Lästige Verfassung
Liebe Leserin, lieber Leser,
zum Glück haben wir einen Bundesinnenminister, der als oberster Verfassungsschützer weiß, wie’s geht oder zumindest glaubt, es zu wissen. An diesem, in den letzten 15 Monaten als Bundesinnenminister angesammelten Wissen hat er uns jetzt teilhaben lassen. Auf den Punkt gebracht bedeutet das:
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„Man“ gibt dem Gesetz – Langweile signalisierend – einen möglichst einfachen und unverfänglichen Namen.
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„Man“ bringt das Gesetz stillschweigend ein, ohne hohe Wellen einer Diskussion zu schlagen, und
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macht „man“ es möglichst kompliziert; dann fällt es nicht so auf.
Dass der Bundesinnenminister diese Verfahrensweise für gerechtfertigt und geradezu unumgänglich hält, weil er glaubt, Gesetze, die er für notwendig erachtet, würden sonst hinterfragt und dies sei unzulässig, ist ein politischer Skandal.
An dieser Stelle geht es mir aber um das von ihm so süffisant-verschmitzt vorgestellte Verfahren an sich. Da zeigt sich doch, dass 15 Monate nicht genügen, einen gewieften Bundesinnenminister zu formen. Ein an sich rechtmäßiges Gesetz unter dem öffentlichen Radar zu halten, wenn auch aus den falschen, politisch höchst bedenklichen Gründen, ist angesichts dessen, was andere leisten, nur Stümperei; ebenso sich auch noch öffentlich darüber zu freuen, dass es funktioniert hat. Das können andere wirklich besser.
Nehmen wir nur das uns bestens bekannte Beispiel des Bundesgleichstellungsgesetzes und den Versuch der damaligen Bundesfrauenministerin 2015, darin eine grundgesetzwidrige Männerförderung zu etablieren. Zunächst wurde das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ mit großem Tamtam angekündigt und begleitet. Das Gesetz enthielt 23 Artikel und mit einem davon wurde das BGleiG neugefasst. Die darin enthaltene grundgesetzwidrige Männerförderung wurde vor dem Hintergrund des hochgepushten Ziels, der Privatwirtschaft eine kleine Quote zu verpassen, beinahe übersehen. Nur unter größten Anstrengungen ist es gelungen, in letzter Minute Korrekturen am Entwurf durchzusetzen*.
Redaktionell erfolgte das wegen des Zeitdrucks nur unzureichend und so liest sich für unbefangene Leserinnen und Leser § 1 heute noch, als müssten nach dem Gesetz auch „benachteiligte“ Männer gefördert werden.
Ständig haben Gleichstellungsbeauftragte nun damit zu tun, eine grundgesetzkonforme Interpretation des BGleiG einzufordern und durchzusetzen.
Der Gedanke einer Männerförderung steht damit im Wortlaut des Gesetzes und dringt immer weiter in das Bewusstsein der Menschen ein. Die jüngsten Bemühungen der Verwaltungen um eine Männerförderung laufen unter dem Stichwort „ausgewogene Beschäftigtenstruktur“.
Der Gedanke ist da und kaum mehr auszumerzen. Fatal, vor allem im Hinblick darauf, dass Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 GG nur von Hinwirken auf „die Beseitigung bestehender Nachteile“ spricht, die es bei Männern erwiesenermaßen nicht gibt.
So, lieber Herr Bundesinnenminister, bringt „man“ schräge politische Gedanken in ein Gesetzgebungsverfahren ein und hinterlässt zumindest Spuren. Das können Sie auch bei Ihrer derzeitigen Kabinettskollegin, der Bundesfrauenministerin, lernen. Diese will das BGleiG erneut reformieren, hat dem Vernehmen nach auch schon einen Gesetzesentwurf vorliegen und es ist ihr gelungen, bisher alle, von denen Kritik zu erwarten ist, z.B. den Interministeriellen Arbeitskreis der Gleichstellungsbeauftragten der obersten Bundesbehörden, aus dem Verfahren heraus- und den Entwurf geheim zu halten.
15 Monate Lehrzeit als Bundesinnenminister und kleine Lausbubentricks genügen nicht. Es wird Zeit für eine gestandene Frau als Bundesinnenministerin. Frauen sind eben auch dann oft besser, wenn es in der Sache gar nicht gut ist.
Mit besorgten Grüßen
Ihre Kristin Rose-Möhring
* Beschlussempfehlung BT-Drs. 18/4227 vom 04.03.2015
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