Köln und die Folgen
Liebe Leserin, lieber Leser,
begonnen hat sofort das übliche Rauschen im Blätterwald und Verantwortliche überbieten sich mit mehr oder weniger guten Vorschlägen zur Verschärfung von Gesetzen, Beschuldigungen und vielem mehr.
Deutlich wird zunehmend, dass es sich wohl um eine organisierte Aktion gehandelt hat. „Solche Ausbrüche kollektiver sexueller Gewalt wie in der Silvesternacht in sechs europäischen Ländern und Dutzenden von Städten hat es bisher in Europa noch nie gegeben. Das ist eine neue Dimension“, schreibt Alice Schwarzer auf der Internetseite von „Emma“1 und liegt damit wohl richtig. Auch die Bundesminister der Justiz und des Inneren, Heiko Maas und Thomas de Maizière haben ähnliche Vermutungen angestellt.
Deutschland- oder gar Europa-weite Aktionen müssen entsprechend übergreifend angegangen werden. Doch ausgerechnet jetzt sind sowohl Deutschland als auch Europa in der Frage von Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik tief gespalten. Das betrifft genau den Kreis von Tätern, der hier nun im Fokus steht. Aber: Wieder einmal werden alle über einen Kamm geschoren und Differenzierungen fehlen.
Es geht hier um die Haltung aller zu den Rechten von Frauen, um Werte in unserem Land wie Gleichberechtigung, Gleichstellung, Menschenwürde, die immer auch die Würde der Frauen ist, aber auch um unsere Einstellung zu Fremden, zu Flüchtlingen und zu Integration.
Grenzen dichtmachen für Flüchtlinge vor Krieg und Verfolgung ist keine Lösung. Wie klar muss uns heute noch vor Augen stehen, dass Deutsche während des Nazi-Terrors 1933 bis 1945 in anderen Ländern aufgenommen wurden, dass es aber auch Länder gab, die die Einreise verweigerten und Betroffene dem sicheren Tod auslieferten.
Was wir jetzt brauchen, ist zum einen Bildung, Bildung und nochmals Bildung – gemeint ist politische Bildung und als ehemals Zuständige für die politische Bildung von Zivildienstleistenden weiß ich, wovon ich spreche - und zum anderen eine intensive Auseinandersetzung mit der Stellung der Frau in unserer Gesellschaft.
Differenzierungen sind wichtig, denn die Rechten, die Rechtsradikalen und die Anhänger/innen nationalistischer Ideen, die sich nun besonders zur Verteidigung deutscher Lebensart und –kultur aufschwingen, sind außerhalb der Flüchtlingsfrage alles andere als die Frontkämpfer/innen für Gleichberechtigung. Auch sie streben immer noch oder wieder eine patriarchalische Gesellschaftsform an, in der mit starker Hand regiert und durchgegriffen wird, wenn „Not am Mann“ ist. Not an der Frau, besser Not für die Frau kommt in ihrer Ideenwelt kaum vor. Hier ist also Vorsicht angesagt.
Was wir brauchen, ist eine gesellschaftsweite Diskussion über die Stellung und die Rechte von Frauen in unserer Gesellschaft und dazu gehören nicht nur Bekenntnisse von männlichen Verantwortlichen zu Gleichstellung und zur Erreichung der Ziele des Artikels 3 Absatz 2 („Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“). Dazu gehören auch männliche Feministen, die diese Haltung klar und deutlich zum Ausdruck bringen und damit verhindern, dass Feminismus immer noch der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Hier möchte ich abgewandelt mit Hedwig Dohm sprechen: „Mehr Mut, Ihr Männer!“
Mit Lächerlich-Machen fängt es an, mit Gewalt hört es auf. Das erfahren in diesen Wochen ausländische Frauen, die aus Not zu uns gekommen sind und hier Sicherheit suchten. Das haben die betroffenen Frauen in der Silvesternacht erfahren und das erfahren tägliche viele Frauen, die Diskriminierung, verbalen und körperlichen Attacken bis hin zu (häuslicher) Gewalt ausgesetzt sind.
Ohne das Leid der betroffenen Frauen der Silvesternacht schmälern und ohne die Integrationsproblematik wegdiskutieren zu wollen, täte uns eine Diskussion gut, wie frauenfreundlich oder doch frauenfeindlich unsere Gesellschaft immer noch ist. Das täte uns allen gut!
In diesem Sinne mit hoffnungsvollen Grüßen
Ihre Kristin Rose-Möhring
1 http://www.aliceschwarzer.de/artikel/war-die-silvester-terrornacht-organisiert-331391
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