MINT und SAGE
Liebe Leserin, lieber Leser,
inzwischen gibt es ein neues Akronym: „SAGE“. Es steht für die Berufe quasi am anderen Ende des Spektrums: SA wie Soziale Arbeit, G wie Gesundheit und Pflege, E wie Erziehung und Bildung. SAGE bezeichnet damit die bisher auch als „Care-Berufe“ bekannten typischen Frauensparten Sozialarbeiterinnen, Alten- und Krankenpflegerinnen, Betreuerinnen, Erzieherinnen, Lehrerinnen etc.
Prof. Mergner von der Fachhochschule für Soziale Arbeit in Köln, der den Begriff ca. 2012 prägte, definiert SAGE-Berufe als diejenigen, bei deren Tätigkeit es um die Erbringung personenbezogener sozialer Dienstleistungen geht. Die Soziale Arbeit befasst sich mit der gesellschaftlichen Integration von Menschen, bei Gesundheit und Pflege geht es um den physischen und psychischen Zustand und das Wohlbefinden von Menschen, Erziehung und Bildung befassen sich mit der Entwicklung und Persönlichkeitsbildung von Menschen1.
Ausgehend von dem Begriff MINT sollte SAGE in gleicher Weise ein umfassender „Dachbegriff“ sein, der die Probleme dieser Sparten zusammenfassen und so ggf. zu gemeinsamen Anstrengungen zur Lösung bestehender Probleme führen kann.
Die SAGE-Berufe sind bekanntermaßen schlecht bezahlt und werden wenig wertgeschätzt. Oft sind die Frauen, die sie fast ausschließlich ausüben, (gewerkschaftlich) nicht oder nicht gut organisiert. Eines der seltenen Gegenbeispiele waren die Kita-Erzieherinnen, die zusammen mit der Gewerkschaft ver.di 2015 einen vielwöchigen Streik auf die Beine stellten und zumindest eine etwas bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen erkämpfen konnten.
Mangels Anerkennung und angemessener Bezahlung leiden SAGE-Berufe aber in der Regel unter zunehmendem Fachkräftemangel. Ein gemeinsames „Label“ soll diesen negativen Entwicklungen entgegenwirken und so etwas eine „corporate identity“ schaffen.
Da MINT im Englischen Pfefferminz/e bedeutet und den Eindruck von Frische vermittelt, plädiert Prof. Mergner dafür, SAGE französisch auszusprechen, denn da bedeutet es „„weise, verständig, besonnen, umsichtig und klug“. Außerdem klingt es ausgesprochen weich im Unterschied zu dem eher harten Klang von „mint“. Interessanteweise heißen die Hebammen in der französischen Sprache „sages femmes““2.
Mit einem neuen „Label“ allein wird es mit den so bezeichneten und zusammengefassten Frauenberufen aber nicht aufwärts gehen. Politik, Gesellschaft und vor allem die Tarifpartner müssen endlich anerkennen, dass diese Berufe den Zusammenhalt der Gesellschaft sicherstellen und einen hohen (Stellen-)Wert haben. Nur Menschen mit ausreichender Bildung und mit dem Gefühl der Sicherheit, dass sie sich auf soziale Systeme verlassen können, die wissen, dass ihnen geholfen wird, wenn sie Unterstützung brauchen oder in Not sind, werden sich ihrerseits gesellschaftlich engagieren, anderen helfen und unsere gesellschaftlichen Werte weitertragen.
Es ist typisch für unsere heutige Zeit, dass alles, was mit Technik zu tun hat und nach Fortschritt klingt, hoch geschätzt wird. Riesige Maschinen, die z.B. lange oder tiefe Tunnel bohren können, die schwere Lasten heben etc., werden als technische Wunder gefeiert und kleine Jungen träumen davon, sie bedienen zu können. Frauen, die als Pflegerinnen im Laufe ihres Lebens die gleichen Tonnenlasten tragen, wenn auch nicht auf einmal, werden geringer geschätzt und schlecht bezahlt.
Das muss sich ändern, denn sicher brauchen wir im Laufe unseres Lebens und speziell am Ende unseres Lebens viel MINT, z.B. Medizintechnik für lebenserhaltende und lebenserleichternde Maßnahmen. Aber das alles ist nichts, wenn es nicht Menschen gibt, die uns helfen und versorgen, gesundpflegen und auch beim Sterben begleiten.
MINT ohne SAGE geht also nicht. Nur ist diese Botschaft noch nicht wirklich angekommen. Beides ist gleichwertig und nötig, aber die unterschiedlich große Anerkennung und Bezahlung besteht derzeit noch und macht auch einen Teil des Gender Pay Gap und des Gender Pension Gap aus, der meist Frauen trifft. Das muss sich ändern.
Mit hoffnungsvollen Grüßen, dass es sich hier nicht nun um die Sage, d.h. das Märchen von der Anerkennung handelt,
Ihre Kristin Rose-Möhring
1 Siehe Aufsatz von Christel Baatz-Kolbe, Dr. Maria-Probst: Schule Würzburg, im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft für die Ausbildungsstätten Heilerziehungspflege und Heilerziehungspflegehilfe e.V. „SAGE – Berufe: mehr als ein Wortspiel? http://bag-hep.de/uploads/media/SAGE_-_Berufe.pdf
2 a.a.O.
1 Siehe Aufsatz von Christel Baatz-Kolbe, Dr. Maria-Probst: Schule Würzburg, im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft für die Ausbildungsstätten Heilerziehungspflege und Heilerziehungspflegehilfe e.V. „SAGE – Berufe: mehr als ein Wortspiel? http://bag-hep.de/uploads/media/SAGE_-_Berufe.pdf
2 a.a.O.
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