Männer, Macht und Missbrauch
Liebe Leserin, lieber Leser,
vier eklatante Fälle füllten übers Jahr die Medien: Der mögliche Anwärter auf das französische Präsidentenamt Dominique Strauss-Kahn – obwohl als notorischer Schürzenjäger und für z.T. auch gewalttätige Übergriffe auf Frauen bekannt – konnte beim Vorwurf der Vergewaltigung eines „Zimmermädchens“ über seine Anwälte die Glaubwürdigkeit des Opfers erschüttern lassen und die Anklage wurde entsprechend dem US-amerikanischen Rechtssystem fallen gelassen. Allerdings läuft noch die zivilrechtliche Klage gegen ihn, im eigenen Land droht ihm weiteres „Ungemach“ und zumindest die Präsidentschaftskandidatur ist futsch.
In Italien sah sich der Ministerpräsident Berlusconi wegen seiner „Bunga-Bunga“-Partys – was für ein Wort! – und mutmaßlicher Begünstigung der Prostitution Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und massiven Vorwürfen wegen des Missbrauchs Minderjähriger ausgesetzt. Dies trieb schließlich Italienerinnen in Scharen zu Demonstrationen auf die Straße, zumal auch Berlusconis Medienimperium seit Jahren ein übersexualisiertes Frauenbild propagiert. Ende 2011 musste er zurücktreten.
„Wetterfrosch“ Jörg Kachelmann kam über Monate nicht aus den Schlagzeilen, als sein Fall – Vorwurf: Vergewaltigung einer Freundin – vor Gericht verhandelt wurde. Er wurde zwar freigesprochen, aber es war ein Freispruch dritter Klasse, denn massive Zweifel blieben. Angesichts des Mangels an Beweisen musste das Urteil lauten: „Im Zweifel für den Angeklagten“. Seine TV-Karriere aber ist futsch, die Glaubwürdigkeit seines möglichen Opfers allerdings auch.
Der israelische Staatspräsident Mosche Katzav wurde 2010 wegen Vergewaltigung und sexueller Belästigung sowie Behinderung der Justiz zu sieben Jahren Haft verurteilt. Er war so weit gegangen, die Frauen, die er belästigen wollte, vorab unter Druck „Verehrerinnen-Briefe“ schreiben zu lassen, damit er später etwas in der Hand hatte, falls sie gegen ihn vorgehen wollten. Perfide, aber es nützte ihm nichts. Nach Bestätigung der Verurteilung durch das Oberste Gericht musste er im Dezember 2011 seine Haftstrafe antreten.
In aufgeklärten Zeiten wie den unseren sind solche Fälle erschreckend. Oder kommt nur einfach mehr ans Licht und Frauen wehren sich offensiver? Das zumindest wäre ein Fortschritt, aber die Frauen sind in diesen Fällen auch immer doppelt Opfer und kaum eine würde diesen Weg wieder gehen.
Sicher sind die genannten Fälle besonders dramatisch, weil politisch bedeutend und/oder besonders pressewirksam. Sie sind aber mit Sicherheit nur die Spitze des Eisbergs. Sie machen deutlich, wie weit wir von Gleichberechtigung noch entfernt sind, denn einige mächtige Männer nehmen sich „ihr“ vermeintliches Recht einfach – auch im Behördenalltag, wenn vom „Chef“ Sätze fallen wie „Bewegen Sie Ihren hübschen Ar… sofort hierher“.
Von Gleichstellung wollen wir hier erst gar nicht reden. Oder kennen Sie Fälle sexuellen Machtmissbrauchs durch einflussreiche Frauen in der oben beschriebenen massiven Form oder auch nur Bemerkungen wie die zuletzt genannte? Göttin sei Dank vermutlich nicht.
Gut, dass es im Bundesgleichstellungsgesetz zumindest die Hilfe durch die Gleichstellungsbeauftragte gibt. Ihre Aufgabe ist gemäß §19 (1) auch der Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Verantwortlich für die Umsetzung des Gesetzes aber sind auch alle Beschäftigten, insbesondere die Führungskräfte, bei diesem Thema vor allem die männlichen.
Ein guter Vorsatz für das neue Jahr. Auf ein diskriminierungs- und belästigungsfreies 2012!
Herzlich,
Ihre Kristin Rose-Möhring
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