit besonders angewiesen sind,
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dem immer deutlicher werdenden Fachkräftemangel und der bestausgebildeten Frauengeneration, die wir je hatten, sowie dem Bedarf des Arbeitsmarktes an genau diesen Frauen,
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der stark gestiegenen Zahl von Kindern, die keine Geschwister haben und für die das erweiterte Erlernen sozialer Kompetenzen in einer Kita mit anderen Kindern wichtig wäre,
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der notwendigen sprachlichen und gesellschaftlichen Integration von Kindern mit ausländischen Wurzeln, wenn zu Hause nicht Deutsch gesprochen wird und diese Kinder daher ggf. mit mangelhaften Sprachkenntnissen in die Grundschule kommen, sowie
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der immer noch fehlender Aufstiegschancen für Frauen.
Ein wichtiger Aspekt ist auch die Frage, wie sinnvoll es ist, Eltern individuell mit vergleichsweise kleinen Beträgen zu unterstützen, statt die Gelder ein- und aufgespart zu Millionensummen bundesweit in den Auf- und Ausbau der Betreuungsangebote zu stecken. Und das ist nicht nur eine (bau-)technische und organisatorische Frage. Es ist vor allem eine, die ganz konkret eine Berufsgruppe betrifft, nämlich die der Erzieherinnen in Kitas (Erzieher gibt es natürlich auch, aber weit weniger).
Durch den Streik dieser Kolleginnen in den letzten Monaten rückt der Beruf jetzt wieder verstärkt ins Bewusstsein: Wie viel ist uns allen die Anerkennung der Erziehungsleistung wert – eben nicht die der Eltern, sondern die dieser Erzieherinnen, die sich zum Teil 40, 45 Jahre um (auch sehr) kleine Kinder kümmern?
Durch Gesetzesänderungen ist dieser Beruf anspruchsvoller und anstrengender geworden. Immer kleinere Kinder, d.h. U 3-Jährige kommen in die Kitas und brauchen intensive Betreuung. Es gibt mehr Anforderungen an das, was den Kindern vermittelt werden soll, und es entstand ein höherer bürokratischer Aufwand für die Dokumentation dieser Angebote. Zudem brauchen die Kita-Mitarbeiter/innen mehr Zeit für den Austausch mit den Eltern.
Die überwiegende Zahl der Kinderbetreuungseinrichtungen werden von Kommunen betrieben; in den letzten Jahren zunehmend aber auch von Bundesdienststellen wie Bundesministerien und Bundesämtern – Göttin bzw. den Gleichstellungsbeauftragten sei Dank.
Die Arbeitsleistung der Erzieherinnen, unserer Kolleginnen wird hoch geschätzt, großes Engagement aber auch quasi vorausgesetzt – schließlich geht es um („unsere“) Kinder und damit um unsere Zukunft. Aber genau da liegt die Häsin im Pfeffer: Die Vergütung bzw. das Entgelt der Erzieherinnen hat mit dem hochgesteckten Erwartungen nicht im Mindesten mitgehalten, ganz klar ein Grund dafür, dass den Beruf so wenige Männer ausüben. Gesellschaftliche Anerkennung ohne entsprechende finanzielle Gegenleistung ist in der Regel nicht ihr Ding (Ausnahmen bestätigen auch hier natürlich die Regel).
Unter anderem aus diesem Grund haben wir Gleichstellungsbeauftragte im Bereich des Bundes uns so vehement dagegen gewehrt, dass wir uns künftig auch dort für die Förderungen von Männern einsetzen sollen, wo diese nur rein zahlenmäßig unterrepräsentiert, aber nicht benachteiligt sind. Natürlich ist es wichtig, dass auch Männer den Beruf des Erziehers ergreifen. Aber es würde die Möglichkeiten von Gleichstellungsbeauftragten komplett sprengen, hier für Abhilfe und zahlenmäßigen Ausgleich zu sorgen.
Der Weg kann nur so sein, wie ihn die Erzieherinnen nun gehen: über tarifliche Forderungen an die Tarifparteien. Es muss eine höhere Eingruppierung der Erzieherinnen im Tarifgefüge stattfinden. Die Erzieher kommen dann schnell nach.
Sollte das Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeld im Sommer kippen, was nach der mündlichen Verhandlung Mitte April möglich erscheint, könnte zumindest auf Bundesebene eine Lösung in der Entgeltordnung gefunden und die Erzieherinnen in höhere Entgeltgruppen eingestuft werden. Beim Betreuungsgeld geht es um Millionensummen* – ein Sparpotential, von dem zu partizipieren unsere Kolleginnen allemal verdient hätten. Unterstützen wir sie also entsprechend.
Mit solidarischen Grüßen
Ihre Kristin Rose-Möhring
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