Luther und die Frauen
Liebe Leserin, lieber Leser,
meist war/ist das nicht so, wie ich vor einigen Jahren in mehreren Fällen (Mozart, Heine, Einstein, Schumann, Brecht, Freud und eben Luther) recherchiert habe. Alle hatten Mütter, Töchter, Schwestern und/oder vor allem Ehefrauen, die sie massiv unterstützten und ohne deren Hilfe sie ihre Werke nicht hätten schaffen können. Der altbekannte Spruch gilt eben immer noch: „Ein erfolgreicher Mann hat eine Familie im Rücken, eine erfolgreiche Frau hat eine Familie im Nacken.“
Bei Martin Luther war es genauso: Ohne seine Frau Katharina von Bora hätte er nicht das sein können, was er wurde, war und bis heute ist: Ein Reformator von Weltruhm, der im Glauben neue Wege wies und z.B. durch seine Bibelübersetzung Menschen Wissen, Bildung und damit die Möglichkeit zur Emanzipation vermittelte, d.h. zur Auseinandersetzung mit Macht und Machtmissbrauch.
Katharina von Bora war die „Frau an seiner Seite“ und gleichzeitig weit mehr als das. Die Geschichtsschreibung hat sie weitgehend vergessen und wenn nicht, ist ihr Platz in der Geschichtsbüchern eher „adlig“ definiert, d.h. als „Frau von…“.
Ohne Katharina von Bora wäre der Reformator im Chaos des Alltags versunken und die lutherische Reformation nicht vorangekommen. Sie übernahm die gesamte Organisation seines Lebens, einschließlich Vermögensverwaltung und dem Eintreiben von Schulden, wenn Luther mal wieder großzügig Geld verliehen hatte, das für die große Familie gebraucht wurde.
Neben der Instandhaltung aller Gebäude beschäftigte sie sich mit Obst- und Gemüseanbau, Tierhaltung, Errichtung und Betrieb eines Backhauses, Fischzucht in eigenem Bach und Teich sowie Weinanbau und Bierbrauerei einschließlich Hopfengarten. Historiker/innen sprechen davon, dass Katharina die „Managerin eines mittelständischen Betriebes mit niedriger Fertigungstiefe“ war.
„Nebenbei“ bekam sie sechs eigene Kinder, nahm elf weitere aus der Verwandtschaft auf und versorgte die zahlreichen Gäste. Durchschnittlich 40 Personen saßen täglich an ihrem Tisch.
Für manche Zeitgenossen war Katharina die „Xanthippe der Reformation“, für andere die Lichtgestalt im Hause Luther.
Sicher ist, dass Luther, der von Frauen im öffentlichen Leben nichts wissen wollte, Katharinas Führungsfunktion im Haus hoch achtete. Scherzhaft nannte er sie wegen ihrer Begabung zur Verwalterin "Herr Käthe". Das sagt viel, denn Luther und Frauen – das war ein besonderes Thema. Das Nachlesen seiner Zitate lässt frau geradezu vom Glauben abfallen, wenn sie denn noch einen hat (siehe Blog „Frauen und Religion“ vom 1.10.2012).
Aussagen wie „Die größte Ehre, die das Weib hat, ist allzumal, daß die Männer durch sie geboren werden“ oder „Man soll Frauen loben, es sei wahr oder gelogen, sie bedürfen's wohl“ sind noch die harmloseren Varianten.
Mein „Lieblingsspruch“ ist „Eine Frau hat häuslich zu sein, das zeigt ihre Beschaffenheit an; Frauen haben nämlich einen breiten Podex und weite Hüften, daß sie sollen stille sitzen2“. Darauf muss ich dann postwendend antworten mit einem Zitat der Schweizer Frauenrechtlerin Josi Meier. „Erst heute begreife ich jene Männer, die mir am Anfang meiner Karriere sagten, die Frau gehöre ins Haus. Recht hatten sie. Die Frauen gehören ins Gemeindehaus, ins Rathaus, ins Bundeshaus“3. Recht hatte auch sie, denn dort, in der Politik und z.B. auch in der Verwaltung wird viel gesessen; da sind wir Frauen also alle vollkommen richtig und können mitreden. Stürmen wir die Häuser – Luther zum Trotz.
Doch zurück zum großen Reformator, dessen Leistung nicht geschmälert werden soll. Es darf nur nicht untergehen, dass er nicht alles allein schaffte. Und so ist es beruhigend, dass von der o.g. Internetseite auch weitergeklickt werden kann auf Katharina von Bora. Frau muss allerdings ein bisschen suchen4 – chercher la femme, einmal anders!
Zudem: Nach Luther sind Straßen, Plätze, Denkmäler und sogar Züge benannt. Aber nur in Torgau, wo Katharina 1552 starb, gibt es eine Gasse, die ihren Namen trägt. Ihren 500. Geburtstag konnten wir 1999, ihren 450. Todestag 2002 feiern. Haben wir?
Nein, haben wir natürlich nicht, aber 2017 bietet beste Gelegenheiten, die Geschichte(n) der Frauen der Reformation, ihren Stellenwert, ihre Leistungen zu feiern, denn Katharina von Bora war nicht die einzige; es gab viele wegweisende Frauen in dieser Zeit des Umbruchs5. Daher sollte das „Luther-Jahr“ besser umgetauft werden in „Jahr der Reformation“, dann würde auch den Frauen dieser Zeit Gerechtigkeit widerfahren.
Mit frauen-reformatorischen Grüßen
Kristin Rose-Möhring
1 http://www.luther2017.de/
2 zitiert nach Arnulf Zitelmann, 1997, „Widerrufen kann ich nicht. Die Lebensgeschichte des Marthin Luther“, Beltz & Gelberg (S. 111)
3 http://de.wikipedia.org/wiki/Josi_Meier
4 http://www.luther2017.de/reformation/und-ihre-menschen/katharina-von-bora/
5 http://www.frauen-und-reformation.de/index.php
|
Folgen Sie uns auch auf Twitter! |

