Legal ist gut – aber nicht gut genug!
Liebe Leserin, lieber Leser,
eine gute Verwaltung hält sich nicht nur im Rahmen des Wortlautes der Gesetze, sondern füllt auch die gegebenen Handlungs- und Interpretationsspielräume im Sinne der gesetzlichen Ziele optimal aus. Der Verfassungsauftrag aus Artikel 3 Satz 2 GG „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“ wird durch den Gesetzgeber in Form des BGleiG erfüllt.
Dort, wie in anderen (Landes-)Gleichstellungsgesetzen, sind auch konkrete Maßnahmen zur Frauenförderung vorgesehen. Das gilt nur für Frauen- und nicht für Männerförderung, obwohl immer wieder versucht wird, letzteres aus den Texten herauszulesen. Der Grund ist, dass Frauen in unserer Gesellschaft noch immer strukturell benachteiligt sind, Männer aber nicht, wie die Bundesregierung wiederholt auf Nachfrage einräumen musste.
Schon damit bewegen sich alle Überlegungen und Maßnahmen von Verwaltungen zu einer Männerförderung in einem illegalen, nicht verfassungskonformen Bereich. Das gilt auch für politisch ambitionierte Personen in Spitzenämtern. Sie müssten, wenn sie etwas daran ändern wollten, auf dem politischen Weg an das Grundgesetz herangehen.
Konkrete Frauenförderung in Form des beruflichen Aufstiegs ist gewöhnlich an eine Quote gebunden. Dabei zeigt sich die Abhängigkeit der Frauenförderung von einem guten und legalen Verwaltungshandeln. Schon beim „Köpfezählen“ liegt vieles im interpretationsfähigen Argen. Wer gehört zu der zu berücksichtigenden Gruppe? Gilt der eine Kopf mehr, der bei Betrachtung einer ungeraden Gesamtzahl (§ 3 Nr. 10 BGleiG) das Ergebnis noch ausgeglichen macht, nur für die Ausgangslage oder das zu erreichende Ziel? Ist das Zählen von Köpfen überhaupt die zweckmäßigste Methode oder müsste vor dem Gesamtziel des gleichen Anteils an den Macht- und Einkommensstrukturen nicht in Vollzeitäquivalenten gerechnet werden?
Aber wann kommen wir in der Praxis überhaupt zu diesen Überlegungen? Vor der Quote liegt die Hürde der gleichen Qualifikation. Es wäre wünschenswert, dass die Qualifikation objektiv bestimmt wird. Sie unterliegt jedoch der subjektiven Einschätzung bzw. Bewertung gerade der Verwaltungshandelnden, die zur Durchsetzung des Legalitätsprinzips in der Gleichstellung aufgerufen sind. Meist geht es um Ermessen und ist nur sehr sehr eingeschränkt justitiabel. Hier haben auch Wohlwollen oder Abneigung und schon gar keine Voreingenommenheit etwas zu suchen; höchstens ein gutes Gewissen.
Es ist kaum zu glauben, wie selten eine Frau aufgrund der Frauenförderungsvorschriften des BGleiG tatsächlich befördert wird. Diese Tatsache ist eine ständige Begleiterin in meinem Berufsleben als Gleichstellungsbeauftragte und auch meiner Kolleginnen. Statistisch lässt sich damit nachweisen, dass Verwaltungshandeln im Rahmen der BGleiG-Gesetzgebung nicht wirklich richtig und gut ist. Ermessensausübung ist zwar legal, aber mangels ausreichender gerichtlicher Überprüfbarkeit nur formal legal.
Diese „Proforma-Legalität“ wird nicht nur durch die Schwäche gerichtliche Kontrolle, sondern auch durch erhebliche Einschränkungen der Kontrollfunktion der Gleichstellungsbeauftragten geschützt. Die Gleichstellungsbeauftragte kann höchstens wegen nicht erfolgter oder nicht ausreichender Beteiligung am Verwaltungsverfahren klagen. Daraus erwachsende Fehler oder Unzulänglichkeiten sind einer Klage durch die Gleichstellungsbeauftragte entzogen.
Dagegen, d.h. für ein erweitertes Klagerecht, kämpfen wir Gleichstellungsbeauftragte seit Jahren.
Leider kann ich eine Wette darauf abschließen, dass die zurzeit im Bundesfrauenministerium angeblich erarbeitete BGleiG-Novellierung hier keinen Fortschritt bringen wird. In der Politik scheint eher die Meinung vorzuherrschen, immer nur Frauen zu fördern, sei auf Dauer langweilig. Schließlich will frau, d.h. Politikerinnen auch von Männern gewählt werden.
Aber wir geben nicht auf!
Mit entsprechenden Grüßen
Kristin Rose-Möhring
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