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Mut

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Es gibt viele Fähigkeiten, Eigenschaften und Kompetenzen, die eine Gleichstellungsbeauftragte für ihr Amt braucht. Bei einer intensiven Diskussion im Arbeitskreis sind wir vor einiger Zeit zu der Erkenntnis gekommen, dass es weniger die Fachkenntnisse sind, die den Erfolg einer Gleichstellungsbeauftragten ausmachen, als vielmehr die sogenannten „soft skills“, also die sozialen Kompetenzen. Von allen diesen Eigenschaften ist vielleicht die wichtigste Mut.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Mut braucht eine Gleichstellungsbeauftragte jeden Tag und überall. Das fängt bei der Wahl an, die sich für die Bewerberinnen anders als bei den Listen der Personalratswahlen für jede einzeln dienststellen-öffentlich abspielt.

Gibt es mehrere Bewerberinnen müssen eine oder auch ggf. mehrere die Niederlage aushalten. Gibt es nur eine Bewerberin, erhält sie in der Regel auch x oder –zig Nein-Stimmen, da die Wahlregeln so angelegt sind. Da kann also ein Sieg auch schon einmal einen bitteren Beigeschmack haben.

Nach der Wahl beginnt der „Weg des Mutes“ dann erst richtig, denn die Erfahrung hat uns gezeigt, dass jede neue Gleichstellungsbeauftragte immer wieder von vorne anfängt, selbst wenn ihre Vorgängerin/nen schon viele Beteiligungen erkämpft hatte/n. Jede muss neu ihren „Claim abstecken“ und mit ihrer Verwaltung um Informationen ringen.

Damit macht sie sich in der Regel nicht beliebt, denn jede Beteiligung muss von der Verwaltung organisiert werden und das ist in Zeiten knappen Personals natürlich ein Aufwand. Doch es hilft nichts: Das Gesetz ist da – und das auch schon seit fast zehn Jahren – und so dürfen wir Gleichstellungsbeauftragte eigentlich erwarten, dass uns nicht immer seufzend ein schlechtes Gewissen gemacht wird, wenn wir „schon wieder“ etwas wollen und die Prozesse angeblich so sehr verzögern.

Und es kann auch schon mal passieren, dass Mitarbeiter/innen der Verwaltung der Gleichstellungsbeauftragten verkünden, dass sie eine erbetene Information „nicht braucht, weil sie nicht entscheidungsrelevant sei“ – in klarer Verkennung der Tatsache, dass die Gleichstellungsbeauftragte in ihrem Auftrag als Gleichstellungscontrollerin (siehe den Blog-Beitrag „Gleichstellungsmanagement und -controlling“ vom 12.7.2010) sowie aufgrund ihrer Weisungsfreiheit selbst entscheidet, was sie zur Prüfung von Gleichstellungsfragen oder für eigene Initiativen braucht und was nicht.

Dazu kommt der ganz normale Alltag – manchmal auch der ganz normale Wahnsinn – von Gesprächen, Sitzungen, und Versammlungen, in denen die Gleichstellungsbeauftragte als Einzelkämpferin ihren Gleichstellungsauftrag wahrnehmen und ihre Meinung in Runden vor vielen anderen allein vertreten muss, die ihre Auffassung nicht teilen. Hier nicht locker zu lassen und die Hürden immer wieder anzugehen, erfordert Mut und natürlich eine hohe Frustrationstoleranz, denn Niederlagen sind reicher gesät als Siege.

Dazu hat das Bundesgleichstellungsgesetz bzw. das Bundesverwaltungsgericht zwischen die Gleichstellungsbeauftragte und ihre Wählerinnen die besondere Herausforderung der Aufgabenstellung gelegt: Die Gleichstellungsbeauftragte ist keine Interessenvertreterin, sondern „die dem Gemeinwohl verpflichtete Sachwalterin der im Bundesgleichstellungsgesetz niedergelegten Ziele“ (siehe den Blog-Beitrag „Interessenvertreterin oder Vertreterin der Interessen“ vom 12.4.2010). Da kann es auch schon mal zu einer kontroversen Diskussion mit einer Wählerin kommen, die die Gleichstellungsbeauftragte für ihr eigenes, sehr spezielles Anliegen vereinnahmen möchte. Hier ggf. klare, verständnisvolle, aber auch unmissverständliche Worte der Abgrenzung zu finden, stößt meist nicht auf Gegenliebe und kostet ebenso Mut wie Einsprüche, außergerichtliche Einigungsverfahren und ggf. Klagen. All das wird gerne mit „Liebesentzug“ bestraft und muss seitens der Gleichstellungsbeauftragten ausgehalten werden, wenn sie ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen will.

Und last but not least kommen am Ende der Amtszeit für jede Gleichstellungsbeauftragte der Ausstieg aus der Weisungsfreiheit und die Rückkehr in die Linie, d.h. die Hierarchie des männlich geprägten Verwaltungsalltags. Dann muss sie ihren Platz in der „Hackordnung“ all derjenigen wieder finden, über die und von denen sie im Laufe ihrer Amtszeit so viel Persönliches erfahren hat.

Ein Glück, dass es so viele mutige Gleichstellungsbeauftragte gibt und hoffentlich weiter geben wird. Sie werden gebraucht – jetzt und vermutlich noch lange. Denn wie lautete ein Motto für Frauenförderung vor vielen Jahren: „Lieber gleichberechtigt als später“.

Herzlich,

Ihre Kristin Rose-Möhring

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